Während ich noch voller Vorfreude auf mein erstes Ziel war, musste ich nach der Ankunft im Hostel feststellen, dass mein Kulturbeutel (wahrscheinlich irgendwo nach der Gepäckaufgabe) aus meinen Rucksack geklaut wurde. Zum Glück habe ich eine zweite Zahnbürste im Handgepäck dabei! Während ich mich also aufgrund der späten Uhrzeit nur unbefriedigend Bettfertig machen konnte, erfreut sich irgendwo ein Volldepp an meiner Hautcreme…
Nichtsdestotrotz habe ich mich in Edinburgh auf Anhieb sehr wohl gefühlt. Man kann Stunden damit verbringen einfach ziellos durch die Straßen zu streunern und findet überall schöne Ecken. Es kann daran liegen, dass ich als ehemaliger Hamelner einen Hang zu Märchen habe, aber durch den überall präsenten mittelalterliche Charme dieser Stadt würde man sich nicht wundern, wenn zwischen all den Bussen, Taxis und Touristen einfach so ein Einhorn rumlaufen würde, oder Harry Potter auf einem Besen vorbeifliegt. Und tatsächlich kann man hier zahlreiche Pilgerstätten besuchen an denen Joanne K. Rowling an ihren Büchern geschrieben hat. Die Stadt hat so viel zu bieten, dass es mir fast schon schwer fällt über Wissenschaft zu schreiben.
Meine Erwartungen, dass die Universität in dieses Stadtbild passt, Wissenschaft in mit Kerzen beleuchteten Räumen, anhand alter schwerer Folianten gemacht wird, hat sich dann aber leider nicht erfüllt. Die Universität von Edinburgh ist über verschiedene Standorte in der Stadt verteilt, wobei die Natur- und Ingenieurwissenschaften am Rande der Stadt in modernen Gebäuden untergebracht sind.
Mein erster Besuch führte mich zu Dr. Norbert Radacsi. Seit Sommer 2016 ist er Assistant Professor im Institut für Chemieingenieurwesen der Universität von Edinburgh und beschäftigt sich mit dem Einsatz von Nanotechnologie für die Energietechnik. Als Assistant Professor forscht er mit einer kleinen Gruppe aus Doktoranten und Studenten eigenständig und ist nebenbei auch für Lehre zuständig. Sein Lebenslauf zeigt etwas für Wissenschaftler sehr typisches: nach Studium in Ungarn durchlief er unterschiedliche Forschungsstationen in den Niederlanden und den USA. Um wissenschaftlich Karriere machen zu können, stehen Familie und Hausbau aufgrund der erwarteten Flexibilität meistens an zweiter Stelle. Wobei man auch sagen muss, dass die Möglichkeit an so vielen schönen Orten auf der Welt arbeiten zu können nicht immer nachteilig ist.
Dr. Radacsi‘s Forschung zielt unter anderem auf die Verbesserung von Brennstoffzellen ab. Bei Brennstoffzellen geht es allgemein darum chemische Energie in elektrische Energie umzuwandeln. Die gängigste Methode dafür ist Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser reagieren zu lassen, was bereits 1838 von Christian Friedrich Schönbein gezeigt wurde. Im folgenden Video sind die Grundlagen meiner Meinung nach sehr gut erklärt:
https://www.youtube.com/watch?v=SR1KuSWtjmI
Im Prinzip sind Brennstoffzellen also eine super Sache und wurden auch schon während der Apollo 11 Mission eingesetzt oder werden in modernen U-Booten benutzt. Nur leider gibt es große Probleme mit den hohen Material und Herstellungskosten. Hier kommt die Nanotechnologie ins Spiel. Man erhofft sich durch ihren Einsatz Brennstoffzellen günstiger in der Herstellung, effizienter und robuster zu machen.
