Wenn man heute dringend irgendeine positive Schlagzeile zu erneuerbaren Energien braucht, dann geht das ganz einfach. “[Tropisches Atoll] wird mit Solarstrom versorgt.” Man muss nur nachschauen wie das Atoll heißt und nach ein paar Details des Projekts suchen. Das ist etwas übertrieben, aber sehr weit. Aber es lohnt sich einmal die Details und Umstände dieser Projekte anzuschauen.
Ein bekanntes Beispiel ist Tokelau. Etwa 1400 Einwohner verteilen sich auf drei Inseln. Diese Inseln wurden bis vor kurzem hauptsächlich aus Strom mit Diesel, Benzin und Kerosin versorgt. Der Stromverbrauch von Tokelau beträgt etwa 677MWh pro Jahr. Das sind knapp 500kWh pro Einwohner. 80 Millionen Deutsche verbrauchen 600TWh, das sind 7500kWh pro Einwohner – oder etwa 15 mal so viel.
Das Land hat keine nennenswerte Wirtschaft. Die Einnahmen bestehen fast vollständig aus der Vergabe von Fischereikonzessionen und Hilfszahlungen aus anderen Ländern, in Fall von Tokelau ist das Neuseeland. (Tokelau gehört zum “Realm of New Zealand” und ist damit teilweise an Neuseeland gebunden, was aber auch Verpflichtungen für Neuseeland bedeutet.) Der Import von relativ kleinen Mengen Treibstoff (knapp 300 Kubikmeter pro Jahr) auf entlegenen Inseln ist sehr teuer, weshalb auch die Strompreise subventioniert werden.
Natürlich versucht man, solche Kosten zu minimieren. Photovoltaik ist in tropischen Inseln tatsächlich eine gute Wahl und so wurde auch ein entsprechendes Projekt umgesetzt. Anders als in den nördlichen Breiten in unserem Land, ist die Sonneneinstrahlung das ganze Jahr über recht konstant und konstant hoch. Dazu kommt der sehr niedrige Strombedarf. Trotzdem haben alle solche Atolle eines gemeinsam: Sie können sich die Solaranlagen nicht selbst leisten.
Es gibt immer einen Sponsor, der wegen der fehlenden Wirtschaftskraft das Geld dafür beschafft. Im Fall von Tokelau etwa 7 Millionen NZ-Dollar die von der Neuseeländischen Regierung kamen. Dafür erhielt man Solaranlagen mit 891kWp und etwa 8,6MWh Batteriekapazität. Das ist etwas mehr als 1% des Jahresbedarfs, obwohl es im Vergleich zu Deutschland keine nennenswerten Variationen in der Sonneneinstrahlung gibt. Die Bedingungen sind nur knapp südlich des Äquators wie dafür gemacht. Trotzdem kann Tokelau nur etwa 90% des Stroms so erzeugen – und das obwohl die Einwohner Tokelaus nur einen Strombedarf von etwa 7% des Deutschen haben.
Wäre Deutschland ein tropisches Land und die Versorgungsbedingungen ähnlich gut, dann bräuchte Deutschland für so ein Vorhaben Stromspeicher einer Kapazität von 7,5TWh. Wir haben zur Zeit 0,04 TWh. Dabei liegt Deutschland nicht in den Tropen. Vor drei Tagen war Tag und Nachtgleiche, es bricht die dunkle Jahreszeit an. Über mehrere Monate am Stück bricht die Stromversorgung durch Photovoltaik zusammen. Die Windkraft ist weit weniger zuverlässig als Photovoltaik in den Tropen. Der Speicherbedarf in Deutschland ist bei vergleichbaren Bedingungen höher als in einem Tropenland.
Deutschland ist aber kein kleines Atoll im nirgendwo. Es gibt kein Antragsformular das man ausgefüllt an eine Regierung schicken kann und daraufhin die Energieversorgung als Prestigeprojekt der Regierung finanziert bekommt. Allein Batteriespeicher mit 7,5TWh würden mit etwa 800 Milliarden Euro zu Buche schlagen, obwohl deren Kapazität nicht ausreichen würde und sie regelmäßig erneuert werden müssten.
Eine bessere Lösung wäre eine Verringerung des Anteils der ungeregelten variablen erneuerbaren Energien in der Deutschen Stromversorgung, im Vergleich zu den bisherien Plänen. Denn die Probleme entstehen nicht so sehr durch das Vorhandensein ungeregelter erneuerbarer Energien, als durch die Forderung eines möglichst hohen Anteils. Aber Biomasse konkurriert längst mit der Lebensmittelerzeugung. Das zusätzliche Potential der Wasserkraft ist auf wenige Prozent der gesamten Strommenge begrenzt und ganz ähnliches gilt für Geothermie, wenn man sie nicht in absurden Ausmaßen ausbaut.
Anders ausgedrückt: Es fehlt an Alternativen zu den Alternativen Energien.
Man sollte auch nicht vergessen, dass die Stromversorgung auch heute nur einen Bruchteil des gesamten Energieverbrauchs ausmacht. Zu jeder Kilowattstunde Strom kommen in Deutschland noch etwa 2,3 kWh Wärme und Treibstoff für Fahrzeuge. (In Frankreich ist der Stromanteil größer und so kommen nur 1,5kWh Wärme zu jeder kWh Strom.) Das ist hauptsächlich Öl und Gas. Auch das muss ersetzt werden. Selbst wenn man die bisherige Stromversorgung komplett umgestellt hat, bleibt dieser Posten der bisher in fast allen Diskussionen zumindest vernachlässigt wird, wenn er überhaupt angesprochen wird.
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