Nach Spanien hatte ich ein großes Kaliber auf dem Zeitplan. Die ETH Zürich ist eine der renommiertesten Universitäten in Europa. Zürich ist auch eine sehr schöne Stadt aber aufgrund der Preise und dem beschränkten Reisebudget konnte ich sie nicht so genießen wie ich gerne möchte…Glücklicherweise konnte ich vor Ort bei Freunden unterkommen und so etwas Geld sparen :).
An der ETH habe ich Prof. Sotiris Pratsinis besucht, der 2011 den renommierten Humboldt-Forschungspreis erhalten hat. Mit über 200 veröffentliche Fachartikeln und Lehrerfahrung an vielen verschiedenen Universitäten, darunter Harvard, Hiroshima, Karlsruhe, Duisburg-Essen, Berkely, Delft und Queensland gilt er als einer der führenden Experten im Bereich flammenbasierte Nanopartikelsynthese. Deswegen habe ich mich natürlich riesig gefreut, dass er sich einen Mittag zeitgenommen hat und mir die Forschungseinrichtung sowie die ETH gezeigt hat. Und die Führung mit ihm war echt ein Erlebnis, dass man nur begeistert sein kann. Eine Sache, die mir an der ETH sehr gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass Professoren mehr Freiheiten als an anderen Universitäten genießen. Sie sind nämlich nicht den Fachbereichen untergeordnet. Dies gibt ihnen nicht nur mehr Freiheit in ihrer wissenschaftlichen Entwicklung, sondern ermutigt auch zur Kooperation untereinander, was sich sehr positiv auf die Wissenschaft vor Ort auswirkt.
Die ETH ist sehr beeindruckend. Allein die Gebäude versprühen schon den Drang nach Wissenschaft. Das Hauptgebäude das ab 1858 von Gottfried Semper geplant (auch wenn es später erheblich verändert wurde) erinnert mehr an einen griechische Tempel als an eine Universität. Dazu kommt, dass auch eine Reihe von Nachbauten die Wände im Inneren des Gebäudes schmücken (wie z.B. von der Berliner Museumsinsel). Allein das macht die Besichtigungen zu einem Event.
Prof. Pratsinis beschäftigt sich mit der Herstellung von Nanopartikeln. Die Methode die er benutzt ist ähnlich der Methode die ich schon in meinem Beitrag aus Tampere beschrieben habe, was zeigt wie beliebt flammenbasierte Methoden zur Herstellung sind. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat er nicht nur wegweisende Forschung in diesem Bereich betrieben und untersucht unter anderem die Wachstumsmechanismen in der Flame (Pratsinis, S.E. (1998) Flame aerosol synthesis of ceramic powders, Prog. Energy Combust. Sci.,24) . Er möchte genau verstehen wie die Nanopartikel wachsen und welche Strukturen sie dabei bilden können. Durch dieses Verständnis ist man in der Lage das Wachstum gezielt zu steuern und den gewünschten Bedürfnissen anzupassen. Dabei hat mir eine Sache besonders gefallen. In der Wissenschaft werden oft neue Methoden auf Laborbasis berichtet. D.h. man zeigt eine neue Methode um etwas bestimmtes herzustellen. Was allerdings aus bleibt ist, ob sich die Methoden auch industriell umsetzen lassen. An der ETH wurde aber genau das gemacht. Es wurden zwei (weltweit einzigartige) Systeme aufgebaut, die Nanopartikel im kg/h Durchsatz herstellen können. Damit konnte gezeigt werden, dass die Methode an der in Zürich geforscht wird von großem industriellen Nutzen ist. Außerdem ist es für die Wissenschaft sehr wichtig zu zeigen, dass es möglich ist Prozesse von der Idee bis zur Marktreife zu entwickeln.
Eine Sache worauf man an der ETH sehr stolz ist, ist die Liste der Abgänger. Neben Wilhelm Röntgen, Fritz Haber und Wolfgang Pauli kann sich die ETH damit schmücken Albert Einstein ausgebildet zu haben. Er hat dort nämlich Physik und Mathematik auf Lehramt studiert. Einstein wird mir auf meiner Reise noch öfters begegnen. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Einstein es schafft, andere Wissenschaftlern in den Schatten zu stellen und als der Superstar schlechthin zu gelten. Es gibt eine ganze Reihe von Wissenschaftler die sehr wichtige Beiträge zu ihren Forschungsgebieten und unserem Weltbild beigetragen haben, aber keiner ist annähernd so berühmt wie Einstein. Selbst unser mediales Bild des verwirrten Professors beruht auf Albert Einstein und er gilt tatsächlich als der erste mediale Superstar der Wissenschaft.
