Diese Ausströmgeschwindigkeit kann man auch aus dem spezifischen Impuls von oben leicht ausrechnen. Man multipliziert den spezifischen Impuls mit 9,81m/s². Für unsere grobe Rechnung reicht es aber, eine Null anzuhängen. Also erreicht man mit Wasserstoff 4500m/s und mit anderen Treibstoffen ungefähr 3000m/s. Ja, das sind mehrere Kilometer pro Sekunde! Das Zeug ist richtig schnell.

Diese Geschwindigkeit ist das erste, das bestimmt wie schnell eine Rakete werden kann.

Das zweite ist, wieviel Treibstoff die Rakete an Bord hat. Nun besteht eine Rakete fast nur aus Treibstoff. Viel interessanter ist also die Leermasse. Wieviel wiegt die Rakete noch, wenn der Treibstoff verbraucht ist. Die Beschleunigung der Rakete hängt ja vor allem vom Gewicht ab. Gerade am Ende, wenn die Rakete immer leichter wird, ist die Bescheunigung richtig groß. Ein großer Teil der Geschwindigkeit kommt deswegen aus den letzten paar Tonnen Treibstoff – und um so leichter die Rakete ist, um mehr ist das.

Eine moderne Rakete, die einen einfachen Treibstoff benutzt (wie Kerosin und Sauerstoff), kann man sich wie eine große Bierdose vorstellen. Eine 0,5l Dose hat ein Leergewicht von 16 Gramm und ein Gesamtgewicht von 516 Gramm. Die volle Dose wiegt 32,25 mal so viel, wie eine leere Dose. So ähnlich verhält es sich mit einer modernen Raketenstufe. Nur reden wir da nicht von Gramm, sondern von Tonnen. Wobei der Vergleich etwas unfair ist, denn so eine Bierdose hat nur einen Tank und keine Raketentriebwerke! (Raketen mit Wasserstoff und Sauerstoff haben wegen dem riesigen Wasserstofftank ungefähr ein drei mal so großes Leergewicht. )

Und nun alles zusammen

Die Geschwindigkeit, die eine Rakete erreichen kann, ist die Geschwindigkeit der Abgase (v_a) multipliziert mit dem natürlichen Logarithmus (ln) des Gewichtsverhältnisses (G).

Also: v = (v_a)*ln G … auch bekannt als die Ziolkowski-Gleichung.

Für eine Bierdosenrakete mit einem Gewichtsverhältnis von genau 30 wäre der natürliche Logarithmus also ln(30) = 3,4. Weil die Ausströmgeschwindigkeit (v_a) 3000m/s beträgt, erreicht die Bierdosenrakete eine Geschwindigkeit von 3km/s*3,4 = 10,2km/s.  Damit kommt man schon in einen Orbit!

Eigentlich reichen für einen niedrigen Orbit 7,8km/s. Aber wir verlieren auch einiges an Geschwindigkeit durch die Gravitation und den Luftwiderstand, so dass ich für grobe Rechnungen immer mit 9,5km/s rechne. Die Rakete allein schafft es also in einen etwas höheren Orbit.

Aber eigentlich wollten wir noch etwas mitnehmen. Ein Raumschiff oder einen Satelliten. Damit es die Rakete noch in den Orbit schafft, muss sie 3,166 mal so schnell werden, wie die Geschwindigkeit ihrer Abgase. Das dazu passende Gewichtsverhältnis mit dem natürlichen Logarithmus 3,166 ist e^3,166 = 23,73 (“e hoch 3,166 gleich 23,73”).

Unsere Rakete hat 484t Treibstoff. Um auf ein Gewichtsverhältnis von 23,73 zu kommen, muss die volle Rakete mit Nutzlast 23,73 mal so viel wiegen wie die leere Rakete. Deswegen teilen wir die Treibstoffmenge nur durch 22,73 und kommen auf:

484t / 22,73 = 21,29t

Wenn die Rakete mit Nutzlast 21,29t wiegt und 484t Treibstoff an Bord hat, wiegt sie voll 505,29t. Und schon haben wir das gewünschte Gewichtsverhältnis von 23,73.

