Es ist erfrischend, nach sieben Jahren USA wieder eine Grundvorlesung „Analytische Chemie“ in deutscher Sprache abzuhalten. Nach amerikanischem Vorbild wurde gegen Semesterende, die erste Evaluierung der Vorlesung durch die Studenten abgehalten: Inhalt: ok, etwas zu technisch; Form der Vorlesung: ok; Tempo der Stoffvermittlung: ok; usw. … doch dann die Überraschung – fast 25 % der befragten Studenten führt unter der Rubrik “Was ist besonders schlecht an der Vorlesung“ an, dass die Folien bzw. Lehrunterlagen auf Englisch sind!

Aus didaktischen Gründen ist einzusehen, dass es durchaus schwierig ist, einer Vorlesung in deutscher Sprache mit englischen Unterlagen zu folgen, aber aus der Diskussion dieses Umstandes in der nächsten Lehreinheit ergab sich, dass es den Studenten zum Teil Probleme bereitet, mit wissenschaftlichem Lehrmaterial in englischer Sprache individuell zu arbeiten. Zu beachten ist aber, dass dies ein „snapshot“ aus nur einer Lehrveranstaltung ist, und nicht unbedingt global für die deutsche Universitätslandschaft gelten mag.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie zur technologie-basierten Wettbewerbsfähigkeit der 33 führenden Industrienationen, die an Hand eines Hochtechnologieindikators verglichen wird, zeigt, dass China die USA als Triebfeder der globalen Wirtschaft in Kürze als erste Nation seit dem zweiten Weltkrieg ablösen könnte. In den letzten 15 Jahren (1993-2007) zeigt China als einzige Nation einen kontinuierlichen Aufwärtstrend im Bereich Hochtechnologie. Gemäß dieser Studie liegt Deutschland hinter den USA – noch – auf dem dritten Platz.

Als einer der wesentlichen Faktoren dieser Entwicklung wird die konsequente Förderung des Humankapitals genannt – die Aus- und Weiterbildung der Wissenschaftler und Ingenieure, die letztendlich dieses Wachstum durch Innovation betreiben und fördern. Welche Rolle spielen hier Sprachkenntnisse?

Im Sommer 2007 hatten wir die Gelegenheit, einige Wochen in China am Wuhan National Laboratory for Optoelectronics an der Huazhong University of Science and Technology zu verbringen. Noch vor zehn Jahren wäre es hier äusserst schwierig gewesen, mit Studenten oder Postdoktoranden Kontakt aufzunehmen, zu diskutieren, geschweige denn wissenschaftlich zu argumentieren. Heute gibt es keine Scheu im englischen Sprachgebrauch, der Wortschatz ist erstaunlich, und private wie wissenschaftliche Diskussionen scheitern nicht an mangelndem Verständnis der englischen Sprache.

Heißt das, wissenschaftliche Inhalte sollen nur noch in einer globalen Sprache vermittelt werden? Nein, ganz im Gegenteil – die Aufgabe der Universität ist es, Wissen zu erhalten, neues Wissen zu schaffen, und Wissen weiterzugeben; wir müssen also in unserem globalen Umgang dazulernen, eine zweite wissenschaftliche Muttersprache pflegen, in der Vorlesung, im wissenschaftlichen Diskurs, in der schriftlichen Abfassung unserer Arbeiten.

Immer wieder werden Vorlesungen in englischer Sprache angekündigt, und dann doch auf Deutsch abgehalten – damit tun wir unseren Studenten keinen Gefallen. Vielleicht ist es in einem modernen Lehrplan ebenso wichtig, neben den wissenschaftlichen Grundlagen auch die sprachliche Basis für eine erfolgreiche und wettbewerbsfähige Ausbildung zu schaffen.

Nachdem wir dies im Rahmen der Vorlesung ausführlich diskutiert hatten, gab es zum Abschluss des Semesters eine „Versuchseinheit“ vollständig in englischer Sprache. Probleme: keine.
b.m. c.k.
TwOpinion