Letzten September kamen zwei neue Raumsonden am Mars an. Die NASA Sonde MAVEN zum Studium der Atmosphäre des Mars und die ISRO Sonde Mangalyaan, auch bekannt als Mars Orbiter Mission. Das Kürzel ISRO ist noch nicht sehr bekannt, es ist die indische Weltraumforschungsorganisation. Und Mangalyaan ist bisher ihr größter Coup. (Ein Illustriertes Buch der ISRO, mit einer Überdosis Comic Sans, kann man hier herunterladen.)

Es ist das erste mal, dass es ein Land im ersten Versuch geschafft hat, eine Raumsonde erfolgreich zum Mars zu schicken. Wenn man sich die Geschichte der amerikanischen, russischen und europäischen Sonden anschaut, ist das durchaus bemerkenswert. Genauso bemerkenswert sind die Kosten der Mission, die mit umgerechnet etwa $70-75mio (je nach Quelle) für die gesamte Mission sehr niedrig ausfielen. Das sind allerdings immernoch über $10mio mehr als für die Vorgängermission Chandrayaan-1 zum Mond.

Es war also kein Ausrutscher und es fragt sich: Wie haben die das gemacht? Antwort: Auf die langweiligst mögliche Art. Sie haben genommen was sie hatten, hinzugefügt was sie brauchten und es dann dabei belassen.

Was sie hatten war eine kleine zuverlässige Rakete, die PSLV (Polar Satellite Launch Vehicle), die in ihrer billigsten Variante nur etwa $15mio kostet. In der hier verwendeten Variante (PSLV-XL) aber wohl einiges mehr. Sie wurde zwar für den Start kleinerer Satelliten in polare Orbits gebaut, kann aber auch 1,4 Tonnen in den Geostationären Orbit bringen. Und das tut sie regelmäßig, allein schon beim Aufbau des regionalen indischen Navigationssystems, von dem ich schon geschrieben habe.

Damit ist auch schon der zweite Teil der Lösung bekannt. Denn was ist ein Satellit im Geostationären Orbit anderes, als eine Raumsonde die über Jahre im Weltall bleibt? Die Mission mag nicht sehr aufregend sein, weil sie sich nie mehr als 36000km von Erde entfernt, aber so ein Satellit ist ansonsten den gleichen harschen Bedingungen ausgesetzt wie eine Raumsonde.

Die ISRO hatte jahrelange Erfahrung im Bau von Satelliten, bevor sie sich an den Bau der ersten (Mond-)Raumsonde Chandrayaan machte. Und die Raumsonde war dann auch nichts anderes als ein umfunktionierter Satellit. Die Unterschiede bestehen im wesentlichen aus den größeren Entfernungen, der damit abnehmenden Signalstärke, und der sich ständig ändernden Lage der Raumsonde im Verhältnis zur Erde.

Bei einer Mondmission spielt insbesondere die Signalstärke noch eine etwas kleinere Rolle, schließlich ist die Entfernung nur etwa 10 mal so groß wie zum Geostationären Orbit. Zum Mars ist es dann die 1000 bis 10.000 fache Entfernung. Über die Probleme die das aufwirft, habe ich auch schonmal geschrieben. Allerdings sind Nachrichtensatelliten ohnehin dafür gebaut, ein möglichst starkes Signal mit möglichst vielen Daten zur Erde zu schicken. Genau das gleiche braucht man auch beim Mars, nur dass die Datenrate entsprechend viel kleiner ausfallen wird. Aber das ändert nichts an der grundlegenden Konstruktion des Raumfahrzeugs.

Und so benutzte man in Indien auch für die Marsmissionen einen umfunktionierten Nachrichtensatelliten.

Was sich dagegen schon ändern muss, ist die Infrastruktur auf dem Boden. Man braucht passende, große Antennen zum Empfang der Signale von der Sonde. Die zusätzliche Infrastruktur dürfte auch den wesentlichen Unterschied bei den Kosten für die Missionen zum Mond und zum Mars ausgemacht haben.

Aber wie kommt der Satellit zum Mars? Der Aufwand um etwas zum Mars zu schicken ist tatsächlich nicht viel größer als der Aufwand einen Satelliten in den hohen, geostationären Orbit zu bringen.

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Um einen Satelliten vom geostationären Transferorbit (GTO) in den geostationären Orbit (GEO) zu bekommen, muss der Satellit sich selbst um 1,6km/s beschleunigen. Die meisten Satelliten tun das genau auf diesem Weg. Dafür müssen sie eigene Triebwerke und viel Treibstoff an Bord haben.

Der Flug zum Mars ist da nicht anders. Man braucht vom GTO aus noch 0,7km/s um auf Fluchtgeschwindigkeit von der Erde weg zu kommen (Earth C3 = 0) und 0,6km/s um auf eine Flugbahn Richtung Mars (Mars Transfer) zu kommen. Beim Mars angekommen muss man dann noch um 0,9km/s abbremsen, damit man nicht am Mars vorbei fliegt, sondern in sein Gravitationsfeld hinein fällt und in einen (sehr hohen) Orbit kommt. Danach muss man noch etwas Geschwindigkeit abbauen, um einen niedrigeren Orbit zu kommen.

