Strom aus der Wüste, das klang bei Desertec so gut. Hauptsächlich, weil die Probleme verschwiegen wurden. Von der (äußerst wichtigen) Frage der Politik einmal ganz abgesehen. (Der englische Artikel zu Desertec weißt sogar auf Parallelen zum Atlantropa Projekt hin.)

Dabei steht mehr als genug in den öffentlichen Dokumenten. So schreibt man beispielsweise folgendes (Seite 12):

Water availability

The power plant’s site is unique in Spain for its comparatively above-average water availability.
The Sierra Nevada mountain range which surrounds the site is the primary source. The Andasol
power plant’s annual water needs are about equal to the water which would be needed for the
cultivation of crops such as wheat on the power plant’s site. The plant requires about 870,000 m³
of water per year, which is mainly used for cooling the steam circuit, i.e. from the vaporization of
water in the cooling towers. The water needs are primarily met with ground water extracted from
wells on the site.

Desertec begann mit einem Demonstrationskraftwerk in Spanien namens Andasol. Es war der Prototyp für tausende weitere Kraftwerke, die dann in Afrika gebaut werden sollten. Das muss man einfach nur noch einmal plastisch Beschreiben um die Absurdität klar zu machen. Man baut ein Kraftwerk in einer Gegend Spaniens, die ohnehin unter akutem Wassermangel leidet. Für lausige 20MW Durchschnittsleistung im Jahr verbraucht man 870 Millionen Liter Wasser. Das sind 6 Liter pro Kilowattstunde, mehr als fast jedes andere thermische Kraftwerk, wegen der niedrigen Betriebstemperaturen. Schlechte Effizienz bei der Stromerzeugung heißt auch, dass man mehr Wärme abführen muss um die Turbine noch betreiben zu können.

(Warum ich hier unmotiviert Liter benutze? Weil man das umgekehrt beim Fracking und allem anderen auch so tut, sobald Aktivisten dagegen sind. Der Unterschied ist: Ich schreibe diese Anmerkung dazu, weil mir sonst schlecht wird.)

Solarthermische Kraftwerke kann man leider nicht direkt am Meer errichten und Seewasser zum kühlen benutzen. Die Wärme muss von den Kollektoren auf kürzestmöglichem Weg zum Speicher und von dort zu den Turbinen gebracht werden, sonst geht die Wärme schlicht verloren.

Natürlich kann man das Kühlwasser auch durch Entsalzung gewinnen. Aber dann fragt man sich sofort, wo waren die Entsalzungsanlagen in den Plänen von Desertec? Und kann man wirklich glauben, dass Desertec diese Investitionen getätigt hätte, wo sie schon in ihren Demonstrationskraftwerken von Andasol bis heute lieber das knappe Grundwasser Andalusiens anzapfen? Es ist jedenfalls eines der vielen Probleme, die nie öffentlich angesprochen wurden. Eines von vielen Problemen, die das Scheitern unvermeidlich gemacht haben.

Eines muss klar sein. Die Entsalzung ist absolut möglich. Je nach Standort des Kraftwerks würde man etwa 4 kWh für 1000 Liter entsalztes Wasser und das Pumpen von der Anlage zum Kraftwerk verbrauchen. Die Entsalzung würde also etwa 2-3% der Kraftwerksleistung beanspruchen und am Ende etwa 1ct/kWh kosten. Bei angestrebten Kosten von 4-5 ct/kWh im Endausbau hätte das mal eben 20-25% der Kosten ausgemacht.

Nun ist Desertec Geschichte. Was bleibt sind aber drei Kraftwerke (Andasol 1,2,3) in der Wüste, die dem Boden so viel Grundwasser wie 6-10 Golfplätze entziehen und mit 60MW auf ihren 600 Hektar Fläche nicht viel Strom erzeugen. (Wobei die Golfplätze inzwischen mit Abwasser aus Kläranlagen bewässert werden und nicht mit dem Trinkwasser aus dem Boden, das für die Kühltürme nötig ist.)