In Edinburgh wird dafür eine relativ neue Form der Brennstoffzelle, die sogenannte Solid Acid Fuel Cell (SAFC), verwendet. Diese Brennstoffzelle benutzt ganz bestimmte Chemikalien (solid acids) als Elektrolytmembram. Der Vorteil liegt darin, dass sie bei relativ geringen Temperaturen (das heißt ~250°C) und mit verschiedenen Brennstoffen funktionieren. Die geringe Temperatur hat einen positiven Einfluss auf die Lebensdauer der Brennstoffzelle. Allerdings erreichen diese Brennstoffzellen noch nicht den gewünschten Wirkungsgrad (also das Verhältnis von eingesetztem Brennstoff zu erzeugten Strom) um konkurrenzfähig zu sein.
Das größte Problem stellen dabei im Prinzip die Elektrolytmemebranen an sich dar.
Oder wissenschaftlich korrekter:
“…one can surmise that the electrocatalysis reaction is limited to the triple-phase boundaries at which the electrolyte, catalyst and the gas phase are in contact, and where the simultaneous and coordinated transport of electrons, ions, and gas molecules can occur.” Varga et al., J. Mat. Chem., 2010, 20, 6309-6315
Durch die Herstellung sehr dünner poröser Membranen (was man sich bildlich wie einen dünnen Schwamm vorstellen kann) erhofft man sich den Wirkungsgrad verbessern zu können. Die Idee dahinter ist, dass man versucht die Kontaktfläche, an der die Reaktion stattfindet, zu maximieren um dadurch die Reaktion effizienter zu machen.
Genau hier kommt Nanotechnologie ins Spiel. Nanostrukturen bieten eine sehr große Oberfläche ohne selber viel Platz wegzunehmen. Dabei spart man nicht nur den Platz, sondern man kommt auch mit viel weniger Material aus, was wichtig ist wenn man wertvolle Materialien wie z.B. Silber oder Gold verwenden möchte.
Um die gewünschte Nanostruktur herzustellen, benutzt Dr. Radacsi eine Methode namens Electrospinning. Mit dieser Methode kann man sehr feine Nanofäden herstellen. Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach. Man hat eine Flüssigkeit in einem Behälter. Die Flüssigkeit kann durch eine Öffnung in dem Behälter auf eine darunter befindliche Platte fließen. Dieser Fluss wird durch eine elektrisches Feld gesteuert. Auf dem Weg härtet sie aus und auf der Platte können die feinen Nanofäden aufgesammelt werden.
Zur Verbildlichung könnte man sich einen Wasserhahn vorstellen, bei dem das Wasser auf dem Weg in den Abfluss eingefroren und die Eiswürfel dann aufgesammelt werden. Die Größe der Eiswürfel hängt allerdings von dem Wasserstrahl aus dem Hahn ab. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass man mithilfe des Hahns den Durchmesser des Wasserstrahls nur sehr schlecht einstellen kann (meistens scheitert es schon an der richtigen Temperatur…). Hier kommt das elektrische Feld ins Spiel, womit man den Strahldurchmeser sehr gut steuern kann. Dadurch ist man in der Lage, statt riesigen Eiswürfeln jetzt sehr dünne Fäden herzustellen. Diese Fäden können ein hochporöses dreidimensionales Netz bilden, wenn man sie übereinander schichtet welches dann in der Brennstoffzelle benutzt werden soll.
Die beschrieben Ansätze zur Verbesserung der Brennstoffzelle klingen sehr vielversprechend und ich bin gespannt ob es der Gruppe um Dr. Radacsi in den nächsten Jahren gelingen wird die erhoffte Wirkungsgradsteigerung zu erreichen. Es war auf jeden Fall nicht mein letzter Besuch in Edinburgh, was nicht nur damit zusammenhängt, dass ich mitterleben durfte wie während des Burns Supper traditionelle schottische Gedichte fehlerfrei rezitiert wurden, obwohl der Vortragende alleine eine Flasche Whiskey innerhalb von 30 Minuten geleert hat. Im weiteren Verlauf des Abends musste er dann allerdings leider entfernt werden…
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