Daraufhin fahren wir nach Hause, weil die andere Behörde, bei der ich heute Vormittag schon war, und wo ich die Pläne bekomme, ja erst morgen wieder offen hat. Von 8 bis 12 – zur allerbesten Tageszeit für Berufstätige also. Mein morgiger Vormittag ist also schon verplant.
Das Beste aber ist, und ich gestehe, diese Gedanken durchzuckten mich heute schon des Öfteren: Ich trage Papier zwischen amtlichen Stellen hin und her die allesamt zusammengehören, um dann einen Antrag zu stellen bei einer Stelle die – Bingo – auch zum Gleichen gehört. Und dieser Antrag, der ist auch großartig. Gestellt wird er bei einem Magistrat, das ist für die Verrechnung zuständig. Die Bewilligung der Räumlichkeiten und des pädagogischen Personals und der Konzepte aber macht ein anderes Magistrat. Ist es vermessen folgende Gedanken zu entwickeln? Warum können die Magistrate die Pläne und Schriebe nicht voneinander anfordern? Warum muss ich Papier durch die Gegend tragen, um dann Papier bei einem Magistrat einzureichen?
Mit einer Analyse der Individuen und deren Handlungsmöglichkeiten kommt man da nicht weiter. Eine Systemanalyse aber erklärt vieles. (Kleine Anmerkung: Mir zum Beispiel hilft sie dabei nicht durchzudrehen, sondern das alles hochinteressiert zu beobachten. ;)) Aus der Logik der einzelnen Stellen ist alles nachvollziehbar, die jeweiligen Abteilungen gestalten die Abläufe so, dass sie für ihre Bedürfnisse optimiert sind. Da macht es Sinn, wenn von 8 bis 12 Uhr Parteienverkehr ist, weil dann, nach der Mittagspause, bis 15 Uhr noch die Schreibarbeit erledigt werden kann und dann (wahrscheinlich) Tagesschluss ist. Und dass nicht selbst bei einem anderen Magistrat angerufen wird, um z.B. eine Freigabe zu erwirken, macht auch Sinn: Das reduziert die eigene Arbeit. Systeme agieren aus ihren eigenen Perspektiven heraus.
Die eigentlichen KundInnen sind nur „implicated actors“, d.h. einbezogene AkteurInnen, wie Adele Clarke diese nennt, und sind deshalb im Endeffekt vernachlässigbar bzw. ist das Weglassen ihrer Perspektive eine Form der Komplexitätsreduktion. Und im Gegensatz zu den Behörden sind die BewohnerInnen unorganisiert, haben keine Lobby, wählen zwar alle paar Jahre, sind aber in das System der behördlichen Abläufe so hinein sozialisiert, dass dies üblicherweise als Normalität wahrgenommen wird.
Änderung in solche Systeme zu bringen, ist enorm schwierig. Die Beharrungskräfte von gewachsenen Strukturen sind groß. Ihre Daseinsberechtigung ergibt sich aus ihrem Dasein. Veränderungen können nur vom Willen der, auch politischen, Umgestaltung ausgehen. Im Unterschied zu den politisch tätigen, auch wenn diese in Wien sehr langfristige Perspektiven haben, bleiben die handelnden Personen in der Verwaltung länger und können vieles „aussitzen“. Wenn sich also etwas ändert, dann geht das sehr langsam voran. Und ob der ganze Habitus einer Stadt, die Haltung dass gut und für bzw. über die Menschen verwaltet wird, veränderbar ist? Wenn dann in Krisen und in Wien ist von Krisen (meist) wenig zu spüren. 😉
Organisationsentwicklung (und auch Gruppendynamik) sind auch deshalb für mich so spannende Themen, weil diese Ansätze zur Veränderung liefern. Angewandte Sozialwissenschaft quasi über die ich auch einmal etwas schreiben sollte. Mit Grüßen aus Wien.
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