Dass heißes Wetter gelegentlich Gewitter mit sich bringen, das kennt man ja. Aber die Wetterlage gestern hat etwas mit sich gebracht, das mich doch einigermaßen beeindruckt hat. Es fing an um 21:30 in Rheinlandpfalz. Bis 21:25 war auf dem Regenradar nichts zu sehen. Fünf Minuten später sah man die ersten Spuren. Nur eine halbe Stunde später ging es aber schon heftig zur Sache. Mit Gewitter, Hagel und allem drum und dran.

Fragt sich, wie geht sowas?

Damit so ein Unwetter so schnell entstehen kann, braucht es eine spezielle Wetterlage. Eine Wetterlage die stabil genug ist, um nicht schon bei der leisesten Provokation sofort ein Unwetter zu produzieren, aber trotzdem instabil genug, dass es überhaupt dazu kommen kann. Diese Wetterlage bekommt man durch einen “Deckel”auf einer gut angeheizten, feuchten Luftschicht. An Tagen wie gestern bekommt man zumindest schon einmal heiße Luft am Boden, die auch recht leicht feucht wird.

Würde diese heiße und feuchte Luft nun nach oben aufsteigen, würde sie unweigerlich mit der kalten Luft in großer Höhe zusammen kommen. Dann würde die Feuchtigkeit auskondensieren und es bilden sich Wolken, die nach oben aufsteigen. Denn beim Kondensieren des Wassers wird Energie frei, die die Luft weiter anheizt – oder zumindest verhindert die Energie, dass die Luft in der Wolke nicht auf die Temperatur der Luft in der Umgebung abkühlt. Solang aber die Luft wärmer als die Luft in der Umgebung ist, hat sie eine geringere Dichte und steigt auf. Dabei entstehen dann die klassischen Gewitterwolken, die sich hoch auftürmen und manchmal noch eine Ambossform annehmen.

Aber genau das ist gestern lange Zeit nicht passiert. Daran war der Deckel schuld. Diese Deckel besteht nun paradoxer Weise aus wärmerer, trockener Luft. Heiße Luft wird also von einem Deckel aus noch heißerer Luft eingeschlossen. Das klingt erst einmal verwegen, aber “heiß” ist hier ein relativer Term. Die Temperatur der Luft nimmt nach oben hin ohnehin ab, mit ungefähr 6 Grad pro Kilometer. Der Deckel ist dann einfach nur 1-2 Grad wärmer, als die Luft darunter.

Dieser kleine Unterschied reicht aber schon aus, damit die Sache zunächst stabil ist. Der Himmel ist klar und das Wetter ist heiß. Gleichzeitig kann die Luft nicht durch den Deckel hinweg aufsteigen. Die Luft die dorthin aufsteigt ist kälter als der Deckel und sinkt sofort wieder ab. Und die Luft im Deckel ist noch dazu trocken. Das ist wichtig, denn Feuchtigkeit ist immer ein verstecktes Energiereservoir. Wenn Feuchtigkeit kondensiert, erwärmt sie die Luft. Aber in einer trockenen Luftschicht kann das nicht passieren. Deswegen ist der Deckel ein Deckel.

Dabei ist die Lage gar nicht so stabil, wie sie in der Darstellung anmutet. Denn würde die warme, feuchte Luft unter dem Deckel mit der kalten Luft über dem Deckel zusammen kommen, würde das Wasser der feuchten Luft sofort kondensieren und riesige Mengen warmer, feuchter Luft nach oben drängen.

Und genau das ist gestern irgendwann gegen 21:00 in der Eifel passiert. Aus irgendeinem Grund hat die feuchte Luft den Deckel nach oben hin durchschlagen. Eine sehr plausible Möglichkeit ist, dass der Westwind die feuchte Luft gegen die Berge der Eifel drängte und die Luft nach oben hin ausweichen musste. Die zusätzliche Aufwärtsbewegung muss wohl gerade ausgereicht haben, um die feuchte Luft durch den trockenen Deckel hindurch zu bewegen. Sie kam mit kälterer Luft darüber in Berührung, stieg durch das Kondensieren des Wassers immer weiter auf und zog noch eine ganze Menge unten zurückgebliebener Luft mit sich. So lange, bis sich ein Unwetter mit großen Hagelkörnern bildete, deren Bilder morgen zweifellos durchs Netz geistern werden.

Wer sich etwas genauer über diese Phänomene informieren will, dem Empfehle ich einfach einmal, nach dem Stichwort “convective inhibition” zu suchen (die https://en.wikipedia.org/wiki/Convective_inhibition) und sich so lange an den damit verbundenen meteorologischen Konzepten entlang zu hangeln, bis man sich ein Bild von der Sache machen kann. Auch ganz gute Ansatzpunkte sind meteorolische Ausdrücke wie “Loaded Gun” oder “cap“.

