Im Südenwesten von Island, entlang der Linie wo die Kruste des Landes aufgebrochen wird und unaufhörlich auseinander strebt, entstand durch das aufquellende Magma eine Reihe vulkanischer Inseln – die Vestmannaeyjar (Westmänner Inseln). Nur eine von ihnen, Heimaey, ist groß genug um bewohnt zu sein.
Im Norden reicht ein Fjord zwei Kilometer ins Innere der Insel hinein. Umschlossen von Bergen ist es ein perfekter Hafen. Geschützt vor den hohen Wellen des Ozeans, können Schiffe dort den Stürmen des Nordatlantik entgehen. Eine Tatsache die Siedler seit über 1000 Jahren zu schätzen wussten. Auch noch 1973.
Inseln entstehen, Inseln vergehen. Zumindest im Nordatlantik, südwestlich von Island, ist das normal. Vulkanausbrüche hinterlassen Berge die über die Wellen des Ozeans hinaus ragen. Aber die Wellen sorgen schnell dafür, dass lose Asche und Bimsgestein weggespült werden. Nur fester Basalt widersteht der Gewalt der Wellen noch für Jahrtausende. Das Resultat sind Felssäulen, die wie die versteinerten Knochen riesenhafter Ungetüme aus dem Meer ragen. Tatsächlich sind es die Schlote von Vulkanen, deren Kegel längst vom Meer weg gespült wurden.
Heimaey ist weit mehr als so eine Felsnadel. Die Insel besteht aus mehreren Vulkanen die im Laufe der Zeit eine größere Landfläche geschaffen haben, die den Wellen trotzt. Sobald ein Vulkan in dieser Gegend groß genug ist, dass die Lava nicht mehr mit Wasser aus dem Meer in Berührung kommt, entsteht kein lockeres Gestein mehr, sondern Lavaströme die zu festem Basalt erstarren. Heimaey hat diese Grenze überschritten und ist deshalb immer weiter gewachsen, mit jedem neuen Vulkanausbruch.
(Heimaey – Wikipedia)
Schließlich war es wieder so weit. Nach Jahrtausenden der Ruhe sollte die Insel wieder ein Stück wachsen. Im Jahr 1973 tat sich eine Felsspalte auf, aus der Lava floss und spritzte. Wasser und Gase in der Lava verwandeln sie in große Fontänen, sobald sich eine Spalte zur Oberfläche aufgetan hat und der Druck der Gesteinsdecke nicht mehr dafür sorgt, dass sie in Lösung bleiben. Wie in einer Flasche Sprudelwasser, deren Wasser vor dem Öffnen der Flasche wie jedes andere Wasser aussieht, entstehen ohne Druck plötzlich Blasen in mitten der ohnehin aufsteigenden der Lava. Die Blasen steigen auf und schleudern dabei glühende Lavabrocken in die Luft, teilweise hundert Meter und mehr.
Glücklicherweise begann der Ausbruch 1973 in einiger Entfernung vom nächsten Haus und die Bewohner konnten fliehen. Wegen einem Sturm am Vortag waren alle Fischerboote noch im Hafen und die über 4000 Einwohner der Insel konnten schnell evakuiert werden. Die Siedlung auf der Insel wurde bald zur Hälfte von Lava und Asche bedeckt, aber die größte Sorge der Inselbewohner war eine andere.
Der Vulkanausbruch fand am Rand des Eingangs zu dem Fjord statt, das den Hafen der Insel bildet. Die Lavaströme drohten, ihn für alle Zeit zu verschließen. Die Lavaströme dieses Vulkans bestanden nicht aus dünnflüssiger Pahoehoe Lava, sondern aus blockiger A’A Lava. Die fließt sehr viel langsamer, aber sie kommt dennoch vorwärts. Nun nützt es nicht viel, dass die Lava im Meer abgekühlt wird und dabei erstarrt. Denn dann bilden sie selbst ein weiteres Stück festes Land, über das die heiße Lava noch ein Stück weiter ins Meer fließen kann. Das ist ein phaszinierendes Schauspiel, dem die Einwohner von Heimaey nicht zuschauen wollten, denn ohne den Hafen gäbe es auf der Insel keinen Platz für die Fischereiflotte und ohne die keine Lebensgrundlage auf der ansonsten recht kargen Insel.
Wenn man einen Lavastrom aufhalten will, nützt es wenig nur die Spitze des Stroms abzukühlen. Aber genau das hatte man vor. Nun ist “aufhalten” hier etwas zu viel gesagt. Eigentlich will man nur einen Damm aus erstarrter Lava schaffen, der dick und stabil genug ist, den Fluss in eine andere Richtung umzulenken. Damit er dick genug werden kann, muss man nicht nur die vorderste Front abkühlen. Man muss auf den Lavastrom gehen und ihn mit Wasser von oben her abkühlen. Das ist etwas weniger unmöglich, als es sich anhört.
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