Manchmal sind populistische Parolen nicht einfach nur populistisch, sondern auch korrekt. Kritik an den Kosten für die Raumfahrt und Korruption in den Programmen gibt es schon länger und inzwischen ist es keine Frage mehr, dass das so ist.

Das ändert sich gerade.

Das ist auch der Grund, weshalb man das so sicher sagen kann. Raumfahrtagenturen und Hersteller der ganzen westlichen Welt kündigen gerade für 2020 radikal billigere Raketen an. Egal ob die amerikanische Vulcan, die europäische Ariane 6 oder die japanische H-3. Alle versprechen zum gleichen Zeitpunkt ungefähr eine Halbierung der Kosten im Vergleich zu ihren Vorgängern.

Das ist das ungewöhnlichste Schauspiel, das man in diesem Markt jemals gesehen hat. Zumal es nicht mit radikalen technischen Neuerungen einher geht.

Die Vulcan soll zwar das neue BE-4 Triebwerk benutzen, aber man hält sich die Option offen, einen Nachbau eines RD-180 zu benutzen. Am liebsten würde man wohl das billig aus Russland importierte RD-180 weiterhin benutzen, aber das ist politisch unmöglich. Vom Haupttriebwerk und der ersten Stufe der Vulcan Rakete ist jedenfalls keinerlei Einsparpotential im Vergleich zu ihrem Vorgänger, der Atlas V, zu erwarten. Wenn überhaupt, wird die erste Stufe der Vulcan teurer und nicht billiger als die der Atlas V! Bei der Oberstufe kann man auch nichts einsparen, denn die wird immernoch die gleiche Centaur Stufe sein, wie bei der Atlas V. Wo genau spart man also die Hälfte der Kosten ein? Angekündigt wurde die Rakete jedenfalls anfang dieses Jahr für das Jahr 2020.

Bei der H-3 ist die Situation ganz ähnlich. Auch sie benutzt verbesserte Versionen alter Triebwerke, aber radikale Neuerungen sucht man vergeblich. Trotzdem soll der Preis der ganzen Rakete von $100mio auf $50-70mio sinken. (Wenn auch mit etwas weniger Nutzlast als die Vulcan, was die Preisdifferenz erklärt.) Angekündigt wurde die Rakete im Jahr 2014 für das Jahr 2020.

Über die Ariane 6 habe ich schon geschrieben. Auch hier das gleiche Schauspiel. Die Technologie wurde etwas verbessert, ist aber fundamental die gleiche wie bei der Ariane 5. Noch bis vor kurzem sah man keinen Weg den Startpreis der Ariane 5 zu reduzieren. Das Ariane 5 ME Programm sollte bis 2018, durch eine bessere Oberstufe, die Nutzlast bei konstantem Preis von 10t auf 11,5t erhöhen. Nun kündigt man die Ariane 6 an. Die soll mit einem zusätzlich leicht verbesserten Vulcain 3 Triebwerk und anderen Feststoffboostern plötzlich nur noch die Hälfte kosten, 85mio Euro statt derzeit 170mio Euro. Dabei soll die Ariane 6 die gleiche Nutzlast haben wie die Ariane 5 ME, nur mal eben zum halben Preis. Wann soll sie zum ersten mal fliegen? 2020.

Nun ist das kein Grund zu sagen, dass man kein Geld mehr in die Raumfahrt stecken sollte. Man zeigt ja gerade, dass es auch anders geht. Aber eine echte Euphorie will sich bei mir trotzdem nicht einstellen. Sicher, es ist ein gutes Gefühl, wenn man aufhört mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen. Aber warum zum Teufel hat man damit angefangen?

Schlimmer noch. Wie kann es sein, dass alle maßgeblichen “westlichen” Hersteller von Trägerraketen zur gleichen Zeit für das Jahr 2020 die gleiche Kostenreduktion ankündigen? (Wenn wir Japan, wie üblich, zum westlichen Land ehrenhalber ernennen. Immerhin waren sie genauso schlimme Imperialisten.)

Der Auslöser ist jedenfalls klar. Seit SpaceX in den USA die Falcon 9 baut, kann niemand mehr behaupten, die Russen wären wegen der niedrigen Arbeitskosten in Russland billiger. Denn bei SpaceX arbeiten Raumfahrtingenieure freiwillig und zu üblichen Löhnen von Facharbeitern. Sie arbeiten einfach nur besser.

Dazu kommt noch die plötzliche Halbierung der Kosten bei verschiedenen Raketen in verschiedenen Ländern, die unterschiedlichen Konzepten folgen. Sollte man nicht meinen, dass unterschiedliche Konzepte zu unterschiedlichen Ergebnissen beim Einsparpotential kommen, wenn man versucht die Kosten möglichst weit zu senken?