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Kommentare (4)

  1. #1 Daniel
    3. Juli 2015

    Vielleicht hilft das hier bei der Erklärung, warum der Deckel durchbrochen wurde: auf der einen Seite Wind aus Nordwest, auf der anderen Seite aus Südost. https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/deutschland/rheinland-pfalz/windrichtung/20150702-1900z.html

  2. #2 FGHJ
    3. Juli 2015

    Grundsätzlich ist die Wikipedia keine gute Anlaufstelle für meteorologische Prozesse. Die Sachverhalte dort sind oft sehr vereinfacht, wenn nicht sogar falsch dargestellt. Allein schon die im von Dir verlinkten Temperaturgradienten

    “In der Meteorologie beschränkt man sich auf den Temperaturgradienten der Troposphäre und betrachtet meist auch nur dessen vertikale Komponente, …”

    ist vollkommener Schwachsinn. Tropopause und mindestens untere Stratosphäre sind wichtige Bestandteile der Wettervorhersage, und die horizontale Komponente des Temperaturgradienten ist je nach betrachtetem Prozess viel viel wichtiger als der Vertikale.

    Zum Artikel:
    Auch hier sind viele Behauptungen nicht korrekt. Ohne auf jedem Detail rumhacken zu wollen:

    “Würde diese heiße und feuchte Luft nun nach oben aufsteigen, würde sie unweigerlich mit der kalten Luft in großer Höhe zusammen kommen. Dann würde die Feuchtigkeit auskondensieren und es bilden sich Wolken, die nach oben aufsteigen. Denn beim Kondensieren des Wassers wird Energie frei, die die Luft weiter anheizt – oder zumindest verhindert die Energie, dass die Luft in der Wolke nicht auf die Temperatur der Luft in der Umgebung abkühlt.”

    Die zuerst noch ungesättigte (nicht-Wolke) und zum aufsteigen gezwungene Luft kühlt aufgrund adiabatischer Expansion ab (genau das Gegenteil in der Luftpumpe). Die Temperaturabnahme entspricht dabei fast genau 1°C/100m (TROCKENadiabatisch). Kalte Luft kann jedoch weniger Feuchtigkeit aufnehmen als warme Luft, welche fortan auskondensiert. Die dabei freigesetzte latente Enthalpie des Wasserdampfes sorgt nun dafür, dass die aufsteigende Luft nicht mehr mit 1°C/100m abkühlt, sondern nur noch mit etwa 0.7°C/100m (FEUCHTadiabatisch).

    All dies passiert mit der aufsteigenden Luft, vollständig unabhängig von der Umgebungsluft! Wichtig ist nur, dass die Luft zum Aufstieg gezwungen wird! Dies kann viele Ursachen haben; du hast bereits die Orographie angesprochen, Daniel bodennahe Konvergenzen. Weitere sogenannte “Auslöser” für Gewitter wären synoptische Antriebe (Tröge), Fronten oder das Erreichen der “Auslösetemperatur”. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu sehr im Detail darauf eingehen (vielleicht ein gutes Thema für Florian Freistetters Blog-Wettbewerb…).

    Die Umgebungsluft spielt erst genau dann eine Rolle, wenn die Luft nicht mehr gezwungen, sondern freiwillig aufsteigen soll. Hierbei entscheidet jedoch ausschließlich der Unterschied der Temperatur in der aufsteigenden Luft von der Umgebungsluft. Solange die Wolke kälter ist als die Umgebung, muss diese zum weiteren Aufstieg gezwungen werden, ist diese wärmer, steigt sie freiwillig auf – die Gewitterwolke schießt empor.

    Das von dir angesprochene CIN entspricht einer spezifischen Energie. Sobald diese Energie aufgebracht wurde (durch einen der Auslöser), ergibt sich sofort die Konvektion. Ein Radiosondenaufstieg kann sehr viele Informationen liefern, und sollte in so einem Artikel nicht fehlen.

    Gruß

    • #3 wasgeht
      3. Juli 2015

      Ja, die adiabatische Expansion hätte ich erklären müssen. Ich denke aber, der Unterschied zwischen erzwungenen und “freiwilligen” Aufstieg der Luftmassen kommt im gesamten Artikel besser heraus als in dem Abschnitt den du zitierst.

      Was den Rest angeht: Es ist immer eine Frage von Idee, Aufwand und Umfang.

      Die Idee für den Artikel ist spontan entstanden und es wäre vielleicht besser gewesen, länger darüber nachzudenken und ihn erst später zu schreiben – gerade weil ich kein Meteorologe bin. Aber das ist die Sache mit der Spontanität.

  3. #4 demolog
    4. Juli 2015

    Diese erzwungenen Aufstiege geschehen auch an den Rändern von Dunstglocken großer Städte. Und nördlich der Alpen (als geologische Barriere) scheinen sich solche Ereignisse erwartbarer zu ereignen, wenn es einen Westwind gibt. Gewitter wandern hier häufig grob ostwärts. So zumindest meine “gefühlte” Messreihe hier in Berlin. Dauerregen hingegen scheint eher aus dem Osten unterstützt zu werden.