Nein, es steht nicht gut um die europäische Raumfahrt. Das mag nicht so wirken. Noch fliegt die Ariane 5 jedes Jahr fünf oder sechs mal. Noch wird vor und nach jedem Flug gejubelt. Noch immer wird ein großer Teil der Nachrichtensatelliten von der Ariane 5 gestartet. Aber jedes Jahr bekommt die ESA 100mio Euro um dieses Verlustgeschäft zu subventionieren und zu verhindern, dass billigere Wettbewerber sie vom Markt drängen.
Im letzten Jahr flog die Falcon 9 Rakete sechs mal, genauso oft wie die Ariane 5. Am Sonntag soll die Falcon 9 ihren sechsten Flug für dieses Jahr haben und den ersten Flug der Falcon Heavy hat man auch für dieses Jahr angesetzt. Seit dem geht der ESA die Düse. (Und ja, Wortspiele sind nur gut, wenn sie richtig weh tun!)
Das ist das erste mal für die ESA, dass sie in der Klemme steckt, aber nicht das erste mal in der europäischen Raumfahrt. Es ist dabei wichtig die Geschichte der Ariane Rakete zu kennen. Das fängt schon mit dem Namen an. Warum heißt eine europäische Rakete Ariane und nicht Europa? Antwort: Weil es eine Europa-Rakete in den 60er Jahren gab und man über dieses peinliche Kapitel nicht mehr reden will.
Die Europa Rakete stammte von der European Launcher Development Organisation (ELDO), zu der auch Australien gehörte, weil dort die britische Raketentestanlage in Woomera stand. Die Entwicklung jeder Stufe wurde an ein anderes Land abgegeben. England die erste Stufe, Frankreich die zweite, Deutschland die dritte, die Nutzlast kam aus Italien, die Telemetrie der Rakete aus den Niederlanden und Belgien lieferte die Bodensysteme.
Das lief natürlich hervorragend. Alle Länder hatten ihren Kostenrahmen fest im Griff. Die Ingenieure der verschiedenen Länder kommunizierten auch alle perfekt miteinander, denn zur Fünfsprachigkeit wurde damals schon jedes Kind erzogen. Die drei unterschiedlichen Technologien jeder Stufe machten keinerlei Probleme. Kein einziges der durch den kalten Krieg zusammengeschwürfelten Länder versuchte die Situation zum eigenen Vorteil auszunutzen. Natürlich waren auch sämtliche Regierungen enthusiastisch dabei, jedes Jahr den Etat für die Raumfahrt zu erhöhen und Großbritannien stand da wie ein Fels in der Brandung und hielt das ganze europäische Projekt zusammen.
Es sei so viel gesagt: Fünf von Fünf Flügen scheiterten.
Während sich die Engländer tatsächlich aus dem Projekt zurück zogen und sich auch bis heute kaum an der ESA beteiligen, sollte man sie lobend erwähnen. Die erste Stufe – wie immer basierend auf einer ballistischen Rakete “Blue Streak“, die Atombomben auf Russland schießen sollte – funktionierte tadellos. Aus England kam auch die Idee für das Projekt, die freilich nicht ganz uneigennützig war. Denn die Blue Streak war ein gescheitertes Projekt, das man so dennoch verwerten wollte, denn es gab bereits bessere ballistische Raketen aus Amerika.
Es gab lfl in Europa keine Rakete, die auch nur im Ansatz in der Lage war einen eigenen Satelliten wirtschaftlich in den Orbit zu bringen. Die Engländer entwickelten die Black Arrow, die zwei erfolgreiche Flüge und zwei Fehlschläge zu verbuchen hatte. Aber sie war teurer als die leistungsfähigere Amerikanische Scout Rakete und wurde von ihr abgelöst. Als in den frühen 70er Jahren europäische Länder versuchten eigene kommerzielle Satelliten mit Raketen in den USA zu starten, scheiterte das (weder zufällig noch ungewollt) an der US-Bürokratie.
Alles in allem war die ELDO und die Europa Rakete also ein voller Erfolg. Das ist ernst gemeint. Sie legte den Grundstein für eine Jahrzehnte dauernde Dominanz Europas beim Start kommerzieller Satelliten. Denn allen Beteiligten in (West-)Europa war die Sache sichtlich peinlich, als ihnen der Ernst der Lage klar wurde. Europa war in der Raumfahrt vollkommen abhängig von den USA, sie waren nicht nur keineswegs Freund und Partner der westeuropäischen Unternehmen – von eigenen Spionage Satelliten und ähnlichem konnte man bestenfalls träumen.
Kommentare (11)