„Vorschläge zur Qualitätssteigerung in islamischen Kindergärten“, S. 15 des Projektberichts: Wie genau diese entstanden sind und wie diese mit dem Material bzw. den Ergebnissen vernetzt sind, bleibt unklar. Die angeführten Punkte sind eine Liste von nicht in den Daten begründeten Maßnahmen. Teils sind damit Allgemeinplätze wie zum Beispiel „Zusammenarbeit der Kindergärten mit Schulen forcieren“ enthalten. Teils finden sich feldspezifische Annahmen unter den Vorschlagen: „Entkoppelung der Kindergärten und Gruppen von islamistischen, salafistischen Trägervereinen.“
Interpretation der Daten: Das eigentliche Kernstück jeder qualitativen Forschung ist eine Analyse der Daten und ihrer Ergebnisse. Die Erkenntnisse werden in einen Kontext gestellt und analytische Schlüsse gezogen, die im Material begründet werden. Ein derartiger Abschnitt fehlt in dem Projektbericht zur Gänze. Nach den deskriptiven Aufzählungen der Punkte innerhalb der Kategorien, folgen die Punkte „Wertevermittlung und Umgang mit der Vielfalt“, „Organisationsform der Kindergärten“ und „Vernetzung der Akteure“. Ohne auf die Ergebnisse einzugehen, diese in einen Kontext zu setzen und auszuführen welche Interpretationen und Zusammenhänge sich aus dem Material ergeben, folgt ab S. 15 des Projektberichts ein Abschnitt zu den Vorschlägen. Woher diese kommen und worauf diese fußen, bleibt, wie schon ausgeführt, unklar.
Im dann folgenden Ausblick wird auf weitere, als sinnvoll erachtete, Forschungsschritte verwiesen. Die erwähnten Beobachtungen und Gruppendiskussionen wären ein sinnvoller Weg, um sich dem Thema umfassend und aus der Perspektive der Handlungs- und Alltagspraxis zu widmen. Dafür sind allerdings noch umfassendere methodische Kenntnisse notwendig, als für die Durchführung von Leitfadeninterviews. An dieser Stelle bleibt offen, ob die diesbezüglichen erforderlichen Kompetenzen beim Institut für islamische Studien vorhanden sind.
Last but not least: Formale Kriterien
Ein Literaturverzeichnis fehlt, in den Fußnoten angeführte Literatur wird nicht in einem solchen zusammengefasst. Im Anhang fehlen die verwendeten Leitfäden. Ein Überblick über die geführten Interviews ist nicht vorhanden. Transkripte oder Transkriptelemente sind nicht im Projektbericht zugänglich. Artefakte des methodischen Arbeitens, wie ein Kategorienschema o.ä., sind nicht in der vorliegenden Arbeit enthalten – bei studentischen Arbeiten geht man meistens davon aus, dass diese dann auch nicht vorhanden sind. Eine Arbeit dieser Qualität würde von mir – auch dank ihrer formalen Kriterien – an meinem Institut, der Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien, nicht akzeptiert werden.
Abschließend: Der Projektbericht ist ein gutes Beispiel für ein schlechtes Beispiel. Sozialwissenschaftliche Forschung unterliegt, wie jede wissenschaftliche Arbeit, nachvollziehbaren und transparenten Kriterien. Jede wissenschaftliche Arbeit muss diese einhalten, um Standards gerecht zu werden und vergleichbar zu bleiben. Das Ziel jeder sozialwissenschaftlichen Forschung ist, wie bei anderen Forschungsdisziplinen auch, eine Basis zu legen auf die andere aufbauen können. Dies wird bei intransparenten Arbeiten, wie der hier besprochenen, verunmöglicht.
Die häufig geäußerte Kritik an den Sozialwissenschaften als subjektiver und unwissenschaftlicher Zugang begründet sich (zurecht) in Arbeiten wie dieser „Evaluation islamischer Kindergärten/-gruppen“. Etwas das für SozialwissenschafterInnen wie mich, die Methoden als Werkzeuge, die reflektiert und bewusst eingesetzt werden müssen, nutzen und denen das Standing der Disziplinen wichtig sind, schmerzhaft ist.
Verzeichnis der genutzten Onlineressourcen
Aslan, Ednan: Projektbericht Qualitativ-empirisches Forschungsprojekt „Evaluierung islamischer Kindergärten/-gruppen in Wien“ – Kurze Darstellung der relevanten Zwischenergebnisse. https://images.derstandard.at/2015/12/10/ProjektberichtIslamischeKindergaertenErgebnissefinal-2.pdf (Abgerufen am 18.12.2015)
Facebookposting von Thomas Schmidinger: https://www.facebook.com/Thomas.Schmidinger/posts/10153530786864457?pnref=story (Abgerufen am 18.12.2015)
Institut für islamische Studien: https://iis.univie.ac.at/home/ (Abgerufen am 18.12.2015)
Wirtschaft, Arbeit und Statistik (Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien): In Kinderbetreuungseinrichtungen betreute Kinder in Wien 1989/1990 bis 2012/2013. https://www.wien.gv.at/statistik/bildung/tabellen/kth-kinder-zr.html (Abgerufen am 18.12.2015)
Wirtschaft, Arbeit und Statistik (Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien): Definitionen zur Kinderbetreuungsstatistik. https://www.wien.gv.at/statistik/bildung/kinderbetreuung/definitionen.html (Abgerufen am 18.12.2015)
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