Es klingt erst einmal nach einem Witz. Eine Kanone im Handtaschenformat gehört sicher nicht zu den Dingen, an die man beim späten Mittelalter denkt. Man denkt an große Kanonen und kleine Musketen. Wieso sollte man schwere Kanonen bauen die man kaum tragen und von Hand abfeuern kann, wenn man leichte Musketen hat?
Aber genau hier liegt das Problem. Es gab noch keine Musketen. Ein langes, dünnes Rohr aus Eisen zu bauen und damit eine kleine Bleikugel zu verschießen, ist keine so offensichtliche Sache wie man meinen sollte.
Schwarzpulver wurde zunächst für Raketen, Böller und Handgranaten benutzt. Die Handgranaten bestanden dabei aus einem runden Eisengefäß, das die gleiche Form wie ein Granatapfel hatte und auch so aussah. Später wurden noch in China die ersten massiven Kanonen gebaut um Befestigungen von Städten zerstören zu können.
Von den Mongolen wissen wir, dass das ganz hervorragend funktionierte. Sie übernahmen die Technik von den Chinesen und eroberten damit ganz China. Dazu sollte man vielleicht sagen, dass der gesamte Norden von China während der Song Dynastie von dem Reitervolk der Jurchen erobert wurde, den Vorläufern der Manchu. Im so entstandenen Königreich Jin lebten natürlich noch die gleichen Chinesen wie zuvor und kannten sich mit Kanonen aus. Bei der Eroberung durch die Mongolen ging dieses Wissen dann zu ihnen über und die Mongolen trugen es in die ganze Welt, auch nach Europa.
Die Musketen wurden nicht sofort gebaut, als man Schwarzpulver hatte, sondern wurden schrittweise aus den Kanonen heraus entwickelt. Die ersten Handkanonen sahen tatsächlich wie eine Spielzeugkanone aus, die mit entsprechend kleinen Kugeln und kleineren Mengen Schwarzpulver benutzt wurden. Sie wurden teilweise auch auf lange Holzschäfte montiert, die man in den Boden gerammt hat um den Rückstoß abzufangen. Aber ansonsten funktionierten sie wie eine normale Kanone. Man füllte Pulver und Kugel in die Kanone, ein Loch führt von außen zum Pulver in der Kanone. Das Loch wird mit Pulver gefüllt und das Pulver von außen mit einer Lunte angezündet.
Das Zielen mit solchen Handkanonen war entsprechend schwer. Man konnte sie nur relativ grob auf den Feind richten, abfeuern und auf das beste hoffen. Anfangs konnte man noch davon ausgehen, dass man damit jeden Feind erschrecken kann, später mussten sie auch tatsächlich wirksam sein. Dabei erwiesen sich die Europäer als deutlich enthusiastischer als die Asiaten. Die wurden von den Mongolen beherrscht und hatten erst einmal alle Hände voll zu tun, die Mongolen los zu werden. Die Benutzung von Schwarzpulverwaffen brauchte aber einiges an Organisation, vor allem bei der Herstellung von Salpeter.
Gute Bedingungen für die weitere Entwicklung gab es eigentlich nur dort, wo man von den Mongolen unbehelligt blieb. Also in Gegenden, in denen man ohne weiter Hintergedanken ob der Massenmorde, der Zerstörungen und der furchtbaren Herrschaft der Mongolen solche Kulturgüter schafft:
Dort jedenfalls wurden im Laufe der Zeit die Handkanonen immer weiter verbessert. Den Holzschaft machte man immer kürzer, um die Waffen besser transportieren zu können. Um den Rückstoß auffangen zu können, befestigte man einen Haken am Lauf der Kanone. Im besten Fall konnte man so die Kanonen einfach auf einen Fenstersims, einen Holzbalken oder ähnlichem abstützen. Diese “Hakenbüchsen” waren ideal zur Verteidigung von Häusern, Burgen und anderen Stellungen. Aus dem Namen Hakenbüchse oder Hackbut wurde später das Wort Arquebuse.
Im großen Stil wurden diese Hakenbüchsen in den Hussitenkriegen benutzt. Die Hussiten waren Protestanten, inspiriert von dem Tschechen Jan Hus, und kamen auf die Idee, nicht einfach nur mit Heeren los zu ziehen, sondern ihre Befestigte Stellung gleich mit zu bringen. Sie zogen mit Wagen in die Schlacht, die sie in kurzer Zeit zur Wagenburg formen konnten. Während man nach einigen Jahren lernte, diese Wagenburgen durch konzentrierten Kanonenbeschuss zu zerstören, verloren die Hussiten ihren Krieg nicht wegen unzulänglicher Waffentechnik, sondern an ihrer eignen Zerstrittenheit.
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