Vor vier Jahren startete China seine erste Raumstation, Tiangong 天宫, oder Himmelspalast. Wobei dieser Name bei der ersten Variante, Tiangong-1, eher ein gewagter Euphemismus ist. Diese erste Station war nur etwas größer als ein herkömmliches Raumschiff, wenn auch ohne Hitzeschutzschild. Mit einer Masse von acht Tonnen war Tiangong-1 sogar noch leichter als ein ATV.

Eine viel größere Station hätten die Chinesen zu dem Zeitpunkt auch noch nicht am Stück starten können. Aber letztlich spielt es keine Rolle, wie groß oder klein die Station ist. Als Experimentierplattform zum Testen der wichtigsten Technologien taugte sie allemal. Insgesamt gab es drei Missionen zu der Station. Die erste war unbemannt und diente zum Test des automatischen Dockingmanövers. Solche Manöver werden bei späteren Stationen unverzichtbar sein, um die Besatzung mit automatischen Transportern mit Nachschub zu versorgen. Die nächsten beiden Flüge waren bemannt, dauerten zwei Wochen und waren recht beengt. Auf einer der Missionen war auch die erste chinesische Frau dabei.

Natürlich hätte man auf diese Weise auch eine größere Station aus mehreren Modulen aufbauen können, aber das war nicht Sinn und Zweck der Sache. Eine größere Station war längst in Planung, es fehlte aber noch die passende Trägerrakete dafür. Die zweite Version, Tiangong-2, soll 20 Tonnen wiegen. Damit folgt das chinesische Raumstationsprogramm auch dort in etwa der sowjetischen Geschichte. Deren erste Raumstationen, Salyut, wogen etwa genauso viel – waren aber im Grunde als bemannte Militärsatelliten gedacht. Im Militär liefen sie dann unter dem Namen Almaz. Die Station Salyut-3 war sogar mit einer 23mm Maschinenkanone ausgestattet.

Zum Start von Tiangong-2 wird man die Chang Zheng-5 Rakete (“Langer Marsch”) brauchen. Keine andere Chinesische Rakete könnte eine solche Masse in den Orbit bringen. Die Rakete verwendet die gleiche Technik, die man auch schon in der Chang Zheng-6 verwendete, die vor kurzem ihren erfolgreichen Jungfernflug hatte. Die Chang Zheng-5 soll nächstes Jahr fliegen und noch im gleichen Jahr auch Tiangong-2 starten.

Diese Station dürfte deutlich mehr Verwendung sehen als die nur zwei bemannten Flüge zu Tiangong-1, allein schon weil sie viel mehr Platz bietet. Die Missionsdauer soll auch von zwei auf drei Wochen steigen. Eine der Gründe ist auch der faktische Ausschluss der Chinesen aus der ISS, auch wenn es in letzter Zeit einige zögerliche Signale der Annäherung gibt. Umgekehrt gibt es nun aber auch Angebote der Chinesen zur Öffnung ihrer künftigen Raumstationen gegenüber dem Rest der Welt.

Das wird aber nicht die ziemlich kleine Tiangong-2 sein. Auch diese Station dient noch zu Tests und Entwicklung. Das Ziel für 2020 ist es, den Aufbau einer größeren Station zu beginnen, das Projekt 912-2. Die Grundlage dafür wird Tiangong-3 sein. Die wird nicht viel größer als Tiangong-2 sein, aber dafür die Möglichkeit zum andocken von mehreren Modulen oder Raumschiffen haben, was die Grundlage für den Bau der zur Zeit üblichen Raumstationen ist. Das Projekt 912-2 wird dann aus mehreren Modulen bestehen, die im Konzept und der Größenordnung wohl mit der alten Mir vergleichbar sein wird.

Die weitere Entwicklung wird interessant zu beobachten sein. Immerhin bieten die Chinesen damit notgedrungen die einzige Alternative zum derzeitigen amerikanisch-russischen Monopol in der bemannten Raumfahrt. Wie weit diese Alternative gehen wird, wird sich in der Zeit bis dahin entscheiden. Dazu gehört beispielsweise die Frage, ob die Chinesen an ihrer Raumstation die gleichen Dockingadapter verwenden werden, wie sie in der ISS verwendet werden. Zu dieser Frage will man sich derzeit nicht äußern, was zumindest den Verdacht nahe legt, dass man die Entscheidung vom politischen Umfeld abhängig machen wird.

Wenn man die gleichen Adapter verwendet, werden auch amerikanische und russische Raumschiffe problemlos an der chinesischen Raumstation andocken können – und umgekehrt auch die chinesischen Raumschiffe an der ISS. Wenn das nicht passiert, wird man bei einer möglichen Kooperation vor den gleichen Problemen wie beim Apollo-Soyuz-Testprogramm stehen, oder beim Andocken des Space Shuttle an die Mir.

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Kommentare (4)

  1. #1 Schelm
    14. Oktober 2015

    “Auf einer der Missionen war auch die erste chinesische Frau dabei.”

    Das die überhaupt noch lebt?

  2. #2 BreitSide
    Beim Deich
    14. Oktober 2015

    Irgendwie findet die chinesische Raumfahrt öffentlich so gut wie nicht statt. Jedenfalls das, was ich so lese oder sehe.

    Aber ich kann mich noch erinnern, bei der Weltausstellung in Hannover hatten die auch was mit dem Mond und so. Meine Reaktion war eine Mischung von Ungläubigkeit und Lachen.

    Oder ist das nur ein Boykott der “Lügenpresse”?

  3. #3 dgbrt
    14. Oktober 2015

    @BreitSide:
    Über die chinesische Raumfahrt wird bei uns einfach nichts berichtet. Such mal bei “baidu.com” (das chinesische Google) nach “Tiangong”. Ich verstehe natürlich kein Wort und es ist eine Welt die wir nicht kennen. Aber mit “Lügenpresse” bei uns hat das natürlich nichts zu tun.

    Generell kann man aber sagen, dass die Chinesen bei der bemannten Raumfahrt das machen was die Sowjets schon in den 1960er und 1970er Jahren gemacht haben. Bis auf die Raketen gleicht die Hardware sehr stark der damaligen aus der UdSSR.

    Aber der Mond-Rover “Hutu” ging auch bei uns durch die Presse, der kleine Hase hat nur nicht lange überlebt.

    Und nicht nur bei uns, sondern auch in China, gibt es jetzt den Nano-Satelliten-Hype:
    SpaceRef: Chinese Corporation Launches Alibaba Like Platform for Space

    • #4 BreitSide
      Beim Deich
      14. Oktober 2015

      Ok, war vielleicht etwas unpassend, Pegidioten-Vokabular zu verwenden. Aber tatsächlich, wenn die Chinesen mit ihren Kopien 40 Jahre zurück sind, ist da natürlich nicht sooo viel zu berichten…