Unstimmigkeiten und Konflikte gehören für uns alle zum Alltag. Damit umzugehen fällt allerdings oft nicht ganz einfach. Dass Widerspruch eine hohe Qualität beinhaltet und als Ressource für Neuerungen und Forschung genutzt werden kann, führt Margaret Heffernan in einem TED Talk aus. Anhand eines Beispiels, der Medizinerin Alice Stewart in den 50er Jahren und deren Zusammenarbeit mit einem Mitarbeiter, zeigt sie welche (versteckten 😉 ) Qualitäten Widerspruch und Auseinandersetzung in (Forschungs)Prozesse bringen kann.

Und ganz nebenher, wenn Widerspruch und Konflikt als Ressource und nicht als Bedrohung betrachtet werden, sind diese auch gleich wesentlich weniger furchtbar: Sie werden zu einem spannenden und produktiven Element. Viel sozialwissenschaftliche, dabei vor allem interpretative,  Arbeit lebt davon. Widerspruch wird als Komponente in Forschungssettings integriert: Interpretationsgruppen möglichst divers zusammenzusetzen ist dabei eine Strategie, unterschiedliche Meinungen systematisch zulassen und diese für die Synthese der Interpretation zu nutzen eine weitere. Und, zugegeben, manches Mal können damit nicht vertraute Menschen ganz schön irritiert davon sein, dass andere Freude am Konflikt haben und direkt danach suchen.

Kommentare (15)

  1. #1 rolak
    Dezember 2, 2013

    Schöner Querverweis, danke! Schau ich mir gleich nachher an…

  2. #2 Andrea Schaffar
    Dezember 2, 2013

    Freut mich 🙂

    • #3 rolak
      Dezember 2, 2013

      irritiert .., dass andere Freude am Konflikt haben

      Es ist ja nicht nur hinderlich, daß (wahrgenommen) viele Menschen konditioniert werden, Konflikten generell aus dem Weg zu gehen, der Anteil derjenigen, die bei einem Konflikt automatisch an persönlichen Streit denken dürfte nochmals höher sein. Was Konfliktpartner zu einem wahrlich seltenen Gut macht – denn bei einem Sachkonflikt sachlich (hier mal nicht das Gegenteil von ’emotional’) zu bleiben, fällt (wiederum wahrgenommen) den allermeisten sehr schwer, falls es ihnen überhaupt gelingt. Das ‘schwer fallen’ reicht allerdings schon zum Torpedieren, weil es dem Gegenüber nicht verborgen bleibt.

      Margaret Heffernan beschreibt sehr anschaulich und eindringlich die Chancen und Möglichkeiten einer gepflegten Streitkultur.

      • #4 Andrea Schaffar
        Dezember 2, 2013

        Und es gibt – darüber hab ich aber noch nie gebloggt, steht mal an – auch Wege den Umgang zu lernen. Mein Zugang dazu stammt aus meinem Studienumfeld in Kombi mit gemeinsam erlebten Gruppendynamik-Seminaren: Aktives, soziales Lernen in der Auseinandersetzung mit anderen. Die wertvollsten Arbeitsbeziehungen und Freundschaften sind jene Menschen, die genau dies können was Margaret Heffernan beschreibt. Auf meine sozialwissenschaftlichen Skills hatte dies enorme (imho äußerst positive) Einflüsse.

  3. #5 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com
    Dezember 3, 2013

    Ich würde gerne widersprechen, aber kann leider nur dem allgemeinen Lob zustimmen. 🙂

  4. #6 Dr. Webbaer
    Dezember 3, 2013

    So how do organizations … think? Well, for the most part, they don’t. And that isn’t because they don’t want to. It’s really because they can’t. And they can’t because the people inside of them are too afraid of conflict.

    Ein wenig fett aufgetragen, oder? – Wenn ‘Stewart herself acknowledged that her results were outside the range considered statistically significant.’ (Quelle)

    Korrekt ist, dass X-ray einmal sehr wichtig war und einen beträchtlichen Nutzen hatte, der aber durch andere Technologien teilweise obsolet geworden ist.

