Eines der beeindruckendsten Bücher, die ich jemals gelesen habe, war John Maynard Keynes “The Economic Consequences of the Peace”. Es ist selten, dass man ein Buch in die Hand bekommt, in dem man so viel über Geschichte, Politik und Wirtschaft lernt. Wobei “in die Hände” der falsche Ausdruck ist, man kann es kostenlos bei Gutenberg.org herunterladen. Darauf gekommen bin ich, weil ich in einem buchladen über eine deutschsprachige Ausgabe unter dem Titel “Krieg und Frieden: Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrags von Versailles” gestoßen bin.
Keynes war 1918 und 1919 teil der britischen Delegation bei den Verhandlungen zum Vertrag von Versaille. Allerdings hatte Keynes bei weitem nicht den Einfluss, den er gerne gehabt hätte. Noch im gleichen Jahr zog er sich nach London zurück und schrieb dieses bemerkenswerte Buch. Es ist weit mehr als nur ein Buch über Wirtschaft, wie man von John Maynard Keynes wohl erwartet hätte. Er schildert das Auftreten der einzelnen Staatsmänner, genauso wie seine Enttäuschung über US-Präsident Wilson.
Es ist in einigen Teilen ein sehr persönliches Buch. Er erklärt natürlich die wirtschaftlichen Zusammenhänge, in deren Umfeld damals der Vertrag von Versaille ausgearbeitet wurde und er tut das sehr klar und mit einfachen Worten. Anders als später in der “Theory of Employment, Interest and Money”. Aber aus jeder Seite kommt heraus, was für ein wichtiges Anliegen ihm dieses Buch ist. Es ist eine Warnung, von der ersten bis zur letzten Seite, vor den Auswirkungen der ökonomischen Katastrophe die der Friedensvertrag in den Jahren nach 1919 verursachen würde. Zu einer Zeit bevor man jemals etwas von einem gewissen Adolf Hitler gehört hat.
Das Buch ist so sehr ein historisches Dokument, wie ein Lehrbuch in den absoluten Grundlagen der Wirtschaft. Wer Reparationszahlungen verlangt, der muss wissen wie er sie benutzen wird. Denn Geld an sich hat keinen Wert, nur einen Tauschwert. Mit Geld allein kann man nichts kaufen, wenn es niemanden gibt, der etwas produziert das man kaufen könnte. Man kann auch nicht Lieferungen von Kohle und Stahl verlangen, ohne dabei die eigene Kohle- und Stahlindustrie zu zerstören.
In der Folge zerstörten die Länder Europas ihre Wirtschaft gegenseitig, waren aber unbelehrbar. Die Inflationsraten in Zentraleuropa waren schon 1919/1920 weit jenseits von Gut und Böse. Es gab bereits teilweise Verhundertfachungen von Preisen, bei weitem nicht nur in Deutschland. Am Ende siegte das Resentiment über die Vernunft und selbst die, die Deutschland bestrafen wollten, bestraften genauso das eigene Land und die eigene Bevölkerung gleich mit.
Es war offensichtlich, dass die wirtschaftliche Katastrophe bis in den letzten Winkel der Gesellschaft seine Auswirkungen haben würde. Zu spät realisierte man, dass man auf keinen Fall an den Verträgen von Versaille festhalten dürfte. Der gesellschaftliche Schaden war zu groß. Eine Generation wuchs auf, die nichts mit dem Krieg zu tun hatte, aber unter den Folgen litt. Eine Generation die ihren Hunger und ihre Armut mit einigem Recht auf die Durchsetzung dieses Vertrages durch fremde Mächte schoben.
Natürlich waren die Umstände in Europa mit den heutigen nur schwer zu vergleichen. Dennoch erinnert so manches an Situationen heute. Natürlich denke ich denke ich dabei zuerst an Griechenland, aber auch an andere Länder in der EU. Nicht zuletzt auch an meine Heimat in Ostdeutschland. Wo die Auswirkungen der desaströsen Nachwendepolitik in diesen Jahren unübersehbar werden. Es werden nicht die letzten Auswirkungen sein, die die vollständige Dominanz westdeutscher und ausländischer Konzerne nach dem Ausverkauf der Treuhand, die Massenemigration und die damit einhergehende Mittellosigkeit und Ohnmacht der Lokalpolitik hinterlassen haben.
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