Ich weiß. Schon wieder ein Artikel über erneuerbare Energie, der nur Kritik übt. Aber das ist das natürliche Resultat, wenn Kritik in bestimmten Bereichen wie erneuerbaren Energien grundsätzlich nicht diskutiert oder kleingeredet wird.

Kommentare (16)

  1. #1 SirBoss
    16. Juni 2015

    Wo für wird das Wasser verbraucht? Ich meine wird das denn nicht in einen geschlossenen Kreislauf verwendet!

    • #2 wasgeht
      16. Juni 2015

      Es ist eine geschlossener Kreislauf von der Wärmequelle (dem Salz) bis zum Kondensator/Kühlturm. Damit das Wasser im Kondensator wieder flüssig werden kann, muss es abgekühlt werden. Und für die Abkühlung wird im Kühlturm Wasser verdampft – und das ist dann weg.

  2. #3 gunterkrause
    16. Juni 2015

    Verschwiegene Probleme? Das klingt fast wie vorsätzlich! Oder doch nur verkannt, verharmlost? Desertec ist gescheitert, auch wenn Teile davon mit Sicherheit wieder auferstehen werden. So gesehen ist der Artikel so etwas wie ein Nachruf ;-). Gut, da stehen halt noch diese ökologischen Ruinen …

    Ansonsten ist die Geschichte analog zu Coca-Cola-Fabriken in Indien, die bei der Wasserversorgung gegenüber einheimischen Bauern privilegiert wurden. Ein Kette ist halt immer so schwach, wie sein schwächstes Glied, wer immer schlussendlich diese Kette begutachtet und zu verantworten hat.
    Der Part mit Atlantropa, das ist eben auch nur so ein Vergleich, wie mit den indischen Bauern, nur thematisch etwas naheliegender. Auswirkungen, gerade zu solchen Großprojekten müssen halt immer bis zu Ende durchdacht sein und bilanziert werden. Ob nun sibirische Flüsse (teils) nach Süden umzuleiten, und selbst jedes Staudammprojekt liefert eben nicht nur Energie …

    • #4 wasgeht
      16. Juni 2015

      Verkannt oder verharmlost hätte gehiesen, dass man darüber berichtet hat. Das hat man aber nicht. Also bleibt als einzige Beschreibung “verschwiegen”.

  3. #5 SirBoss
    16. Juni 2015

    @#2 Es gibt auch Kühltürme mit geschlossenen Kreislauf (Trockenkühltürme) oder Hybridkühltürme mit reduzierten Wasserverbrauch. Warum wurde gerade diese Variante gewählt (in einer Wüste)?!

    • #6 wasgeht
      16. Juni 2015

      Weil die Effizienz von dem Temperaturunterschied zwischen der Wärmequelle und der Wärmesenke abhängt. Nun ist hier schon die Wärmequelle nicht sonderlich heiß (unter 400 Grad) und so muss man alles aus der Wärmesenke heraus holen was geht. In der Wüste ist das besonders Tagsüber wegen der hohen Außentemperaturen problematisch, ohne den Einsatz von einem offenen Kreislauf.

      Sonst geht leicht größenordnungsmäßig ein Viertel des Stroms verloren und das bei noch höheren Investitionskosten. Das hätte dann selbst bei den Spanischen Subventionen für Solarkraftwerke das Kalkül gesprengt.

  4. #7 Wolfgang Stutz
    Mülheim an der Ruhr
    16. Juni 2015

    Das Problem betrifft auch die herkömmliche Stromerzeugung in Gegenden, in denen Frischwasser traditionell ein Luxusgut ist oder zu werden droht (Kalifornien). Die an die bekannte US-Behörde DARPA angelehnte, aber auf fortschrittliche Energietechnologien fokussierte ARPA-E hat kürzlich ein Programm namens ARID (Advanced Research In Dry Cooling) aufgelegt. Ziel ist es, bessere (effizientere und kostengünstige) “Dry Cooling” -Methoden zu entwickeln als die, die derzeit zur Verfügung stehen.

