Wie ich schon einmal geschrieben habe, gibt es auf der Suche nach besseren Raketentreibstoffen gewisse masochistische Tendenzen. Die kommen hauptsächlich daher, dass Tsiolkowski schon 1903 die besten und vernünftigsten Treibstoffkombinationen genannt hat. Aber das ist natürlich nicht befriedigend für die Phantasie des Menschen und so werden bis heute immer wieder einige unvernünftige Kombinationen ins Spiel gebracht.

Einer der schönsten Vorschläge (aus großer Entfernung und vorzugweise rein theoretisch betrachtet) hört auf den Namen Chlortrifluorid. Auch hier geht es wieder nicht um den Brennstoff, sondern um einen besseren Oxidator. Nun kann man aus der chemischen Reaktion zwischen Oxidator und Brennstoff im Grunde nicht mehr Energie gewinnen, als die Reaktion zwischen den Atomen halt bringt. Die Reaktion zwischen einem freien Fluoratom und einem freien Wasserstoffatom bringt eine bestimmte Menge Energie und mehr nicht.

Allerdings braucht man auch eine gewisse Menge Energie um überhaupt an ein freies Fluoratom zu kommen. So ein Molekül wird von großen Kräften zusammen gehalten. Aus einem gewissen Blickwinkel betrachtet, ist es verschwendete Energie, diese Kräfte überwinden zu müssen. Der einzige Weg mehr Energie zu bekommen, ist die Kräfte, die die Moleküle zusammen halten, kleiner zu machen. Dann bekommt man auch mehr Energie aus der Reaktion.

Diese Idee hat aber einen winzigen Haken. Denn diese Kräfte verhindern auch, dass die Moleküle bei jeder kleinsten Provokation auseinanderfallen und ihre Atome mit allem möglichen reagieren. Wie zum Beispiel “…such things as cloth, wood, and test engineers, not to mention asbestos, sand, and water-with which it reacts explosively.” (John Clark “Ignition!”) (“Dinge wie Stoff, Holz und Ingenieuren … nicht zu vergessen Asbest, Sand und Wasser – mit dem es explosiv reagiert.”)

Das war die Beschreibung von Chlortriflourid. Von allen absurden Möglichkeiten, bessere Raketentreibstoffe entwickeln zu wollen, zeichnet dieses Zeug eine ganz spezielle Besonderheit aus. Jemand hat es irgendwie geschafft erst sich selbst(!) und dann eine ganze Reihe anderer Menschen davon zu überzeugen, EINE TONNE von dem Stoff herzustellen um ihn tatsächlich als Raketentreibstoff zu benutzen. Nur zur Beruhigung: Gemeint sind amerikanische “short tons”, die nur 2000 lbs und somit 907kg wiegen.

Der Behälter wurde mit Trockeneis gekühlt, damit möglichst wenig von dem Chlortrifluorid verdampft. Nicht weil es teuer war (das auch), sondern weil man die Anwesenheit in der Nähe dieses Stoffs gerne längere Zeit unbeschadet überstehen wollte. Denn weder die Flusssäure, noch die Salzsäure, die aus seiner Reaktion mit Wasser in den Schleimhäuten von Mund, Nase und Augen entsteht sind, sonderlich angenehm. Leider hatte man bei all dem nicht beachtet, dass der Stahlbehälter bei den tiefen Temperaturen äußerst spröde wird. (Der Behälter war beschichtet mit einem Stoff, der zwar auch mit Chlortrifluorid reagiert, aber dabei eine dichte Schicht bildet und somit nicht weiter zerstört wird.)

Irgendwann, beim Bewegen des tiefgekühlten Behälters mit reichlich 900kg Chlortrifluorid, zersprang der Behälter in der Mitte. Darunter befanden sich 30cm Beton. Nun gilt Beton gemeinhin als recht langweilig und wenig feuergefährlich. Und so lange er nur mit Sauerstoff in Verbindung kommt, stimmt das auch. Aber Chlortrifluorid reagiert nicht nur mit Ingenieuren, sondern auch mit Beton. Der Beton verbrannte. Genauso wie (zumindest teilweise) ein Meter Schotter unter dem Beton. (Quelle dazu im letzten Link.)

Bessere Raketentreibstoffe? Natürlich geht das. Aber bitte weit weg von mir.

Kommentare (8)

  1. #1 Turi
    17. Juni 2015

    Ob es schon jemanden gab, der versucht hat F2O2 als Oxidationsmittel in Raketen zu nutzen? Vermutlich nicht, von der Explosion hätte man gehört.
    Aber auch schon die Idee ClF3 mit Hydrazin zu mischen lässt mich schaudern (Mit Hydrazin ist ja auch nicht zu spaßen).

  2. #2 DasKleineTeilchen
    17. Juni 2015

    kleiner fehlerhinweis: 3ter absatz, 5te zeile;

    “zusammen, halten”

    gruss

  3. #3 DasKleineTeilchen
    17. Juni 2015

    jeeeeeezuz; after reading your links, this stuff seems really, REALLY nasty (und ich dachte, hydrazin wär fies, hallo turi).

    flusssäure auffa zunge, hmmm, lecker.

  4. #4 DasKleineTeilchen
    17. Juni 2015

    ach? das zeug wird zur herstellung von uranhexafluorid verwendet?!? menno, warum muss dieser scheiss nur immer so GIFTIG sein?

  5. #6 Eisentor
    17. Juni 2015

    @Turi Nach dem ich What if: Pressure Cooker gelesen habe war meine erste Intention auch O2F2 vorzuschlagen.

    Große Mengen Raketentreibstoff sind aber vermutlich immer ungesund. :D

  6. #7 CG909
    18. Juni 2015

    (Der Behälter war beschichtet mit einem Stoff, der zwar auch mit Chlortrifluorid reagiert, aber dabei eine dichte Schicht bildet und somit nicht weiter zerstört wird.)

    Sicher, dass da eine Beschichtung im Spiel war? Nach dem etwas längeren Zitat aus Ignition! bei In the Pipeline ist es wohl das Metall des Behälters selbst, das mit Chlortriflourid eine “Oxidschicht” aus Metallfluoriden bildet.

    • #8 wasgeht
      18. Juni 2015

      Nein. Ich war mir da nicht sicher. :)