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Kommentare (13)

  1. #1 Siegbert
    18. August 2015

    “Die Raumfahrt ist korrupt und zu teuer”

    Gerade die ISS beweist das Gegenteil: ein preiswertes Raumfahrtprogramm mit hohem technischen Nutzen und ergiebigen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

  2. #2 Dr. Webbaer
    18. August 2015

    Ganz bemerkenswert welche Marktdynamik ausgelöst werden kann, wenn ein Privatunternehmen in den Raketenbau einsteigt, korrekt.
    Ansonsten ist das Antonym zu ‘populistisch’ ‘elitistisch’, das sollte vielleicht beachtet werden, wenn ‘populistisch’ (wieder einmal) pejorativ verwendet wird.
    Und, ja, Japan ist “westlich”, denn “westlich” meint metaphorisch diejenigen Systeme, die gesellschaftlich den Ideen und Werten der Aufklärung folgend implementieren konnten, die Richtungsangabe, womöglich dem seinerzeitigen Ostblock geschuldet, ist irreführend, fürwahr.
    Japan und Deutschland ist die “Westlichkeit” nach dem Krieg aufgezwungen worden.

  3. #3 demolog
    18. August 2015

    Dieser Vorstoß müsste sozusagen ein Signal des Anreizes darstellen, damit irgendwie “zukunft” der Raumfahrt wieder eine zielsetzung sei. Das ist ja von vielen Beteiligten abhängig, die gerade durch die globalen Wirren aus dem Konzept sind und Raumfahrt sowieso eine internationale Kooperation erfordert (allermeist), diese Internationale aber derzeit etwas gestört ist.

    Die Ankündigung der Preissenkung ist also “Politik”. Daraus muß am Ende nicht zwingend eine wirkliche Preissenkung resultieren. Immerhin ist das noch 5 Jahre hin, in denen viel passieren kann/wird. Wenn nämlich erstmal echte Pläne zur Raumfahrt begonnen werden, sind die nicht durch die Preisgestaltung bei den Raketentriebwerken aufzuhalten. Meint: Der Preis wird gezahlt – egal was da kommt. Es muß nur die Nachfrage da sein.

  4. #4 Dr. Webbaer
    18. August 2015

    Hierzu vielleicht noch:

    Die Kosten wurden künstlich viel zu hoch gehalten und zwar in allen beteiligten Ländern im gleichen Maß. Es bleibt nur übrig, den Kopf zu schütteln und sich zu Fragen, was dort schief läuft. Denn die parallelen Reaktionen im gleichen Zeitraum und die fast exakt gleichen Kostenreduktionen, lassen darauf schließen, dass die Vorstellung in diesem Schauspiel noch nicht zu Ende ist. Womöglich sind selbst die reduzierten Kosten noch immer viel höher als sie sein sollten.

    Die Lage ist eigentlich klar, solange keine Marktkräfte wirken oder nur unzureichend wirken, findet global eine Art Vetternwirtschaft im staatlichen Bereich statt.
    Staaten sind “verdammt schlechte” Unternehmer.

    Staatsbedienstete sind zudem nicht mental dem Mehrwertgedanken verpflichtet, scheuen den Wettbewerb sozusagen wie der Teufel das Weihwasser, würden die Raumfahrt gerne weiterhin als Elitenprojekt bearbeiten.

    Was fehlt, ist also der wirtschaftliche Anreiz, der Schreiber dieser Zeilen hegt die Hoffnung, dass der Klimawandel und sogenanntes Geo-Engineering im orbitalen Raum, über dafür geeignete Installationen wirtschaftlichen Anreiz liefern könnte.
    Aber auch unabhängig vom Klimawandel könnte es Sinn machen über geostationäre Installationen bspw. bestimmte Gebiete ein wenig abzuschatten und so der Landwirtschaft zuzuführen.

  5. #5 StellaE
    18. August 2015

    Die Kosten werden niedrig prognostiziert bzw. angesetzt, um sie schneller durch die Genehmigungsverfahren zu bekommen. Die geplanten Kosten haben mit den tatsächlichen nichts zu tun. Siehe Flughafen, Theater, Opernhaus und Bahnhof in bekannten deutschen Städten. Einmal angefangen, wird nach Jahren nicht gestoppt, nur weil unvorhergesehener Maßen die Kosten explodieren. Mutwillig falsche Planung, gutgläubige Überprüfung und Korruption greifen hier Hand in Hand. Spätestens 2020 platzt der Traum der Senkung der Herstellungskosten dieser Raketen.

