Nach meinem Artikel über die Darstellung von Elektroautos im Fernsehen, wurde mir eine drei-teilige Arte Dokumentation über China empfohlen. “China, die neue Supermacht”
Die Dokumentation fängt auch mit einigen wichtigen Aussagen an. China war ein armes Land mit vielen hungernden Menschen. Ernst in den letzten Jahrzehnten ist China zu einem Land geworden, in dem niemand mehr in diesem Ausmaß hungert. Man sieht es im Vergleich mit Indien. Um 1980 herum hatten China und Indien noch etwa das gleiche Bruttoinlandsprodukt pro-Kopf, seit dem haben sich beide auseinander entwickelt. Mir ist sehr bewusst, dass das BIP nicht als alleinstehender Indikator für Wohlstand gelten kann. Aber die absolute Armut der beiden Länder zu dieser Zeit ist kaum zu leugnen, genauso wenig wie der große Unterschied heute.
In den nächsten drei Stunden muss man darum kämpfen, sich diese Entwicklung immer wieder vor Augen zu halten. Die Dokumentation tut das mit Sicherheit nicht.
Es geht weiter mit der absolut wichtigen Bemerkung, dass man sich mit der langen Geschichte Chinas auseinandersetzen muss um das heutige China zu verstehen. Die Doku fing an mit einem Ausschnitt aus der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Beijing. Dort wurde die gesamte, jahrtausende alte Geschichte Chinas im Schnelldurchlauf gezeigt. Was bleibt davon in der Dokumentation übrig? Nichts.
Das ist nur ganz leicht übertrieben. Der einzige chinesische Kaiser der erwähnt wird, ist der letzte Kaiser, der beim Sturz der Regierung ein 6-jähriges Kind war. Nur eine einzige historische Figur der Chinesischen Geschichte vor dem 20. Jahrhundert wird erwähnt: Konfuzius. Der lebte zur Zeit der alten Griechen, er starb als Sokrates noch ein Kind war. Über die nächsten 2000 Jahre Geschichte (bis ins 16. Jahrhundert) verliert man in den nächsten knapp 3 Stunden kaum ein Wort. Alle aussagen lassen sich in einem Satz zusammenfassen:
Die Chinesen seinen den Europäern überlegen gewesen, waren dann ungefähr im 15. Jahrhundert gleichauf und fielen dann zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts (über die 400 Jahre dazwischen schweigt man sich aus), ist der Rückstand schließlich katastrophal.
Die einzige Erklärung die man dafür anführt sieht so aus:
Den Chinesen fehlt eine religiöse Prägung. (Womit man mal eben den Daoismus und den Buddhismus ausblendet, von diversen muslimischen und christlichen Einflüssen während der Tang Dynastie und auch später gar nicht zu sprechen.) In Europa hätte man sich Gott zugewendet, während die Chinesen nur an ihre Nachkommen denken. Das führt man auf den Konfuzianismus zurück.
Der Konfuzianismus kommt sowieso nur ins Spiel um die Rückständigkeit der Chinesen zu erklären. Während bei den religösen Europäer an das Leben im Jenseits im Zentrum des Lebens stünden, wären es beim Konfuzianismus der Chinesen die Bedürftnisse des Menschen zu Lebzeiten. Was übrigens allein schon der Aussage wiederspricht, dass man sich hauptsächlich um die Nachkommen kümmert. Denn daraus folgt, dass jede Generation der jeweils folgenden Generation sagt, sie solle selbst Verzicht für die jeweils folgende Generation üben.
Mit diesen ohnehin falschen und missverstandenen kulturellen Unterschieden versucht man nun, den Unterschied in der Entwicklung von Europa und China zu begründen. Die Entwicklung der Wissenschaft wäre von Galileo ausgegangen. Er hätte die Wissenschaft gebracht, weil er in der mathematischen Beschreibung der Welt das Wort Gottes sah (das gilt übrigens auch für Isaac Newton). Die Chinesen, ohne eine religiöse Prägung, konnten darauf nicht kommen und haben sie auch nicht übernommen, weil sie ohne Gott darin keinen Wert sahen.
Das ist jetzt nicht einfach nur falsch. Selbst wenn man sich anstrengt fällt es schwer, sich eine einfältigere, eurozentrischere, chauvinistischere und dümmere Perspektive auf China ausdenken. Ich kann gar nicht in Worte fassen was für einen unglaublichen Bullshit man dort vom Stapel gelassen und als einzige Erklärung hat stehen lassen. Ja, man sagt, es wäre nur eine von mehreren möglichen Erklärungen. Aber warum verliert man darüber kein Wort? Ach ja, was für einen “Experten” hat man für diesen chauvinistischen Bullshit vor die Kamera gezerrt? Einen chinesischen Professor für Psychoanalyse.
Kommentare (20)