Geschichte der „Evaluierung islamischer Kindergärten/-gruppen in Wien“

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, hier die Umstände, wie sie sich mir derzeit darstellen. Beauftragt wurde die Evaluierung vom Bmeia, dem Bundesministerium Europa, Integration, Äußeres. (Hier der Link zur Datenbank Integrationsprojekte, danke an den Hinweis! Aus dem Projektbericht und -website geht die Finanzierungsquelle btw nicht hervor.) Der Umsetzungszeitraum war ambitioniert von Juli bis Dezember 2015 (Angabe im Projektbericht vom IIS, in der Datenbank steht 1.6.-1.12.2015). Darin enthalten sind keine repräsentativen – weder im qualitativen noch im quantitativen Sinne – und nachvollziehbaren Aussagen. Und auch an dieser Stelle nochmals: Ob Vorstudie oder nicht, getroffene Aussagen müssen immer grundsätzlich nachvollziehbar sein, wenn ein Paper im wissenschaftlichen Kontext platziert wird.

Jener Politiker, der die Arbeit beauftragt hat, hat die vorläufigen Ergebnisse in die Öffentlichkeit getragen. Verwendet wurde die Evaluierung um anzuklagen. Aufgrund der Qualität der Arbeit kann aber niemand sagen, ob dies auch tatsächlich so ist. Diesen Anspruch kann die Studie nicht erfüllen, wie in meiner Langfassung der methodischen Kritik ja ausführlich dargelegt.

Die Medien greifen ein solches Thema natürlich auf. Es hat ja Brisanz und passt zu den öffentlichen Diskursen. Einige Menschen sagen: “Aber da wird schon was dran sein.” Öffentlich werden Maßnahmen verlangt und gesagt, dass schnell etwas geschehen muss. Noch immer weiß aber zu diesem Zeitpunkt noch niemand, was konkret in der Studie steht und wie sie gemacht wurde. Die kritischen Fälle werden und wurden nicht an die Behörden weitergegeben, die MA 11 der Stadt Wien hat sich wiederholt dazu geäußert und um Informationen gebeten – z.B. in der ORF Sendung Thema. Eine Informationsweitergabe wurde mit Hinweisen der Vertraulichkeit abgelehnt.

Der öffentliche Diskurs hebt, durch die politische Inszenierung hervorgerufen, ab und wird intensiv. Stellungnahmen werden verlangt und eingeholt, diverse Verbände äußern sich. Öffentlich und medial werden Schuldige gesucht und auch gefunden. Pauschal werden alle Kindergärten und -gruppen über einen Kamm geschoren. Diese Prozesse polarisieren und beeinflussen das gesellschaftliche Klima.

Dann wird die Studie, nun im Wording eine Vorstudie, geleakt. Aber das tatsächliche Paper liest zu diesem Zeitpunkt schon kaum noch jemand. Die Fronten sind verhärtet, der Schaden im Diskurs schon entstanden und eine neue Facette der Narrationen rund um Islam bzw. Islamismus wurde etabliert. Wissenschaft, Politik und Medien formen so gesellschaftliche Bilder, entwickeln im Wechselspiel Narrationen und prägen die öffentliche Meinung.

Noch mehr Menschen sagen nun: ‚Es wird schon was dran sein.‘ Gesellschaftliches Porzellan ist damit zerschlagen, die gesellschaftliche Balance noch weiter gestört und so wird nach und nach das Klima vergiftet – ausgelöst durch eine ‘Vorstudie’ die keine ist.

Und wie so oft bleibt am Ende zu fragen: Wem nützt es? Cui bono?

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Kommentare (4)

  1. #1 Name auf Verlangen entfernt
    Dezember 25, 2015

    Über das beanstandete Projekt kann ich keine Aussagen machen, aber Ihre grundsätzlichen Gedanken zur Wissenschaftlichkeit: “wie Wissen hergestellt werden (kann)” unterliegt dem fatalen Irrtum einer ans Totalitäre grenzenden Wissenschaftsideologie, die vergessen hat, daß man eben Wissen nicht herstellen kann, u.a. weil “Wissenschaftler ihre Maßstäbe, ihrer Verfahrensweisen, ihre Rationalitätskriterien im Verlauf ihrer Forschung genauso (ändern), wie sie ihre Meßinstrumente und Theorien verändern,” wie Paul Feyerabend schreibt (“Methodologische Argumente können nicht zeigen, daß Wissenschaften anderen Traditionen überlegen sind” SV, Erkenntnis für freie Menschen, S. 195).

    Wissen erlangen ist ein Prozess und bezieht sich auf eine Sache, und kein finales Konzept; – das gilt selbst für die hard sciences an der Grenze zum Irrationalen: auch wissenschaftliche Wahrnehmung ist in dem Sinne subjektiv, als daß sie – wie Sie selbst schreiben – “transkribiert und verarbeitet” wird – und die Methoden sich in ihrer Weiterentwicklung ständig verändern – die “Sache” selbst verändert sich auch, schon allein deshalb kann “Wissen” dort nicht dauerhaft gleichbleibend parken.

    Gefährlich wird es dann, wenn diese “Methoden” für wahrhaft objektiv gehalten werden, obwohl sie doch nur eine Projektion der Ideologie sind, die eben diese Methoden vor vielen anderen möglichen Methoden bevorzugt.

    • #2 Andrea Schaffar
      Dezember 25, 2015

      Sie haben – aus welcher Intention auch immer – ein entscheidendes Wort unter den Tisch fallen lassen: “Wie kann _dieses_ Wissen hergestellt und erhoben werden?”. Dabei beziehe ich mich auf den Absatz davor und beschreibe die Erhebung unterschiedlicher Orientierungen.

      Mir zu unterstellen ich würde einem “fatalen Irrtum einer ans Totalitäre grenzenden Wissenschaftsideologie” folgen, kann nur heißen, dass sie sonst nichts von mir gelesen haben. Ich arbeite mit situativ orientierten, prozessorientierten Ansätzen, die unterschiedlichste Wissensformen bearbeiten und gegenständliche Theorien hervorbringen, die in ihrer Anlage schon jeder Form eines finalen Konzepts widersprechen. Diverse Blogposts behandeln die notwendige Reflexivität, direkt unter der Zwischenüberschrift, die Sie verkürzt zitieren, findet sich z.B. dies: “Die Auseinandersetzungen rund um diese Themen dienen dazu die Werkzeuge zu fundieren, zu überprüfen was diese genau leisten können und messen, das Instrumentarium zu schärfen und reflexiv mit diesen umzugehen. Methoden entwickeln sich immer weiter,[…]”.

      Sie hätten sich das Raussuchen des Feyerabendzitats sparen können, hätten Sie gelesen was ich geschrieben habe. Selektiv Begriffe aus einem Kontext zu reißen und darauf aufbauend Vermutungen anzustellen, ist meist nicht sonderlich zielführend.

  2. #3 Sulu
    Dezember 25, 2015

    Mir zu unterstellen

    Keine Sorge, Andrea. MT ist ein bekannter Astrologe, der gnatzt immer mal gern gegen Wissenschaft.

    Feyerabendzitat

    Was der in letzter Zeit so herhalten muss, tststs…

    • #4 Andrea Schaffar
      Dezember 25, 2015

      Ja, thx, hab ich nach meiner Antwort gelesen. Hätte mir das Profil vorher ansehen sollen, dann hätte ich mir die Antwort sparen können. 😉