Die ersten Kernreaktoren wurden gebaut um Plutonium für Kernwaffen zu erzeugen. Man begann aber erst in den frühen 1950er Jahren die Wärme zur Erzeugung von Strom zu nutzen. Zu dieser Zeit lief ein Programm zur Entwicklung eines U-Boots das mit einem Kernreaktor betrieben werden sollte, dem ersten Druckwasserreaktor. Aber der erste Strom wurde noch davor, im Dezember 1951, in einem ganz anderen Reaktor erzeugt.

Schon kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde eine Anfrage gestellt, nach einigen Kilogramm Plutonium. Das war kein sehr großes Problem. Das Plutonium brauchte nicht waffenfähig sein und die Entscheidungswege waren direkt nach dem Krieg noch sehr kurz. Mit dem Plutonium sollte eine neue Art von Reaktor gebaut werden. Die Kettenreaktion würde ohne einen Moderator wie Graphit oder Wasser zu stande kommen und sie sollte erstmals vollständig durch die verzögerte Freisetzung von Neutronen bei der Kernspaltung gesteuert werden. Da man reines Plutonium zur Verfügung hatte, war die Anreicherung spaltbaren Materials dabei auch kein Problem.

Das Resultat war ein Reaktor namens Clementine, mit einem sehr kompakten Reaktorkern, besonders wenn man es mit den riesigen Reaktoren vergleicht, die mit natürlichem Uran betrieben wurden. (Bildquelle)

clementine-core

(Der gesamte Reaktoraufbau war natürlich viel größer, zusammen mit dem gesamten Kühlsystem und Strahlungsschutz.) Er erzeugte im Betrieb 25kW Wärme und wurde mit Quecksilber gekühlt. Das stellte sich im Betrieb als ein schlechteres Kühlmittel heraus als man gehofft hatte und setzte es nie wieder ein. Clementine war damit der einzige Reaktor in dessen Betrieb regelmäßig radioaktives Gold entstand, beim Einfang von Neutronen durch die Quecksilberatome.

Dieser Reaktor diente nun hauptsächlich dazu die Reaktoreigenschaften kennenzulernen und als Neutronenquelle. Auch wenn sich das Kühlmittel nicht als ideal erwies, konnte man zumindest die Machbarkeit eines solchen Reaktors und die Stabilität der Kettenreaktion nachweisen. Der Reaktor steuerte sich im wesentlichen selbst, wie ich es schon einmal beschrieben habe.

Der Grund weshalb man diesen Reaktor gebaut hat, waren Berechnungen die man schon während des Krieges angestellt hat. Man hatte gemessen, wieviele Neutronen bei der Kernspaltung entstehen, abhängig davon wie viel Energie die Neutronen haben. Dabei fand man heraus, dass Kernspaltung von Plutonium mit schnellen Neutronen mehr Neutronen freisetzte als mit langsamen Neutronen und zusätzlich die Wahrscheinlichkeit der Kernspaltung höher war. Beides zusammen bedeutete, dass man mit Hilfe der entstehenden Neutronen mehr Plutonium erzeugen können würde, als man bei der Kettenreaktion verbraucht.

Zur damaligen Zeit erschien das als ein wichtiges Problem, denn die damals bekannten Uranreserven waren sehr klein und über ihre Verbreitung wenig bekannt. Durch die Erzeugung von Plutonium aus dem gesamten Uran-238 würde man die Reserven auf einen Schlag mehr als verhundertfachen.

Der Bau des Nachfolgers von Clementine wurde 1949 beschlossen. Der  Reaktor bekam die Bezeichnung EBR – Experimental Breeder Reactor. Zur Kühlung des inneren Reaktorkerns diente diesmal nicht Quecksilber, sondern eine flüssige Natrium-Kalium-Legierung, die eine höhere Wärmeleitfähigkeit und eine geringere Viskosität hat.

Die Legierung hat einen Schmelzpunkt bei etwa -11 Grad und der Siedepunkt bei etwa 780 Grad. Bei reinem Natrium sind es knapp 100 und 880 Grad. Anders als Wasser muss das Metall nicht unter Druck stehen, um flüssig zu sein. Druck kommt nur durch Höhenunterschiede zu stande. Ein Leck  in einer Rohrleitung führt nicht dazu, dass der Siedepunkt des Metalls sinkt und es zu kochen anfängt. Weniger Druck heißt auch, dass aus einem Leck viel weniger Kühlmittel fließen wird.