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Kommentare (4)

  1. #1 rolak
    6. Juli 2015

    Bekämpfung der Armut und Unterernährung

    ..oder des KastenSystems – doch das wäre wohl endgültig zu viel verlangt.

    Schön knapper Überblick!

  2. #2 fherb
    6. Juli 2015

    Was mir bei der Grafik durch den Kopf ging: Auf der Erde benötigen wir Energie immer nur zum Beschleunigen. Das Abbremsen erreichen wir durch einen Reibungsvorgang in den wir nur geringe Steuerungsenergie stecken müssen (das Anziehen der Bremsen). Im Weltraum ist die Beschleunigung ja tatsächlich 2-wertig: Am Zielsystem benötigen wir die volle Energiemenge zum abbremsen. Nicht nur zum Ausfahren von Bremsen, wie auch immer die aussehen mögen. Swing-by-Effekt mal ausgenommen.

    Allerdings kann man es auch nicht pauschalisieren: Wenn ich den Mars “seitlich von hinten” anfliege, benötige ich wenig Bremsenergie. Komme ich ihm seitlich entgegen, sieht die Sache anders aus. Allerdings nur aus Sicht “von außen”. Betrachte ich die Relativgeschwindigkeit zum Mars, ist die Richtung erst mal egal. Wichtig ist also die gesamte Frage nach der Flugbahn.

    Insofern wäre ein Grundsatz-Artikel über den Anflug auf Mond, Mars usw. auch sehr interessant! Sprich: Weg und damit günstiger Startzeitpunkt. (Ich vermute, die Grafik zeigt die günstigsten Bedingungen. Bei denen nicht zeitlich willkürlich gestartet wird.)

    Beste Grüße
    Frank

    • #3 wasgeht
      6. Juli 2015

      Beim Mars kann man auch, ähnlich wie bei der Erde, mit Hilfe der Atmosphäre bremsen. Ist aber schwieriger, weil der Luftdruck der dünnen Atmosphäre relativ stark schwankt und man muss die Sonde von Anfang an dafür auslegen. Ein umfunktionierter Satellit ist das nicht.

      Die Startzeitpunkte sind im Prinzip ganz leicht: Ungefähr alle 26 Monate kommen sich Erde und Mars nahe, dann ist Saison. Wenn jemand eine Sonde los schicken will, dann in der Saison oder gar nicht (bzw. 2 Jahre später).

      Ob ich einen Grundsatzartikel dazu schreibe, weiß ich nicht. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt. Aber würde in jedem Fall relativ oberflächlich sein, weil ich schlicht kein Himmelsmechaniker bin.

      Im Zweifelsfall bist du damit bei Florian Freistetter besser aufgehoben.

  3. #4 fherb
    6. Juli 2015

    Oh! Danke für die schnelle Antwort! :-) War inzwischen beim “Nachlesen” Deines hochprozentigen Eisdestillationsartikels.

    Lässt man mal wenige Lesetage aus, muss man sehen wie man hinter Deinen Artikeln her kommt. ;-)

    Aber die Frage der Himmelsmechanik und Energie für Raumflüge steht immer wieder. Wie Du ja selbst beschrieben hast, ist es hoch interessant nachzuempfinden, welche Leistung (also wissenschaftliche Zielleistung) man mit welchem Aufwand erreicht. Insofern ist das von Dir verwendete Bild recht interessant. Und auch die Botschaft des Artikels. Denn obwohl ich die gesellschaftliche Situation in Indien auch kritisch sehe, stehen dahinter Leistungen von zahlreichen Einzelpersonen, die man nicht für die Armut im Land verantwortlich machen kann. Die haben wohl tatsächlich mustergültig und fern ab eines westlich definierten Horizontes, der nur NASA und ESA kennt und , ach ja, die Russen mit ihren (fantastisch stabilen) “Uraltentwicklungen” und… bestenfalls noch argwöhnig zu den Chiensen blickend, … einiges erreichen können. — Sicher spielt die nukleare Rüstung und militärische Spionage da eine entscheidende (grund-finanzierende) Rolle. Aber erst recht bei den Staaten, die schon sehr viel länger Weltraumforschung betreiben.

    -> Das erinnert mich gleich noch an einen Artikel von Dir, in dem Du auf chinesichem Gebiet kriegerische Auseinandersetzungen beschrieben hast, die zeitlich vor dem ersten Weltkrieg noch höhere Opferzahelen gebracht haben, als später der erste Weltkrieg. Bei diesem Artikel ist es mir richtig bewußt geworden, dass wir mit unserer westlichen geprägten Bildung (ich: Bildung aus der DDR) ziemlich wenig Informationen über die andere Seite der Weltkugel kennenlernen konnten. -> Es scheint eine Menge Allgemeinbildung zu fehlen, die wir eigentlich im Kopf haben sollten, wenn wir international denken wollen.