Es gibt eine hervorragende “Sendung mit der Maus” über die Herstellung von Raketentriebwerken für die Ariane 5. Die zeigt die Herstellung wirklich sehr gut. Aber es ist einer der Fälle bei denen man gedanklich zwei Schritte zurück treten sollte und darüber nachdenken, was man dort sieht. Ich würde empfehlen vor dem Weiterlesen in das Video hinein zu schauen. (Ab 2:50)
Mit einem Blick auf die Überschrift ist auch schon klar, worauf man achten sollte. Die Sache ist reichlich komplex. 566 kleine Einspritzelemente werden in einem Reinstraum von Hand und ständiger Beachtung des korrekten Drehmoments. Dann werden mit einem Roboter in 566 Hülsen für die 566 Einspritzelemente jeweils 144 Löcher gebohrt, woraufhin die 566 Hülsen wieder im Reinstraum von Hand auf die 566 Einspritzelemente unter peinlicher Beachtung der dabei aufgewendeten Kräfte geschraubt werden. Jeder einzelne Schritt ist mit Qualitätssicherungsverfahren verbunden, denn im Betrieb sollte sich keine der 566 Einspritzelemente lösen. Der Bau des Triebwerks für die Oberstufe der Ariane 5 funktioniert ganz ähnlich.
Nun werden solche Triebwerke nur alle zwei Monate hergestellt, öfter fliegt die Ariane 5 nicht. Man also mehr als genug Zeit für solche Handarbeiten. Die Handarbeit bedingt sich hier fast selbst. Wenn man etwas so selten herstellt, lohnt sich der Einsatz von Maschinen nur dort wo sie wegen ihrer Präzission unabdingbar sind. Und selbst da treiben sie wegen der geringen Auslastung die Kosten in die Höhe. Also wird man wo immer möglich Techniker bemühen um die Einzelteile zusammen zu setzen und versuchen durch Qualitätsmanagement die Fehlerquote trotz menschlicher Fehler möglichst niedrig zu halten.
Es ist einer der Gründe, weshalb Raketen so teuer sind. Die Triebwerke sind immer der komplexeste und teuerste Teil einer Raketenstufe. Die Herstellung der Tanks ist vergleichsweise anspruchslos. Wenn man nun aber teure Raketentriebwerke benutzt, dann ist die Versuchung verständlicherweise sehr groß, noch mehr Aufwand zu betreiben und aus den Tanks noch das Kilo Gewicht heraus zu holen. In der Kosten-Nutzen-Rechnung sieht das auch absolut sinnvoll aus. Die prozentuale Steigerung der Kosten ist kleiner als die prozentuale Steigerung der Leistung, also tut man es.
Und schon hat man nicht nur teure Triebwerke, sondern auch teure Tanks. Man verwendet nur einen Tank, der durch eine Trennwand im inneren Getrennt wird, aber spezielle Isolation und Herstellungsverfahren braucht. Dafür spart man im Vergleich zur einfachen Verwendung von zwei Tanks etwas Gewicht ein, hat aber die Herstellung noch aufwendiger und teurer gemacht. Wodurch wegen des hohen Preises noch weniger Raketen fliegen.
Wenn man billigere Raketen haben will, dann muss man diese Logik durchbrechen. Die Triebwerke sind da der erste Ansatzpunkt. Nun hat man es in einer solchen Branche schwerer als man zunächst glauben sollte, wenn man billige Triebwerke verkaufen will. Das ist nicht einmal unbedingt des politischen Einflusses und teilweise echter Korruption geschuldet, die es aber durchaus gibt. Es ist sehr vernünftig so zu handeln.
Eine Rakete muss zuverlässig sein, die Nutzlasten sind teuer, die Reputation ist unglaublich viel wert. Wer neu im Geschäft ist (oder zumindest noch keine großen Raketentriebwerke verkauft hat), ist nicht völlig vertrauenswürdig. Wer billige Raketentriebwerke verkauft, ist automatisch im Verdacht, dass er weniger zuverlässig ist. Wer aber neu ist und teure Triebwerke verkauft, der hat keine Argumente in der Hand, weshalb man sie kaufen sollte. Da braucht es keine exzessive Korruption um einen Markt auf Jahrzehnte hinweg stabil zu halten. Es ist wie früher in der Computerbranche, als noch nie jemand den Job verloren hat, weil er IBM gekauft hat.
Anfang der 2000er Jahre fand sich ein Ingenieur namens Tom Mueller bei der Firma TRW in dieser Zwickmühle wieder. Sie hatten tatsächlich sehr gute, zuverlässige und billige Triebwerke entwickelt. Aber durch die Brille des verantwortlichen Managements gesehen lasen sich deren Broschüren eher wie die Verkaufsmasche eines windigen Gebrauchtwagenhändlers.
Letzte Kommentare