Von den 100 Jahren unglaublicher Brutalität in China vor der kommunistischen Partei bekommt man in all dem praktisch nichts mit. Von den 300 Jahren in denen die Chinesen sich nicht selbst regieren durften (auch die Qing waren Fremdherrscher!), fällt kein Wort. Dabei bildet das alles den Hintergrund für das was danach kam.
Vor diesem Hintergrund wird die Brutalität des kommunistischen Regimes nicht besser, aber eben auch nicht schlechter als das was davor war. Nur so kann man erklären, wie die Politik des Regimes überhaupt möglich war. Nur so konnte man zu der Einschätzung gelangen, dass Mao “70% gut und 30% schlecht” war. Er stellte die Souveränität Chinas wieder her. Die Möglichkeit, sich der Macht fremder Länder zu entziehen und das eigene Schicksal in die Hand nehmen zu dürfen.
Aber wenn man die letzten 400 Jahre ohne Souveränität nicht einmal als diskussionswürdig erachtet, dann kann man auch nicht über das diskutieren, was danach kam. Dann kann man auch nicht verstehen, warum sich die Chinesische Regierung heute nicht von Europäern und Amerikanern Vorschriften in der Innenpolitik machen lassen will.
Genau daraus bestehen diese 3 Stunden aber. Vorschriften wie China zu regieren ist, aus eurozentrischer Sicht. Dabei wird kein gutes Haar an China gelassen. Fortschritte werden nur erwähnt, um sie im nächsten Moment in ihr Gegenteil zu verkehren und die vollkommene Verderbtheit der Regierung zu zeigen. Ich kann mich nicht erinnern, in den 3 Stunden irgendeine politische Maßnahme vernommen zu haben, die in den Augen der Redakteure positiv gewesen wäre. Selbst wenn etwas anfänglich positiv beschrieben wird, kommt als nächstes nur wieder eine Interpretation der gleichen Politik, die die Boshaftigkeit oder Korruption der Regierung belegen soll.
Es gibt keinen Anhaltspunkt in diesen 3 Stunden, wie es jemals dazu gekommen sein kann, dass heute die chinesische Bevölkerung ein unbestreitbar sehr viel besseres Leben lebt als vor 30 oder 40 Jahren. Und zwar nicht nur in wenigen Städten, sondern noch in den abgelegensten Regionen des Landes. Natürlich leben längst nicht alle Chinesen in Wohlstand und viele sind noch immer arm und viel ärmer als Europäer. Die Entwicklung war ungleichmäßig und vielen geht es weniger viel besser als einigen anderen.
Aber ist die Abwesenheit von absoluter Perfektion die man auch in Europa – zwischen London und der Rumänischen Dorfbewohnern – vergeblich sucht, schon Grund genug für eine derartige Abqualifizierung der gesamten Politik?
Ein anderes Beispiel: Wir reden heute in Tianjin von einem furchtbaren Unfall mit über 100 Toten. Damit will man die Korruption der Regierung belegen und die Rücksichtslosigkeit des Kapitalismus im Umgang mit den Menschen. Darauf hackt vor allem der dritte Teil ständig herum. Die Rücksichtslosigkeit des Kommunismus im allgemeinen und der Maoisten ganz im besonderen hat man da schon wieder vergessen. Das muss man auch, denn sonst kann man den Kapitalismus nicht kritisieren.
Unfälle mit 100 Toten stehen da wie Lapalien, wenn man an den “großen Sprung nach vorn” denkt – an den man wohlweißlich bei der gesamten Kapitalismusschelte nicht erinnert.
Nehmen wir an, die chinesische Regierung würde sich diese Dokumentation geschlossen anschauen. Was sollte sie daraus schließen? Der einzige Schluss der übrig bleibt wäre wohl, dass man die chinesische Politik wieder wie im 19. Jahrhundert ganz in europäische Hände legen soll. Wir Europäer wissen ohnehin alles besser und brauchen China dafür nicht einmal zu kennen.
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