Der technische Fortschritt mag manchmal so wirken, als kenne er keine Grenzen. Und trotzdem fällt auf, dass er in manchen Bereichen einfach nicht vom Fleck kommt. Raketentreibstoffe sind so ein Fall. Man bastelt noch etwas an Triebwerken herum, man versucht noch leichtere Tanks zu bauen. Wo bleiben die großen Sprünge?
Es muss der enttäuschendste Beginn für so einen Artikel überhaupt sein:
Es ist schon alles entdeckt.
Zumindest wenn es um möglichst hohe Leistung geht. Schon Tsiolkovski schrieb 1903, dass Wasserstoff und Sauerstoff eine der besten Kombinationen sei – kurz nachdem die Verflüssigung von Wasserstoff zum ersten Mal gelang. Wenn wir die Aussage etwas einschränken und sagen, dass es die beste praktikable Kombination ist, dann stimmt diese 112 Jahre alte Einschätzung noch heute.
Wobei praktikabel ein dehnbarer Begriff ist. SpaceX wollte das Raptor Triebwerk ursprünglich für die Kombination Wasserstoff/Sauerstoff entwickeln, nahm davon aber wieder Abstand, weil der Umgang mit Wasserstoff sehr aufwändig und unangenehm ist (Zitat: “A pain in the ass”). Stattdessen soll nun Methan der Brennstoff der Wahl sein. Schmerzbefreitere Raketenbauer setzen hingegen sehr wohl auf Wasserstoff als Treibstoff, aber die hohen Startpreise dieser Raketen scheinen Elon Musk mit seiner Wahl recht zu geben.
In den 50er und 60er Jahren war die Schmerzgrenze in der Technik bekanntlich noch deutlich höher. Und tatsächlich konnte man mit großem Aufwand den Spezifischen Impuls eines Wasserstoff/Sauerstofftriebwerks noch deutlich übertreffen. Der absolute Rekordhalter ist ein Triebwerk das mit Wasserstoff und Lithium als Brennstoff und Fluor als Oxidator betrieben wurde. Allein an dieser Tatsache, kann man einige Probleme sehen:
Das Triebwerk hat drei verschiedene Treibstoffe, braucht drei verschiedene Einspritzdüsen und alle drei Treibstoffe müssen gleichmäßig in der Brennkammer vermischt werden. Außerdem müssen alle drei auch unterschiedlich gelagert werden. Wasserstoff bei (etwa) -250 Grad, Fluor bei -190 und Lithium braucht wenigstens 180 Grad um flüssig zu sein. In einem Geschäft, in dem Zuverlässigkeit ganz oben steht und möglichst geringe Komplexität wo immer möglich angestrebt wird, ist allein das schon ein ernsthaftes Hindernis.
Aber es geht auch ohne das Lithium. Die Mischung aus Wasserstoff und Fluor verbrennt zu Fluorwasserstoff und erreicht dabei einen höheren spezifischen Impuls als Wasserstoff und Sauerstoff. Noch dazu ist der Wasserstoffanteil der Mischung viel kleiner und die Dichte ist größer. Warum also tut man das nicht? Weil Fluor allgemein, und Fluorwasserstoff im besonderen, nicht eben zu den angenehmsten Substanzen gehören, mit denen man es Tonnenweise zu tun haben will.
Im Prinzip könnte Fluor mit jedem Brennstoff an Stelle von Sauerstoff verwendet werden. Aber der Aufwand mit Sauerstoff ist viel kleiner und die Erfahrung so viel größer, dass es sehr leicht fällt der Versuchung der etwas größeren Effizienz zu widerstehen.
Ok, aber woher diese Selbstsicherheit, dass es nicht besseres gibt? Kann es nicht sein, dass ein Chemiker eine Verbindung entdeckt, die noch besser für Raketentreibstoffe geeignet ist und noch höheren spezifischen Impuls produziert?
Woher kommt der spezifische Impuls?
Als Tsiolkovski von Wasserstoff und Sauerstoff als einem guten Treibstoff sprach, war das nicht nur geraten. Der spezifische Impuls ist abhängig von der Geschwindigkeit, mit der sich die Moleküle der Verbrennungsgase bei der hohen Temperatur in der Brennkammer bewegen. Diese Geschwidigkeit setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen.
Das erste ist die Temperatur. Die sagt uns, wieviel Energie jedes Molekül im Durchschnitt zur Verfügung hat. Dazu braucht man nur die Temperatur mit der Boltzmannkonstante zu multiplizieren und man erhält die Energie pro Molekül. Nämlich 1,38*10^-23 J/K. Daran lässt sich nichts mehr ändern, sobald die Temperatur feststeht.
Würden wir jetzt nicht von Molekülen sprechen, sondern von einem Edelgas wie Helium oder Neon, dann könnten wir direkt die Geschwindigkeit der Moleküle in der Brennkammer aus der Formel für die kinetische Energie ausrechnen.
E=0,5m*v²
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