    Die ARPA-E wäre übrigens durchaus einen eigenen Artikel wert…

  5. […] Strom aus der Wüste, das klang bei Desertec so gut. Hauptsächlich, weil die Probleme verschwiegen wurden. Von der (äußerst wichtigen) Frage der Politik einmal ganz abgesehen. (Der englische Artikel zu Desertec weißt sogar auf Parallelen zum Atlantropa Projekt hin.) Dabei steht mehr als genug in den öffentlichen Dokumenten. So schreibt man beispielsweise folgendes (Seite 12):…  […]

  6. #9 DasKleineTeilchen
    16. Juni 2015

    “Ich weiß. Schon wieder ein Artikel über erneuerbare Energie, der nur Kritik übt.””

    völlig ok. deine kritik ist nachvollziehbar und mit grundlage. und ausserdem übst du ja nicht nur kritik, sonder bietest sogar lösungsansätze (entsalzung mit kosten/nutzen-rechnung zb).

    gerade die EE-artikel von dir lese ich gerne (ich wiederhole mich), weil sie meine liebgewonnene, propagandistische EE-denke auf ein halbwegs rationales maß zurechtstutzt.

  7. #10 Toby
    17. Juni 2015

    Das sind schon sehr interessante Informationen über Desertec. Ich denke aber nicht, das dadurch die Idee an sich hinfällig ist, nur verbesserungswürdig.

    Was mich aber ein wenig irritiert, ist, wie der Artikel hier geschrieben ist, im Vergleich z.B. zu dem Artikel “Der erste Siedewasserreaktor und seine geplante Zerstörung”.
    Hier lese ich nur Kritik und etwas Abscheu, im anderen eher Begeisterung.
    Ähm, hier wird Wasser verdampft (damit ist es übrigens nicht “weg”), da wurde absichtlich ein GAU herbeigeführt…

    Seit Fukushima ist jedenfalls meine Begeisterung bzgl. Atomkraft sehr stark gedämpft. Da sind Projekte wie Desertec, bei aller notwendigen Kritik, sinnvoll und sollten weiter verbessert/optimiert werden. Strom aus der Wüste klingt für mich verlockender als Atomkraft, die im Katastrophenfall nicht mehr kontrollierbar ist!

    • #11 wasgeht
      17. Juni 2015

      Ich schreibe meistens nicht das, was ohnehin überall zu lesen ist. Wenn man nur die Presseberichterstattung verfolgt hat, dann konnte man dort keine Grund lesen, weshalb Desertec gescheitert ist. Man konnte keinerlei Probleme sehen, bis es plötzlich in einem Meer positiver Meldungen über die Technik trotzdem gescheitert ist. Du siehst das völlig recht, ich habe eine Abscheu entwickelt. Eine Abscheu gegen Berichterstattung, die die Realität verzerrt und ganze Teile der Realität ausblendet.

      Bei den Kernkraftwerken ist es das gleiche. Auch dort wird ein Teil der Realität ausgeblendet. Nämlich alles was über die Sicherheit der Kernkraftwerke in Fukushima vor dem Unfall bekannt war. Die war nämlich auf dem Niveau der 1960er Jahre und nach den Anforderungen der 60er Jahre, haben die Containments exakt das getan was sie sollten.

      Der Unterschied ist nur, dass man in den 60er Jahren die Sicherheit eines Kernkraftwerks danach beurteilte, ob im schlimmsten Fall Menschen sterben oder nicht. Es sind keine gestorben, sie haben getan was sie sollten. Spätestens seit Ende der 80er Jahre hat sich in Westeuropa die Anforderung durchgesetzt, dass außerdem auch die Contamination mit radioaktiven Stoffen im schlimmsten Fall begrenzt sein soll.

      Das können die alten Containments nicht ohne Veränderungen (insbes. Einbau von Filteranlagen, wie in Deutschland 1988 und Wasserstoffrekombinatoren, 1993/4). In Japan wurden keine Veränderungen vorgenommen, bis 2012 Wasserstoffrekombinatoren und 2013 Filteranlagen vorgeschrieben wurden.

      Es ist nicht unkontrollierbar, man wollte es in Japan nur nicht kontrollieren, obwohl es bekannt war.

