Ein Transkript gibt die Aussagen umgangssprachlich wieder. Insofern ist es in diesem Fall für Nicht-WienerInnen vielleicht gar nicht so einfach den Sinn exakt zu verstehen bzw. die mitschwingenden Bedeutungen in weiterer Folge zu interpretieren. (Meinungen dazu würden mich in den Kommentaren natürlich interessieren.) Ich versuche die Gedankengänge während einer Interpretation transparent zu machen – in einem Memo zu meiner Forschungsarbeit wären diese erklärenden Teile natürlich nicht enthalten. Mit den Prämissen dafür habe ich mich im Artikel ‘Interpretatives Forschen – was ist daran valide?‘ auseinander gesetzt.
Aus einer Gesprächspassage über den Hof eines Wohngebäudes in der Nähe eines Marktes in Wien:
„I man es stimmt schon wenn du sogst Dor- Dorf, i hobs scherzhaft immer als gallisches Dorf bezeichnet, weil (2) ma nach Innen is ruhig und noch Außen host in Trubel; und du konnst beides oba genießen; wenn du den Trubel willst vom Brunnenmarkt gehst raus, und wenn du deine Ruh haben willst gehst wieder rein; oder bleibst herinnen; und host trotzdem Kommunikation mit deinen Nachbarn;“
Der erste Halbsatz übersetzt: „Ich meine, es stimmt schon, wenn Du Dorf sagst,“ verweist auf eine Zuschreibung die der Hof erfährt. Das Wort Dorf steht für einen bestimmten sozialen Umgang miteinander, jeder kennt jeden, es existiert eine gewisse Nähe zwischen den BewohnerInnen, eventuell auch eine gewisse Enge, da der Begriff in der Stadt oft auch einen negativen Touch hat. Wien wird häufig als Kuhdorf bezeichnet in dem jeder jeden kennt, da Wien zwar eine Großstadt ist, aber nur eine kleine in der soziale Räume bzw. Milieus so gestaltet sind, dass Anonymität nicht immer gegeben ist. Der Hof wird also als kleinräumlich erlebt. Eine generative Frage, die sich aus diesem Halbsatz ergibt: Wird der Hof bzw. das Gebäude auch an anderen Stellen des Transkriptes in dieser Form beschrieben?
Der nächste Halbsatz verstärkt den im vorherigen beschriebenen Dorfcharakter zusätzlich: „ich habe es scherzhaft immer als gallisches Dorf bezeichnet“. Diese Aussage verweist auf Asterix und Obelix und deren gallisches Dorf, umzingelt von (feindlichen) Römern, in einer permanenten Verteidigungshaltung und auch Abschottung. Die Interpretation liegt nahe, dass der Hof als von außen abgeschottet erlebt wird und die BewohnerInnen zwischen dem Innen und dem Außen eine (imaginäre) Grenze ziehen. Diese These des Innen und Außen bestätigt sich in der nächsten Aussage „weil nach Innen ist es ruhig und nach außen hast Du den Trubel“. Der Hof wird als ruhig beschrieben in Abgrenzung bzw. im Gegensatz vom Außen, wo viel los ist. Trubel, als Wort, kann auch leicht abschätzig gemeint sein bzw. hat u.U. einen negativen Touch. Mehrere generative Fragen, die sich aufdrängen: Wird diese Grenzziehung bzw. die Pole Innen und Außen an anderen Stellen des Gesprächstranskripts weiter ausgeführt? Welche Konzeption vom Innen bzw. Außen hat die Gruppe der BewohnerInnen? Was wird damit verbunden? Welche Sinnkonstruktion steckt dahinter? Mit diesen Fragen wird, wie schon ausgeführt, weiter gearbeitet. An unterschiedlichen Stellen des Transkripts, später auch an anderem Material, wird mit diesen Fragen die Analyse fortgesetzt.
Im nächsten Satzteil „und du kannst aber beides genießen“ zeigt sich eine positive Bewertung der Situation. Sowohl das Innen als auch das Außen werden ‚genossen‘, d.h. grundsätzlich positiv erlebt. Die Frage stellt sich ob das Außen ohne das Innen positiv bewertet werden würde: Innen wird grundsätzlich positiv beschrieben, beim Außen schwingt eine Ambivalenz mit (Trubel), die an dieser Stelle nur schwer fassbar wird. Daher die generativen Fragen: Wie wird das Außen im Gesprächsverlauf beschrieben? Was wird mit dem Außen, der Marktumgebung, verbunden? Wie wird dieser genutzt?
Der nächste Teil des Transkripts ist eine Redundanz und wiederholt bzw. validiert das vorher gesagte: „wenn du den Trubel vom Brunnenmarkt willst, gehst du raus, und wenn du deine Ruhe haben willst, gehst du wieder rein“. Auch hier wieder die Gegenüberstellung von Trubel und Ruhe, wobei beim Trubel wiederum eine leicht negative Konnotation mitschwingt, die im Weiteren noch zu überprüfen ist. Insofern eine erste Bestätigung, die in einer These verarbeitet werden kann, die dann in weiterer Folge zu überprüfen ist: Das Innen des Hauses wird von den BewohnerInnen positiv besetzt, das Außen wird im Gegensatz dazu ambivalent bzw. leicht negativ belegt und als Kontrast erlebt.
Kommentare (6)