Für mich als (junger) Wissenschaftler ist Einstein aber nicht nur aus dem Grund interessant, dass man versuchen kann gebildet zu klingen, in dem man seine schlaue Sätze bei Zitate.de nachliest und andauernd zum Besten gibt. Da ich kein theoretischer Physiker, kann ich zwar verstehen das seine Relativitätstheorien sehr wichtig sind, aber dann hört es auch schon auf… Für mich ist Einstein so faszinierend und inspirierend weil er (wie einige andere Wissenschaftler auch) ein sehr klares Ziel vor Augen hatte. Er wusste schon früh womit er sich als Physiker beschäftigen möchte und hat dies trotz aller Hindernisse gemacht. Er hat z.B. den Job beim Patentamt angenommen um finanziell abgesichert zu sein und ein Tag die Woche Zeit für seine Forschung zu haben. Das ist etwas womit sich viele junge Wissenschaftler sehr schwer tun, da es nicht so einfach fällt sich direkt festzulegen. Das Festlegen auf eine bestimmtes Forschungsfeld ist für uns aber unglaublich wichtig um wissenschaftlich Karriere machen zu können. Und das ist es was ich an Einstein bewundere, seine Unnachgiebigkeit und Bereitschaft sich voll auf sein Forschungsgebiet zu konzentrieren.
Aber zurück zu der Forschung von Professor Pratsinis. Eine zweite Anwendung in der Gruppe, die ich super spannend fand ist die E-Nose. Es handelt sich um eine künstliche Nase, die Krankheiten wie z.B. Lungenkrebs riechen kann!!!
Man hat festgestellt, dass sich die Zusammensetzung der Atemluft bei bestimmten Krankheiten verändert. Wenn man z.B. an Lungenkrebs erkrankt ist, befindet sich mehr Formaldehyd in der Atemluft. Bei Patienten die an Lungenkrebs erkrankt waren befindet sich eine (Median-) Konzentration von 83 ppb in der Atemluft. Bei gesunden Patienten lag diese bei 48 ppb. Da eine Diagnose aufgrund der Atemluft ohne Bluttest gemacht werden kann, sehr einfach, günstig und schnell ist, ist ein solches Verfahren extrem erstrebenswert Das Problem ist nur das die Konzentration extrem gering ist und darüber hinaus andere Stoffe wie z.B. Ammoniak sich in viel größeren Mengen (400-1800 ppb) ebenfalls in der Luft befinden, die auch mit dem Sensor reagieren können. Diese beiden Gründe machen es bisher unmöglich Krankheiten wie Lungenkrebs an der Atemluft zu detektieren (Güntner et al. (2016) E‑Nose Sensing of Low-ppb Formaldehyde in Gas Mixtures at High Relative Humidity for Breath Screening of Lung Cancer?, ACS Sens.,1).
Prof. Pratsinis ist allerdings in der Lage einen Sensor herzustellen der das kann. Mithilfe des oben beschrieben Flammensynthese stellt er eine hochporöse Schicht aus metalloxidischen Nanopartikel her.
Diese Sensoren machen sich zwei Eigenschaften zu nutze:
- Sie haben eine extrem große Oberfläche (Ich werde darauf später in meinem Beitrag zu Nanotechnologie noch eingehen) und können dadurch auch kleinste Mengen von bestimmten Stoffen detektieren.
- Sie sind eine Kombination von vier verschiedenen Materialien/Sensoren, dadurch lassen sich Schrittweise bestimmte Stoffe wie z.B. Ammoniak ausschließen (Wer früher gerne MasterMind gespielt hat wird dieses Prinzip kennen…) und man ist in der Lage Formaldehyd in sehr geringen Mengen zu detektieren.
Wenn diese Sensoren Marktreif werden, werden sie eine große Verbesserung im modernen Krankenhaus Alltag darstellen und einen entscheiden Beitrag zur Frühdiagnose gefährlicher Krankheiten darstellen. Wie groß das Potential dieser Methode ist, lässt sich auch daran sehen, dass Prof. Hossam Haick vom Technion in Israel (den ich hoffentlich noch besuchen werde…) der schon länger an der E-Nose arbeitet 2015 in die Trust 100 Liste (https://www.socialtech.org.uk) gewählt wurde…
Alles in allem war ich mit meinem Besuch in Zürich sehr zufrieden. Ich war zwar nur einige Tage dort habe aber sehr viel gelernt. Die Besichtigung der Forschungseinrichtungen war extrem beeindruckend und wen man durch die ETH läuft, hat man das Gefühl, dass man durch ein Stück Wissenschaftsgeschichte läuft. Jeder der Chance hat und sich für Wissenschaft interessiert, sollte der ETH unbedingt eine Besuch abstatten. In diesem Sinne:
“Ich mach nie Voraussagen und werde das auch niemals tun.“ –Albert Einstein
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