Auch wenn über das indische Raumfahrtprogramm bei uns kaum gesprochen wird, ist es doch sehr aktiv. Letzten Dezember gab es den ersten Testflug für die Entwicklung der neuesten und größten indischen Rakete, die GSLV Mk III. Mit ihren beiden großen 200-Tonnen Feststoffboostern erinnert sie etwas an eine Ariane 5, deren Booster etwa 240 Tonnen Treibstoff haben. Aber dort enden auch schon fast die Gemeinsamkeiten. Und das ist auch gut so. Denn die Inder machen mit dieser Rakete vieles besser und vernünftiger, als es wir Europäer mit der Ariane 5 taten.
Die mittlere Stufe wird nicht von Wasserstoff und Sauerstoff angetrieben, sondern mit UDMH (ein Hydrazinderivat) und Stickstofftetroxid. Das ist der Treibstoff für ihre beiden Vikas Triebwerke. Die Vikas gehen auf eine Kooperation indischer und französischer Ingenieure bei der Entwicklung der Viking Triebwerke zurück. Die Vikings waren die zuverlässigen Haupttriebwerke der alten Ariane 4 Rakete und die Vikas stehen ihnen in nichts nach. Das heißt natürlich nicht viel. Mit einem spezifischen Impuls von knapp unter 300s ist die mittlere Stufe kaum effizienter als die Feststoffbooster.
Triebwerke auf dem technischen Stand der 70er Jahre sind natürlich nicht das was man sich für eine Rakete wünschen würde. Aber es spart Entwicklungskosten und bringt am Anfang mehr Zuverlässigkeit. Das allein ist viel wert. Jedes vertraute Stück alter Technik erleichtert die Entwicklung einer Rakete. Wenn man später eine bessere Alternative hat, kann man die immernoch verwenden. Und tatsächlich entwickelt man in Indien mit dem SCE-200 ein auf Kerosin und Sauerstoff basierendes Triebwerk, das einen spezifischen Impuls von 335s erreichen und die beiden Vikas später ersetzen soll.
Die Kombination aus Feststoffboostern und der zentralen Stufe war beim ersten erfolgreichen Testflug schon vorhanden. Aber das Triebwerk für die dritte Stufe befindet sich noch in Entwicklung. Sie wurde für den Testflug durch einen mit Wasser gefüllten Platzhalter ersetzt. Sie konnte und sollte nicht den Orbit erreichen.
Die Entwicklung der oberen Stufe hat sich verzögert, nachdem das kleinere CE-7.5 Triebwerk beim ersten Testflug 2010 versagte. Man musste zuerst die Ursache klären, bevor es mit der Entwicklung des größeren CE-20 für die GSLV Mk III weiter gehen konnte. Inzwischen ist das kleinere Triebwerk erfolgreich geflogen und der erste Flug der Mk III wird für Ende 2016 erwartet.
Im Vergleich zur ESC-A Oberstufe der Ariane 5 ist die Oberstufe der GSLV Mk III ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Mit einem Vollgewicht von 29 Tonnen und einem Leergewicht von 4 Tonnen. Die ESC-A hingegen hat ein Vollgewicht von 19 Tonnen und ein Leergewicht von 4,5 Tonnen.
Nun soll man nicht denken, dass die Inder damit den Mund zu voll genommen haben. Es ist nicht die indische Oberstufe die so unglaublich gut sein wird, es ist nur die improvisierte europäische Oberstufe die so unglaublich schlecht ist. (Wer Details zu den Gründen hat: Immer her damit.) Die Oberstufe der Ariane 4 wog voll 12 Tonnen und leer nur 1,5 Tonnen. Die Centaur Oberstufen der Atlas und Delta Raketen wiegen voll 21 Tonnen und leer weniger als 2,5 Tonnen.
Die GSLV MkIII wird keine neuen Maßstäbe setzten, aber das soll sie auch nicht. Mit ihren 640 Tonnen Startgewicht wird sie 4,5-5 Tonnen Nutzlast zum GTO bringen. Mit dem SCE-200 sollen es später einmal 6 Tonnen werden. Das ist fast schon vergleichbar mit den ersten Ariane 5 Raketen, die nur 7 Tonnen Nutzlast hatten. Dafür brauchten die aber ein Startgewicht von 780 Tonnen.
Der Preis der GSLV MK III wird jedenfalls weit unter den etwa 170mio Euro der Ariane 5 liegen. Die Teststart ohne die Oberstufe soll umgerechnet $24mio gekostet haben. Die Entwicklungskosten von $400mio betragen auch nicht einmal ein Zehntel der 4 Milliarden Euro, die für die Entwicklung der Ariane 6 angesetzt werden.
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