Jetzt müssen wir uns nur noch in Erinnerung rufen, dass die Rakete ohne Nutzlast 16t wog. Schon wissen wir, dass die Rakete eine Nutzlast von 5,29t gerade so eben in einen niedrigen Orbit bringen kann.

Die Falcon 9 wiegt vollgetankt am Boden ungefähr 500t und hat mit unserer Bierdosenrakete eine entfernte Ähnlichkeit. Diese Rakete kann in den gleichen Orbit 17t befördern und schafft 5t in einen viel höheren Orbit, für den man (mit Verlusten) eine Geschwindigkeit von 12km/s braucht. Unsere Bierdosenrakete könnte diesen Orbit nicht einmal ohne Nutzlast erreichen.

Die Falcon 9 schafft das, weil sie aus zwei Stufen besteht. Und warum genau das so ist, das steht dann in einem der nächsten Blogbeiträge. Fragen und Unklarheiten schreibt ihr bis dahin bitte in die Kommentare!

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Kommentare (9)

  1. #1 MaikMaik
    Münsterland
    7. Mai 2015

    Toll geschrieben! :)

  2. #2 ralph
    8. Mai 2015

    Sehr gut erklärt!
    Was mich als Kind beim Start einer Saturn V immer faszinierte, war vor allem, dass das 110 m Ungetüm nicht kippte. Und es wundert mich immer noch.

    • #3 wasgeht
      8. Mai 2015

      Ganz einfach: Am Boden wird sie festgehalten. Und nach dem Start kippt sie, wenn überhaupt, nur sehr langsam. Die Triebwerke haben genug Zeit gegenzusteuern.

      Allerdings muss ich gestehen, dass ich mich jedes mal das gleiche Frage, wenn ich die Falcon 9 fliegen sehe. Die ist in der aktuellen Variante 68,4m hoch und 3,66m breit (die neueste Variante fliegt beim übernächsten Start und soll sogar noch etwas länger sein). Die Saturn V war immerhin noch 10m breit.

  3. #4 Alex
    8. Mai 2015

    Hallo,
    Nur eine kurze Anmerkung. Ich weiß nicht woher der “genauere” Wert für die Erdbeschleunigung stammt, aber den Wert ohne Fehlergrenzen auf 5 Nachkommastellen zu schreiben ist etwas sinnlos. Der Wert schwankt beträchtig, Allein schon der Unterschied zwischen Pol und Äquator ist ein halbes Prozent (Fliehkraft). Je nach Untergrund Gibt es weitere Unterschiede, und bei einer Rakete die in die Höhe fliegt verringert er sich natürlich Stark…

  4. #6 Alex
    8. Mai 2015

    War auch nicht böse gemeint ( man weiß ja nie wie der Tonfall so rüberkommt). Es ist manchmal nur hilfreich wenn man sich überlegt wie genau ein Wert angegeben werden kann, bzw was für Effekte dann irgendwann eine Rolle spielen. Übrigens interessant was bei Wikipedia über den Verlauf der Erdbeschleunigung steht. Am Erdmittelpunkt ist sie natürlich 0, dann aber erreicht sie nach außen gehend zwei Maxima. Das erste Maximum durch den eisenhaltigen Kern ist ja noch zu erwarten, Mit dem zweiten hätte ich nicht gerechnet… :-)

  5. […] hat. Um so mehr Energie sie haben, um so schneller bewegen sich die Teilchen des Gases. Wie wir im letzten Blogbeitrag gesehen haben, hilft das ungemein. Man braucht weniger Treibstoff um die gleiche Geschwindigkeit zu […]

  6. #8 Turi
    9. Mai 2015

    Tja, in Kerbal Space Programm reicht ein deltaV von 10km/s um zuverlässig den nächsten Planeten zu erreichen, dort in einen Orbit ein zu schwenken, dann noch eben auf dem dortigen Mond zu landen und zu Kerbal zurückzukehren.
    Immer wieder interessant zu sehen wie sich die Zahlen aus Kerbal zu Realität verhalten. Der Spezifische Impuls der Triebwerke zum Beispiel ist vergleichbar.

    • #9 wasgeht
      9. Mai 2015

      Kerbal hat andere physikalische Konstanten. So weit ich weiß gibt es Mods, mit denen man unter realeren Verhältnissen spielen kann.