Nach Israel ging es für mich erstmal zurück nach Delft, da ich ein bissl arbeiten und Wissen schaffen musste. Aber es ist eine gute Gelegenheit meine eigene Universität in die Reise zu integrieren. Die Technische Universität von Delft ist die älteste (Technische) Universität in den Niederlanden und wurde als Royal Academy 1842 von König Willem II gegründet, mit dem Ziel Staatsangestellte für die Kolonie Niederländisch-Indien (das heutige Indonesien) auszubilden. Über die Jahre entwickelte sich diese Royal Academy durchgehend, bis zu der sehr renommierten Technischen Universität Delft, weiter.
In den Niederlanden fühle ich mich nicht nur wegen der lustigen Sprache sehr wohl (en ja, ik begrijp een beetje nederlands). Delft bietet Wissenschaftlern ein extrem gutes Forschungsumfeld. Die Universität ist sehr gut ausgestattet, als Forscher hat man viele Freiheiten und ein sehr angenehmes Leben dort. Drei Punkte sind mir allerdings während meiner Zeit in den Niederlanden aufgefallen, die sich von Deutschland unterscheiden.
- die Publikationspolitik
- Die Lehre (im Ingenieurbereich)
- Frikandel aus’m Automaten
Zum ersten Punkt: Publikationen sind für uns Wissenschaftler die Währung an der wir gemessen werden. Wie wir lehren, unsere Vorträge halten oder wie wir Studenten betreuen ist im Vergleich unwichtig, wichitg ist unser H-Index und der Impact-Faktor. Also Was? wir Wo? publizieren. Auch für das Einwerben von Drittmitteln sind unsere bisherigen Publikation extrem wichtig (dafür sind wir, meiner Meinung nach, in der Regel übrigens recht schlechte Schreiber…).
Ganz nach dem Motto: Wir zeigen gerne was wir gemacht haben, wird in den Niederlanden sehr viel publiziert. Diese Publikationspolitik wird oft kritisiert, da es einen Trend gibt, dass zu viel Müll veröffentlicht wird. Aber gilt das auch für die Niederlande? Auf https://www.scimagojr.com habe ich mal nachgelesen welche Länder im Bereich Nanotechnologie wie viel publizieren. Zusätzlich kann man sich dort verschiedene Qualitätsmerkmale anschauen (die in der Regel daran gemessen werden, wie oft unsere Publikationen zitiert werden). Ohne auf jedes Merkmal im Detail einzugehen, finde ich, dass man den Niederländern eigentlich wenig Vorwürfe machen kann. Bei der Menge der Publikationen sind sie unter den Top 20 der Welt. Die meisten Länder, die mehr publizieren, sind wesentlich größer und die Daten sind nicht normiert. Es stimmt also, dass die Niederländer recht viel publizieren. Wenn man sich die Kennwerte für Qualität anschaut, landen sie (je nach Kennwert) in den Top 10 oder den Top 15. Hier würde man einen deutlich schlechteren Wert erwarten, wenn die Niederländer nur auf Quantität gehen würden.
Um die Lehre zu gestalten gibt es zwischen den Universitäten in den Niederlanden absprachen. Die Lehre ist generell verschulter als in Deutschland, allerdings müssen die Studenten auch mehr tun. Ich bin nicht der Meinung, dass die Vorlesungen besser sind oder mehr Stoff behandelt wird, aber es gibt wesentlich mehr betreute Übungen, mit Abgabepflicht der Übungsaufgaben, als ich es aus Deutschland kenne. Dadurch beschäftigen sich die Studenten mehr (oder intensiver) mit dem Stoff, was sich definitiv nicht schlecht auf ihr Studium auswirkt. Darüber hinaus sind die Bachelor in Niederländisch, aber alle Master in Englisch, wovon sowohl die holländischen als auch ausländische Studenten profitieren.
In der Gruppe von Prof. Ruud van Ommen arbeiten wir daran kleine Nanopartikel zu funktionalisieren. Nanopartikel werden schon seit Jahrzehnten in verschiedene Produkte gemischt (Sonnencreme, Autoreifen, Ketchup, Kirchenfenster….). Sie haben dort in der Regel eine bestimmte Aufgabe (z.B. als rotes Farbpigment in Kirchenfenstern rot sein). Um die Eigenschaften dieser Nanoteilchen zu verbessern, versuchen Forscher weltweit, seit einigen Jahren, sie zu funktionalisieren. Dabei versucht man entweder die Eigenschaft, die die Nanoteilchen in dem Produkt bereits erfüllen zu verbessern (also z.B. stärkeres, schöneres rot) oder den Nanoteilchen in dem Produkt noch eine zweite Aufgabe zu geben (also z.B. rote Farbe und Kratzfestes Fenster). Um solche Veränderungen zu erreichen verwenden wir ein Prozess namens Atomic Layer Deposition. In diesem Prozess benutzen wir abwechselnd zwei gasförmige Chemikalien (Precursor), die nacheinander mit der Oberfläche der Nanoteilchen reagieren. Wenn der erste Precursor in Kontakt mit der Oberfläche der Nanoteilchen kommt, entsteht um die Nanoteilchen herum eine neue Schicht aus einem anderen Material. Das Geniale ist, dass diese neue Schicht nur eine Molekülgröße dick ist, denn die Moleküle in dem Precursor können nur direkt an der Oberfläche der Nanoteilchen reagieren. Wenn dort bereits ein Precursormolekül ist, kann ein Zweites an diese Stelle nicht mehr ran. D.h. der Prozess ist selbstlimitierend. Damit wir mehr als nur eine solche Schicht wachsen lassen können, brauchen wir also den zweiten Precursor. Der zweite Precursor reagiert mit der neuen Oberfläche und reaktiviert sie wieder. Er schafft also wieder freie Plätze für die Moleküle des ersten Precursor. Auf diese Weise können wir den ersten Precursor nochmal benutzen und nochmal und nochmal und nochmal….und nochmal und die Schicht so dick wachsen lassen wie wir sie brauchen.
Ich erfreue mich hier zwar gerade über einen Prozess bei denen wir Strukturen erschaffen, die langsamer als unsere Fingernägel wachsen, aber mithilfe der Atomic Layer Deposition konnten wir sehr effektive Photokatalysatoren herstellen, die mit einer Mischung aus TiO2 und Platin arbeiten. Die Menge an Platin können wir mit 0.16 % sehr gering halten (Van Ommen et al. (2015) J. Vac. Sci. Tech. A, 33, 021513) was natürlich extrem cool ist, da Platin sehr teuer ist. Oder wir können Papierfasern sehr widerstandsfähig machen und dadurch Verpackungen herstellen, die wesentlich umweltfreundlicher sind als Plastik (Mirvakili, et al. (2016) ACS Appl. Mater. Interfaces, 21). Das Schöne an der Atomic Layer Deposition ist, dass es Nanotechnologie ist, genauso wie Richard Feynman sie 1959 vorrausgesagt hat, nämlich Strukturen Molekül für Molekül aufzubauen…
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