    MFG
    Dr. W (der sich hier hoffentlich i.p. ‘Dare’ oder ‘Sapere aude’ nicht zu weit exponiert hat)

  5. #7 michael
    Dezember 5, 2013

    @WB
    Schön, dass der Bär Wikipedia zitiert. Schade nur, dass Wenn ‘Stewart herself ‘ … sich dort auf Working with Professor Thomas Mancuso of the University of Pittsburgh she examined the sickness records of employees in the Hanford plutonium production plant…. bezieht.

  6. #8 Dr. Webbaer
    Dezember 5, 2013

    Michael, wenn die sogenannte Statistische Signifikanz, die keine so-o große Hürde darstellt, wir vergleichen mit den Sigma-Leveln, und jedes 20. Ergebnis per se falsch ist, verfehlt wird, stellt das Ergebnisse eben in Frage.
    Ist doch nicht schlimm festzustellen.

    MFG
    Dr. W

  7. #9 Pascal
    owl world
    Dezember 5, 2013

    Ungenommen hat Widerspruch eine wertmäßige – also qualitative – Komponente; aber Konsens ebenfalls. Und dass durch Synthese von Widersprüchen zwangsläufig emergent Neues entsteht, mag sicherlich diskussionsfähig sein. Trotzdem interessanter Teaser. Danke Andrea. Aber mir ist das Thema insgesamt von Margaret Hefferman zu einseitig betrachtet. Zu konsolidieren ist, dass die Systemreferenz eher Massenmedien als Wissenschaft ist, oder?

  8. #10 schrittmacherm
    Dezember 7, 2013

    “smoking-related illness” – jaja, der Tabakrauch ist schuld.

    Kennt einer von euch Schlaumeiern denn die Verbindung von radioaktiven/ionisierten Elementen und Tabakrauch und seine Wirkung im Körper des Menschen?

    Herr dr. wb, mit Statistik kann man vom feinsten die Realität verdrehen. Ich schätze deswegen, dass nicht jedes 20. Ergebnis falsch sei, sondern nur eines unter zwanzig korrekt. Die selben Zahlen nämlich Lügen und sagen Wahrheit zugleich. Es braucht die Zahl nur den jeweils nötigen Zusammenhang und Perspektive. Hat sie schon mal jemand ein Naivchen genannt? Oder sind sie eiskalt berechnend verlogen?

    Und zum Blogthema:

    Die Qualität des Widerspruchs liegt darin, das man mit der Wahrheit frei wird. Nur von was man da frei wird, erklärt einem niemand. Auch nicht, dass man diese Freiheit mit unschätzbaren Werten bezahlt.
    Den Vorteil aus dem Streit nimmt der mit, der ihn für sich entscheidet, weil der ausreichend lang die vermeintlich besseren Argumente durch Beistand belegte.
    Im Falle Radioaktivität vs. Tabakrauchspätfolgen gab es in den fünfzigern eine deutliche Sympathie für Radioaktivität – weil der tollste Schrei im Technologiebereich. Da pissten sie gegen den Wind mit Kritik daran. Die Motivation dieser Technologie ein weißes Hemd zu rechnen war hoch und viele schnell und kreativ dabei.
    Und X-Ray ist da nur das kleinste Problem gewesen – trotz arg unsensibler Geräte damals.
    Erinnern sie sich noch an über zweitausend Kernwaffentests um diese Zeit herum? Das leuchtet heute noch lichterloh auf jedem cm2 dieser Welt. Und Nachschub bekommt das auch regelmässig durch Supergaus ziviler Reaktoren – etwa alle 30 Jahre ist uns ein “Unfall” sicher. Tragen sie das gleich in ihren Kalender ein – sie werden staunen, wie pünktlich…
    Ach, Fukushima war dann wohl ihr letzter? Mein Beileid schon mal der Herr. Meiner wohl auch. Der “Supergau” fand aber nur in mir statt – Gottgewollt wohl. Sie verstehen?

  9. #11 Dr. Webbaer
    Dezember 8, 2013

    Ungenommen hat Widerspruch eine wertmäßige – also qualitative – Komponente; aber Konsens ebenfalls. Und dass durch Synthese von Widersprüchen zwangsläufig emergent Neues entsteht, mag sicherlich diskussionsfähig sein.

    Nicht nur ‘diskussionsfähig’, sondern: ‘richtig’.

