Nachdem ich nun schon einige male über Geothermie geschrieben habe, heute nun ein etwas konkretere Artikel. Wieviel kann Geothermie leisten? Das ist natürlich kein Thema für einen Artikel, sondern eher eins für eine Doktorarbeit. Glücklicherweise wurde mindestens eine dazu geschrieben.

Darin wurden drei unterschiedliche Ressourcen betrachtet. Die erste sind heiße Aquifere. Also poröse Grundwasserschichten mit heißem Wasser. Die sind heute die beliebteste Quelle von Geothermie, weil man dort alles hat was man braucht – vor allem eine permeable Gesteinsschicht. Sie sind aber auch die mit Abstand unbedeutendste Ressource. In der Arbeit wird optimistisch geschätzt, dass man damit etwa 300GW Jahre Strom erzeugen kann, wenn man und das gesamte Gestein auf 100 Grad Celsius abkühlt und den Strombedarf durch die Pumpen ignoriert. Die Pumpen braucht man um das Wasser in  die Erde hinein und hinaus pumpen zu können.

Die Nutzung der Geothermie kommt in dem Fall fast schon einem bergmännischen Abbau von Wärme gleich. Es geht nicht darum die Wärme die aus dem Erdinneren kommt zu nutzen. Es geht darum die Wärme die im Gestein ist zu nutzen. Würde man wirklich nachhaltig arbeiten und nur so viel Wärme nutzen wie nachkommt, dann könnte man weniger als ein halbes Kilowatt Wärme pro Hektar Fläche erzeugen. Davon kann man etwa ein Zehntel in Strom umwandeln, also 50W pro Hektar. (Etwa die Hälfte der Wärme wird in jedem Fall ungenutzt in Richtung Erdoberfläche weitergeleitet, wenn man das Gestein nicht komplett bis auf die Oberflächentemperatur abkühlt. Ich gehe hier also von einem für Geothermie sehr hohen Wirkungsgrad von 20% aus.)

Wenn man die ganze Fläche Deutschlands von 34 Millionen Hektar benutzt blieben bestenfalls 1,7GW Strom übrig. Wahrscheinlich deutlich weniger. Es geht hier nur darum, wieviel Wärme heute im Gestein ist und heraus geholt werden könnte.

Schwieriger zugänglich als Grundwasserschichten sind Störungszonen. Dort gibt es Klüfte im Boden, die teilweise über Kilometer in die Tiefe reichen. Diese Klüfte kann man nutzen um Wasser in den Boden zu pumpen, durch das heiße Gestein fließen zu lassen und weiter unten aufzufangen und wieder nach oben zu pumpen. Wie gut das funktioniert ist vom Einzelfall abhängig. Wenn es überall funktioniert ergibt sich ein theoretisches Potential von etwa 1500 GW Jahren in der Stromerzeugung. Man kann natürlich auch Klüfte erzeugen, wo keine sind, durch Methoden die man anderswo Fracking nennen würde. Durch dieses “Hot Dry Rock” Verfahren könnte man theoretisch 30.000GW Jahre Strom erzeugen.

Es fragt sich natürlich ob das realistisch oder wünschenswert ist. Man setzt hier in der Rechnung als Zeithorizont für die Nutzung der Geothermie den geologisch unbedeutenden Zeitraum von nur 1000 Jahren an und errechnet damit ein Potential für eine dauerhafte Stromerzeugung in der Größenordnung von etwas über 30GW. (Der Bedarf in Deutschland liegt derzeit bei 70GW.)

In dieser Zeit würde Gestein großräumig bis in 7km Tiefe auf 100 Grad abgekühlt werden. Es fehlt jede Einschätzung, welche tektonischen Konsequenzen das hätte. Denn derartig abkühlendes Gestein würde mit Sicherheit schrumpfen. Dazu kommen unvermeidlich große Mengen Wasser, die in das Gestein hinein gepumpt würden und in den Klüften schlicht verschwindet. Man kann es nicht wieder hinaus pumpen. Trotz der heroischen Annahmen ist das Potential am Ende nicht sehr groß. 1000 Jahre sind keine sehr lange Zeit, wenn man behaupten will, dass die Nutzung der Geothermie “nachhaltig” oder “quasi-erneuerbar” ist.

Immerhin behauptet man hier, dass die Zeit nach den 1000 Jahren uns nicht interessieren braucht. Auch wenn wir in der Zwischenzeit alles Gestein bis in 7km Tiefe auf ungekannte Werte abkühlen. Der Ausgangszustand würde danach über zehntausende, womöglich hunderttausende Jahre nicht wieder hergestellt sein. Und nicht etwa an einem Ort, sondern in ganz Deutschland. Das alles für lumpige 30.000 GW Jahre Strom.

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Kommentare (8)

  1. #1 dgbrt
    16. Juli 2015

    Lieber Frank,
    du nimmst immer gerne sehr pauschale absolute Zahlen. Das veranschaulicht vieles sehr schön, ist aber natürlich völlig unrealistisch.