  6. #6 demolog
    18. August 2015

    @ #4 Dr. Webbaer
    18. August 2015

    Hierzu vielleicht noch:

    -> Staaten treten hier auch eher als ermöglicher von Innovation auf. Das ist ähnlich, wie in Kriegszeiten. Niemand verlangt von ihnen, dass alles auch marktwirtschaftlichen Strukturen entspricht. Weil es auch nichts nützen würde, da der Markt ja “noch” gar nicht da ist.

    Wer hat die Zielsetzung damals in den USA festgelegt, in 10 Jahren auf dem Mond gewesen zu sein? J.F.K. ?
    Er hat damit einen kollektiven “Wahn” ausgelöst, der das Produkt Raumfahrt erzeugt hatte, das zunächst noch kein Markt war, aber das jetzt den Markt wieder beleben will – muß. Sonst die ganze bisher erschaffene Infrastruktur und der Markt den Bach runter ginge. Es lösten sich so zivilisatorische Errungenschaften in Utopien und Schuttberge auf. Der “Preisvorstoß” allein der Erhaltung der Flausen im Hirn diene. Und natürlich auch gewisse anderer Notwendigkeiten (etwa das Erreichen einer neuen Erde in Zukunft – weil die alte entweder voll oder kaputt ist … oder beides) (Was wahrscheinlich aber auch nur Flausen seien).

    Oh man, ich bin so scheixxe schlau, dass es wehtut. Aber diesen ganzen ökonomischen Dunst braucht man nicht studieren, der drängt sich von allein auf. (Na nicht ganz)

    @ #5 StellaE
    18. August 2015
    Nein, das muß wirtlich nicht sein, dass dieser Traum platzt. Und selbst, wenn uns die inflationsbereinigte Rechnung vorgerechnet wird, ist der Traum ja nicht geplatzt, sondern nur “bereinigt”.
    Es kann auch sein, das derzeit noch die Innovationen geheim gehalten werden, die die zukünftige Raumfahrt bestimmen werden. Dann war jede Preisvision eh nur um des Belebens der Raumfahrt willen emitiert. Wir beide haben das in 5 Jahren eh vergessen und es wird uns auch scheixx egal sein, was es kostet.
    Glaubst du, Luther hätte seine Reformationsgedanken je erfolgreich in die Öffentlichkeit gebracht, wenn es nicht um Geld ginge? (Ablasshandel)
    Das ist das Problem der affektiven Menschen. Sie denken naiv und im ständigen monetären Mehrwert. Von dem sie selbst später aber sowieso nie den intendierten Teil abbekommen werden.

    Stattdessen wird uns die Teflonpfanne als ultimativer Mehrwert der Raumfahrt verkauft. Das nebenher aber auch die “ultimativste” Überwachungsinfrastruktur über unseren Köpfen installiert wurde, ist in der Vision nicht im Gespräch.

    Mit dem Internet ist es ähnlich. Liesst du alle Kommentare unter dem Beitrag? Warum nicht? Weil unwichtig? (wegen der Erwartung fachlicher Inkompetenz). Dann dürftest du die Beitrage von “Wasgeht” auch nicht lesen. Da gehts abgesehen von diesem Beitrag hier auch nicht immer um Geld und Wirtschaft. Und seine Ökonomie-Idee ist auch nicht die bestmögliche. Aber das darf man auch gar nicht erwarten, sondern nur erhoffen. Systemteilnehmer können keine objektiven Bewertungen im Sinne der Menschheit etwa (höhere Systemebene) tätigen. Das kannst nur du, wenn du dich distanzieren kannst. (Das ist überraschend, nicht? Die Wirtschaft ist hier niedriger angeordnet, als die Menschheit. Warum bloß?)

  7. #7 Dr. Webbaer
    18. August 2015

    > Oh man, ich bin so scheixxe schlau, dass es wehtut.

    Hoffentlich sind keine WiXXstoffe im Spiel.

    SCNR + gute Besserung,
    Dr. W

  8. #8 dgbrt
    18. August 2015

    @demolog: Wer die Teflonpfanne im Zusammenhang mit Raumfahrt hat nixxx Ahnung. Zitat Wikipedia: Teflon “… ist kein Nebenprodukt der Raumfahrt, wie oft behauptet, sondern wurde bereits 1938 von dem Chemiker Roy Plunkett entdeckt.”

    Ist schon komisch, dass sich dieses Gerücht so nachhaltig hält.

    • #9 demolog
      27. August 2015

      @ #8 dgbrt
      18. August 2015

      Es ist Verkaufsargument – oder nicht?

      Mir ist im übrigen völlig egal, wie das zustande kam. Es gibt Dinge auf der Welt, deren Mehrwert sich mir nicht erschliesst.