    Der Widerspruch kann eine ‘qualitative Komponente’ haben, die Zustimmung insofern, wenn sie Ergebnisse (“Erkenntnis”) zusätzlich (“aus anderer Quelle”) belegt, bloße Zustimmung, nackte Zustimmung ist dagegen nicht unproblematisch.
    Richtig ist, dass die Moderne Wissenschaftlichkeit Provisorien (“Theorien”) bereit stellt, die (gerne auch: substantiierten) Widerspruch direkt benötigt.

    MFG
    Dr. W (der vom Vid aber weiterhin nicht umfänglich begeistert ist)

  10. #12 Pascal
    OWL
    Dezember 14, 2013

    Hallo Dr. Webbaer,
    Danke für die Antwort und die tangential response.

    Ich grübelte länger, warum manche Theorien Widerspruch “benötigen”. Das leuchtet mir nicht direkt ein.

    Oder geht es nur um moderne – also neue Theorien – welche sich noch nicht hinreichen bewährt haben? Diese müssten sich eher an Widerspruch messen lassen, das wäre klar.

    Der Input von Andrea Schaffar bleibt offenbar wirklich fruchtbar.
    Gruß aus OWL

  11. #13 Dr. Webbaer
    Dezember 16, 2013

    Ich grübelte länger, warum manche Theorien Widerspruch “benötigen”. Das leuchtet mir nicht direkt ein.

    Hängt damit zusammen, dass die Moderne Wissenschaftlichkeit mit Sichten (“Theorien”) arbeitet, die grundsätzlich als Provisorien zu gelten haben, die gerne auch falsifiziert werden sollen.
    Das Falsifikationsprinzip leitet demzufolge zu Widerspruch an, macht ihn oft wichtiger als den Zuspruch, beispielsweise den erneuten empirische Beleg.


    Ischt im übertragenden Sinne auch auf Debatten auszuweiten, dieses Prinzip, der Schreiber dieser Zeilen bemüht sich denn auch eher zu widersprechen als zuzustimmen.
    Im Umkehrschluss wäre die nackte klassische kommentarische Fehlleistung: “Ich schließe mich der Meinung meines Vorredners an.” [1]

    MFG
    Dr. W

    [1] Bitte nicht lachen, als die neuen Medien (gemeint immer: das Web) hochkamen, ließ sich in fast jeder Kommentatorik derartiges finden.

  12. #14 Pascal
    OWL
    Dezember 18, 2013

    Danke für den Hinweis.

    Dass Widerspruch via Falsifikation wichtiger ist, mag stringent klingen, da Falsifikation elementar ist.

    Trotzdem bleibt es weiterhin notwendig zuzusprechen, damit sich eine Theorie bewährt. Deswegen würde ich das nicht unbedingt als wichtiger sehen, sondern neutral – oder besser – beides halte ich für wichtig für eine Theorie.

    Oder – je mehr eine Theorie Zuspruch erhält destor mehr sollte man sich in Widerspruch üben (Zuspruch, aber eben auch vice versa (Widerspruch). Nur immer Widerspruch zu suchen, mag auf Dauer destruktiv sein, es sei denn man kann die Theorie wirklich mal falsifizieren. Dann ist Ruhe und die Differenz verschwunden. Aber das macht Widerspruch nicht zwangsläufig wichtiger.

    Aber trotzdem Danke. Diskussion über Theorie bleiben für mich weiterhin spannend, zu mal ich mich mit abduktiven Thesen von Meta-“Theorien” gerade auseinandersetzen muss oder besser darf. Es bleibt schwierig…..

  13. #15 Dr. Webbaer
    Dezember 19, 2013

    Nur immer Widerspruch zu suchen, mag auf Dauer destruktiv sein, es sei denn man kann die Theorie wirklich mal falsifizieren.

    Die Falsifikation hat die Verifikation sinnvollerweise als Erkenntnisprinzip abgelöst, Theorien werden rein praktisch dadurch stabiler, dass Widerspruch nur noch selten oder gar nicht mehr kommt, dass auf Theorien aufgesetzt wird, wenn neue gebildet werden. – Wichtig das Provisorienhafte zu verstehen und ebenso die Wichtigkeit des (immer möglicherweise: begründeten) Widerspruchs. – Dieses die Falsifikation suchende Vorgehen ist nicht “normal”, sondern eine wichtige zivilisatorische Errungenschaft.