    Bei den Energieträgern gibt es einen Mix. Das ist gut so, wenn einer ausfällt können die Anderen einspringen. Nicht sofort, aber das geht schon.

    Geothermie in Deutschland ist dabei aber tatsächlich irrelevant. Solange jedenfalls, bis man in der Lage ist in 15km perfekte Wärmetauscher zu installieren, die alleine mit dem Auftrieb des heißen Wassers ohne Pumpen funktionieren. Geht bei einer größren Heizungsanlage ja auch.

  2. #2 wereatheist
    16. Juli 2015

    Energie != Elektroenergie (vulgo: Strom).
    Ein erheblicher Anteil der Nachfrage ist Heizung/Warmwasser.
    Das geht mit Geothermie sehr gut, zumindest in der Norddeutschen Tiefebene. Nachhaltig wird das, wenn die warmen Schichten nur als Zwischenspeicher für im Sommer geerntete Sonnenwärme dienen. Nicht mit super-duper-Vakuum-Kollektoren, die noch bei trübem Wetter im Spätherbst Wasser auf über 60°C bringen, sondern mit einfacheren, auf ‘bang for the buck’ entwickelten Teilen.
    Rechnet sich das? Derzeit wohl nicht, da die Fossilien einfach zu billig sind.
    Aber wenn mal eine knackige CO2-Steuer eingeführt wird…

  3. #3 Franzl
    17. Juli 2015

    … ich bin wieder mal erschüttert, welche Prosa auf einem “SCIENCE”-Blog geschrieben wird…

    Hier geht es etwas wissenschaftlicher zu….
    https://www.tab-beim-bundestag.de/de/untersuchungen/u084.html

    Die Einschränkung, dass Stromerzeugung nur dort Sinn macht, wo die komplette Wärme in bestehenden Fernwärmenetzen genutzt werden kann, ist mittlerweile überholt, aber die Welt hat sich seit 2003 ja auch etwas verändert…

    • #4 wasgeht
      17. Juli 2015

      Ich habe die Quelle, die ich hier zusammengefasst habe, verlinkt. Und sie kommt praktisch zum gleichen Fazit wie mein Text und der Text den sie verlinken.

      Dort steht, dass das Potential vergleichbar ist mit der gesamten deutschen Stromversorgung für 600 Jahre. Ich schrieb, dass es für etwa die halbe deutsche Stromversorgung für 1000 Jahre ausreicht.

      Ich versuche in meinen Texten möglichst verständlich – ja, Prosa – zu schreiben. Wer das nicht haben will, sondern die Quellen lesen will, der kann die Links anklicken, die in den Texten stehen. Genau dafür sind sie da.

  4. #5 ulfi
    17. Juli 2015

    @#2

    “Nachhaltig wird das, wenn die warmen Schichten nur als Zwischenspeicher für im Sommer geerntete Sonnenwärme dienen.”

    Wie soll denn die Sonnenwaerme in diese warmen Schichten kommen? Die dringt doch nur ein paar Meter tief(hoechstens) und nicht mehrere hundert oder 1000.

  5. #6 wereatheist
    17. Juli 2015

    @ulfi, #5:

    Wie soll denn die Sonnenwaerme in diese warmen Schichten kommen?

    Und wie soll die Erdwärme aus diesen warmen Schichten heraus kommen? Fragen über Fragen ;)

  6. #7 ulfi
    17. Juli 2015

    @6 offensichtlich ueber das wasser, weil man ausnutzen kann, dass man dichtes, heisses gestein hat. umgekehrt wird dir das aber nicht gelingen, du brauchst ne Menge energie um fels auch nur *leicht* aufzuwaermen. Und wenn du nur lokal aufwaermst, dann wird die Waerme auch abgeleitet an Orte, wo du keinen Zugriff mehr drauf hast.

    Nicht zu vergessen, dass du erstmal die Sonnenenergie auffangen musst um das Wasser im Sommer aufwaermen zu koennen.. Ich befuerchte, nach abzug aller Wirkungsgraverluste, wuerde da sogar Biogas im Vergleich besser abschneiden.

  7. #8 wereatheist
    18. Juli 2015

    @#7: Ich will Fels nicht aufwärmen, ich will verhindern, dass sich das Wärmereservoir (warmer Fels) leert. Ich will im Sommer soviel Wärme dem Fels zuführen, wie im Winter entnommen wird. Dabei erwärmt bzw. kühlt man höchstens um Zehntel Grade. Und ja, man braucht dafür nicht nur ein Paar Tiefbohrungen und ein Nahwärmenetz, sogar ein bidirektionales, teureres, man braucht auch Warmwasser-Solarkollektoren. Aber nicht mehr als die Dachfläche der angeschlossenen Häuser. Das kostet natürlich alles. Bisher wird Geothermienutzung als ‘Raubbau’ geplant. Ist dann billiger.