  8. #12 DasKleineTeilchen
    17. Juni 2015

    @frank:

    “Es ist nicht unkontrollierbar, man wollte es in Japan nur nicht kontrollieren, obwohl es bekannt war.”

    najaaaaaa, kommt wohl auf die definition an, was an einem meltdown noch unter “kontrollierbar” zu verstehen ist (oder was genau meinst du?). und offiziell ist (noch) niemand gestorben (was hoffentlich so bleibt), aber für spätfolgen der arbeiter und anwohner mags noch etwas früh für diese einschätzung sein.

    • #13 wasgeht
      17. Juni 2015

      Es war bekannt, dass das Containment bei etwa 5 bar durch Überdruck undicht werden würde. Das war die Vorgabe bei der Konstruktion. Es war auch bekannt, dass dieser Druck bei dieser Bauart eines Containments bei einer Kernschmelze in kurzer Zeit überschritten werden würde.

      In diesem (für dieses Containment!) unvermeidlichen Moment würden Wasserdampf, Wasserstoff, Stickstoff und radioaktive Gase und Aerosole aus dem Containment austreten.

      In einem normalen Druckbehälter würde man einfach ein Überdruckventil einbauen, das in dem Moment den Druck reduziert. Das kann man genauso einfach und zuverlässig auch bei einem Containment machen. Man muss dann aber dafür sorgen, dass alles was aus dem Überdruckventil kommt gefiltert wird und man dafür sorgt, dass der Wasserstoff kontrolliert wird.

      In Deutschland hat man solche Ventile und Filter nach (zu!) langer Debatte 1988 eingebaut. Die Anforderung ist, dass 99,99% der Aerosole ausgefiltert werden müssen. Das kann getestet und demonstriert werden, die Aerosole bestehen aus Caesium und das hat immer die gleichen Eigenschaften, egal ob radioaktiv oder nicht.

      In Japan kam man zwei Jahre nach dem Unfall von Fukushima Daiichi zu der Einsicht, dass man solche Filter braucht. Sie hätten praktisch alles, inklusive der Kontaminierung der Umgebung und der Wasserstoffexplosionen, verhindert.

  9. #14 gunterkrause
    17. Juni 2015

    Zusammen mit der sicher vorhandenen, doch unberücksichtigt gebliebenen Erkenntnis, dass Japan durchaus ein reichlich brodelnder Vulkan und Tsunami-gefährdet ist, hätten vordergründig Japans KKWs dementsprechende Sicherheitsvorrichtungen gebraucht. War nicht, und die Quittung kam. Da fährt ja selbst der Shinkansen bei Erdbeben schneller runter ;-). Und knallt’s, sind die Aufräumarbeiten immer wieder immens!

    Wasser ist also nicht nur da eine sehr wichtige Komponente.

    Ob es am Missouri durch etwa noch mehr Dammbrüche, durch den Zufall, dass der Reaktor wegen relativ neuen Hochwassererkenntnissen (über 40 Jahre nach der Grundsteinlegung!) auch schlimmer hätte kommen können? Da kenne ich das Wassermanagement nicht so, auch nicht, ob das Maximalstpotenzial an Niederschlägen 2011 von der Natur schon ausgeschöpft wurde ;-).

    Umgekehrt kann ebenso einmal irgendwo eine extreme Dürre verdammt schlecht für eine notwendige Mindest-Kühlung sein, egal wie hoch und wie zügig einsetzend, deren Wahrscheinlichkeit auch immer sein mag.

    Kontrollierbar, trifft das denn wirklich auf alle ‘größten anzunehmenden Unwägbarkeiten’ zu??

    • #15 wasgeht
      17. Juni 2015

      Also vordergründig hätten erst einmal Japans Städte Sicherheitsvorkehrungen gebraucht.

      Eigentlich ist der Punkt wegen der 18.150 Toten so wichtig, dass ich auf den Rest des Kommentars verzichten sollte.

  10. #16 DasKleineTeilchen
    18. Juni 2015

    @gunter:

    naja, ist halt der klassiker; leben ist risiko und sicherheit gibts nur im tod. klingt wie kalenderspruch, stimmt aber.

    *totale* kontrolle als ideal ist nunmal illusion und immer weitere anäherung ans ideal als prozess ist das was bleibt.