Beim letzten Artikel zu elektrischen Raketentriebwerken gab es ein ernsthaftes Problem im Betrieb des Triebwerks. Die Ionen werden erzeugt und dann mit einem elektrisch geladenen Gitter beschleunigt, das nebenbei immer wieder von stark beschleunigten Ionen getroffen wird.
Nun wäre es schön, die Ionen ohne dieses Gitter zu beschleunigen. Dann fragt sich aber, woher man das negative elektrische Feld nehmen soll, von dem Ionen angezogen und beschleunigt werden. Die Hall-Effekttriebwerke liefern darauf eine Antwort. Diese Triebwerke wurden zwar zuerst in den 60er Jahren in den USA beschrieben, aber nur in der Sovietunion wurden sie zu funktionierenden Triebwerken weiter entwickelt. Erst nach dem kalten Krieg kam diese Technik in den Westen. Anders als beim RD-180 hat sie aber nicht zu größeren Streits geführt.
In den 90er Jahren wurden die ersten westlichen Satelliten mit diesen Triebwerken ausgestattet, genauso wie die europäische Mondsonde Smart-1. Wie auch beim RD-180 wurde der russische Ursprung nicht an die große Glocke gehängt, um nicht zu sagen, dass er der Öffentlichkeit verheimlicht wurde. Wegen des geringen Schubs eignen sie sich natürlich hauptsächlich für die Lageregelung und Manöver im Orbit. Der Übergang vom Transferorbit in den Geostationären Orbit wird meistens immernoch mit herkömmlichen, chemischen Antrieben übernommen.
Wie funktioniert nun so ein Hall-Effekt Triebwerk? Es besteht aus einer ringförmige Kammer. An einem Ende ist die Einspritzdüse, durch die der Treibstoff in die Kammer kommt. Sie ist gleichzeitig die Anode und steht unter positiver Spannung. In der Mitte der Kammer ist ein zylinderförmiger Elektromagnet. Dessen Magnetfeld ist stark genug um Elektronen auf Kreisbahnen innerhalb des Zylinders zu halten, aber nicht so stark, dass er die einige zehntausendmal so schweren Ionen beeinflussen würde. Das Magnetfeld aus der Spule nimmt natürlich mit größerem Abstand von der Spule immer mehr ab. Ganz am Ende der zylinderförmigen Kammer ist deswegen noch eine große Ringförmige Magnetspule angebracht, die dafür sorgt, dass am Ausgang der Kammer ein gleichmäßig starkes Magnetfeld vorliegt.
In dem Magnetfeld sind die Elektronen weitgehend gefangen und bilden so mit ihrer negativen Ladung die negative Kathode am Ende der zylinderförmigen Kammer. Einige Elektronen driften auch langsam entgegen der Fließrichtung des Treibstoffs in Richtung der positven Anode. Gleichzeitig sorgt das Magnetfeld dafür, dass sie das nur langsam auf engen Kreisbahnen tun. Das ist auch gut so, denn diese Elektronen sorgen erst dafür, dass der Treibstoff ionisiert wird. Auf ihren Kreisbahnen haben die Elektronen dabei sehr gute Chancen die Atomes des Treibstoffs zu treffen und zu ionisieren. Nur ionisierter Treibstoff kann in dem Triebwerk von den elektrischen Feldern beschleunigt werden.
Der Nachteil dieser sehr eleganten Konstruktion ist, dass etwa 20-30% der Energie für die Ströme der Elektronen verbraucht wird, was die Energieeffizienz etwas in Mitleidenschaft zieht. Außerdem ist die Konstruktion nicht gut dafür geeignet unterschiedlichen Schub zu erzeugen. Man ist also auf einen Betriebsmodus festgelegt. Selbst dafür modifizierte Halltriebwerke leiden bei niedrigerem Schub unter Energieverlusten von über 80%, bei gleichzeitiger Halbierung der Ausströmgeschwindigkeit.
Ganz ohne Hochspannung zur Erzeugung elektrischer Felder für Beschleunigung von Ionen kommen Plasmatriebwerke aus und flexibler sind sie noch dazu. Anders als die bisher besprochenen Triebwerke haben sie aber einen Nachteil: Sie sind noch nie geflogen. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe dieser Reihe.
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