In neueren Reaktoren bildet der Reaktor nicht nur immer den tiefsten Punkt des gesamten Systems, er hat auch keinerlei Öffnungen am unteren Teil des Behälters oder an den Seiten. So kann kein Leck im Kühlsystem den Reaktor ohne Kühlmittel zurück lassen. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden zu dieser Zeit erst entwickelt. Neben den vorhandenen Vorkehrungen bestand die Sicherheit ganz wesentlich aus vorsichtigem Vorgehen, kleinen Reaktoren mit sehr niedriger Leistung und großem Abstand zur nächsten bewohnten Siedlung. Das Idaho National Laboratory war knapp 30km vom nächsten Ort Arco entfernt (etwa 1000 Einwohner) und 60km von Blackfoot (damals etwa 6000 Einwohner). Dazu kam die typische Kaltschnäuzigkeit im Umgang mit allen möglichen Risiken während der Nachkriegszeit.

Auch damals wurde schon der Kühlkreislauf in drei Teile getrennt. Natrium-Kalium im Reaktor, ein Zwischenkreislauf auch mit Natrium-Kalium und ein doppelwandiger Dampferzeuger. Bei diesem Reaktor wurde nur der innere Kern mit flüssigem Metall gekühlt. Außerhalb brachte man einen Neutronenreflektor aus Uran an, der auch als Brutmantel diente. In dem fanden natürlich auch Kernreaktionen statt und es entstand Wärme. Er wurde mit Luft gekühlt. (Solche Brutmäntel gibt es in neueren Brutreaktoren nicht mehr. Es findet alles in den Brennstäben innerhalb des Reaktorbehälters statt, auch wenn es die erreichbare Brutquote senkt.)

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Kommentare (6)

  1. #1 Ludger
    2. Juni 2015

    […] Kühlkreislauf in drei Teile getrennt. Natrium-Kalium im Reaktor, ein Zwischenkreislauf auch mit Natrium-Kalium und ein doppelwandiger Dampferzeuger.

    Wasser und eine Alkalimetalllegierung. Da möchte man im Falle eines Lecks nicht in der Nähe sein:
    2Na+2H2O —> 2 NaOH + H2 Das rumst noch schöner als in Fukushima.

    • #2 wasgeht
      2. Juni 2015

      Hängt alles von den beteiligten Mengen ab und der Frage, ob man sich darauf eingestellt hat oder nicht. In Deutschland gehören Katalysatoren zur Wasserstoffrekombination seit 1993/4 zum Standard, per Gesetz (deswegen der Name Töpferkerze). In Japan seit 2012.

      Edit: Lecks von Natrium hat es übrigens auch schon oft gegeben, aber noch keine katastrophalen Schäden. Was nicht heißt, dass man dort nachlässig sein kann oder unbedingt Natrium benutzen sollte. Es geht auch mit flüssigem Blei.

      Abgesehen davon: Ohne Sauerstoff rumst da gar nichts. Im Kühlkreislauf ist kein Sauerstoff drin und das Wasser kommt erst außerhalb des Containments mit dem Natrium in Berührung. (Beim EBR natürlich nicht. Da gab es kein Containment.) Beim BN-600 sind vor Jahrzehnten einmal 700 Liter Wasser in den Natriumkreislauf gelangt. Ohne Sauerstoff ist das keine Katastrophe. Das konnten die Überdruckventile im Kühlkreislauf erledigen. Es versteht sich wohl von selbst, dass man trotzdem alles tut, dass es dazu nicht kommt.

  2. #3 PDP10
    2. Juni 2015

    Das die damals schon auf eine Flüssigmetall-Kühlung gesetzt haben, fand ich tatsächlich immer ganz schön “hemdsärmelig”. Aber wie du schreibst, scheint das ja gar nicht so abwegig – auch unter Sicherheitsaspekten – zu sein.
    Wusste ich bisher nicht.

    Aber abgesehen davon:

    Der Mini-Reaktorkern oben im Bild sieht tatsächlich ein bischen so aus, wie das Teil, dass Doc Brown in seinen Delorian eingebaut hatte – in “Back to the Future 1” :-)

    Von dem wir dann auch gelernt haben, dass Plutonium eine blaue Flüssigkeit ist … ;-)

  3. #5 Liaht
    3. Juni 2015

    Wenn man bedenkt, wie kompliziert die Entwicklung der Atomenergie war – und sich dann anschaut, dass Richard Feynman das Patent für das Atomkraftwerk für zwei drei Sätze bekam, die er zwischen Tür und Angel so hingeworfen hat.

    Surely You’re Joking, Mr. Feynman!