  9. #10 dgbrt
    18. August 2015

    Zur Korruption: Ich nenne das meistens Geld verbrennen, richtige Beweise gibt es ja meistens nicht.

    Eines der besten Beispiele ist wohl der Start der Ares-1X im Oktober 2009. Der ganze Spaß hat ca. eine Milliarde US-Dollar gekostet. Die Rakete bestand aus einem normalen 4-Segment Space-Shuttle-Booster, auf den ein zusätzliches fünftes Segment, gefüllt mit Ballast, aufgesetzt wurde. Die Oberstufe und auch die Nutzlast waren mit Wasser gefüllte Dummys und die Software wurde der Atlas V entliehen.

    Trotz dieser immensen Kosten hatte man leider nicht bedacht, dass der Booster wegen dem mit Ballast gefüllten fünften Segment bei der Landung deutlich schwerer sein würde. Die Fallschirme haben versagt und das Teil ist hart auf dem Atlantik aufgeschlagen.

    Da ist unbeschreiblich viel Geld verbrannt worden, aber der US-Kongress kürzt lieber die kommerzielle bemannte Raumfahrt, anstatt so etwas zu untersuchen.

  10. #11 Alderamin
    19. August 2015

    @dgbrt

    In dem ganzen Ares-Programm (Constellation) war der Wurm drin, weil die Finanzierung bei weitem nicht ausreichte und technische Probleme das Projekt in die Länge zogen (insbesondere bei der Ares I die Vibrationen der längeren 5-Segment-Booster). Es war aber durchaus normal und sinnvoll, einen Prototypen fliegen zu lassen, bevor man Menschen da hinein setzt. Das wird bei der SLS nicht anders sein, die fliegt auch zuerst unbemannt, und auch der zweite Orion-Flug, um den Mond herum, wird unbemannt sein, wie es schon der erste war. Und natürlich kostet das ein Schweinegeld.

    Es waren zwei Testflüge geplant, Ares I-X und Ares I-Y. Warum der erste mit einem 4-Segment-Booster statt des eigentlich vorgesehenen 5-Segment-Boosters durchgeführt wurde, weiß ich nicht und kann ich auch nicht beurteilen.

    Da ist unbeschreiblich viel Geld verbrannt worden, aber der US-Kongress kürzt lieber die kommerzielle bemannte Raumfahrt, anstatt so etwas zu untersuchen.

    Das Commercial Crew Programm war zu dieser Zeit noch nicht einmal beschlossen worden. Die Ares I sollte ja gerade das Shuttle versorgen und Astronauten mit der Orion in die niedrige Erdumlaufbahn bringen. Das COTS- und Commercial-Crew-Programm wurde ja erst geschaffen, als man sich von einer kleinen Rakete verabschiedet hatte und die SLS bechlossen hatte, die zum Flug in die niedrige Umlaufbahn auch ohne Oberstufe einige Tonnen Ballast mitnehmen müsste, um nicht zu leicht zu sein.

  11. #12 dgbrt
    19. August 2015

    @Alderamin:
    Das COTS-Programm wurde am 18. Januar 2006 angekündigt und war bei dem Start der Ares I-X im Jahre 2009 schon weit fortgeschritten.
    Der Fehler war damals nicht die fehlende Finanzierung, eine Milliarde US-Dollar für nur diesen einen verkorksten Start waren doch wohl Geld genug. Hätte die Schwerlastrakete Ares V dann fünf Milliarden Dollar gekostet? Das ist fast ein Drittel das jährlichen NASA-Budgets.
    Dass der Start kurz nach der Einstellung des Projekts trotzdem noch durchgeführt wurde, halte ich aber für richtig. Das ganze Geld war ja schon vorher verpulvert. Wichtige Ergebnisse gab es aber nicht. Nur der Hersteller ATK (Alliant Techsystems) hat sich eine goldenen Nase verdient.
    Dieser Konzern produziert auch viele Waffen und ist aus Morton Thiokol entstanden. Der hat wiederum Anfang der 1970er Jahre den Zuschlag für die Space-Shuttle-Booster bekommen, weil die Politik das so wollte. Da die kein Werk in der Nähe von Florida hatten, mussten die Booster dann in Segmente aufgeteilt werden, um den Transport über Land zu ermöglichen. Ohne diese Entscheidung währe die Challenger-Katastrophe so nie passiert. Und billiger als Wegwerfbooster waren die auch niemals.

  12. #13 dgbrt
    19. August 2015

    Zwei Nachträge:
    Das Commercial-Crew-Programm ist natürlich noch heute nicht voll finanziert. Das ist ja gerade meine Kritik.

    @Alderamin: “Die Ares I sollte ja gerade das Shuttle versorgen”
    Da meinst du hoffentlich die ISS.