Es ist wieder einmal Zeit, eine neue Rakete vorzustellen. “Bloostar” soll die Rakete heißen. Das Konzept ist nicht mehr ganz taufrisch, aber überraschenderweise ist es nicht in der Versenkung verschwunden. Die Überraschung ist deswegen so groß, weil das Konzept doch ziemlich weit weg von konventionellen Konzepten ist.
Weil die Rakete zuerst mit einem Heliumballon auf 30km Höhe gebracht werden soll, ist die Aerodynamik ein weitaus kleineres Problem, als es bei herkömmlichen Raketen wäre. Sie besteht deswegen nicht aus langgestreckten Zylindern, die übereinander gestapelt sind, sondern aus Ringen die beim Start wie eine Matrioschka ineinander verschachtelt sind.
Die gesamte Konstruktion, inklusive Treibstoff, wiegt wohl ungefähr 6 Tonnen. Genaue technische Daten hat die Firma noch nicht veröffentlicht, will es aber demnächst tun. Die Tanks bestehen Kohlefaserwerkstoffen und müssen hohen Druck aushalten, denn die Triebwerke haben keine Treibstoffpumpen und werden druckgefördert.
Das ist in dieser Situation auch keine schlechte Idee. Aus der Sicht eines Raketentriebwerks herrscht in einer Höhe von 20km schon fast Vakuum. Anders als am Erdboden muss der Druck in der Brennkammer und der Düse nicht gegen den Druck der Atmosphäre ankommen. Deswegen kann man gleich das ganze Triebwerk mit großen Düsen auf den Vakuumbetrieb optimieren. Das bringt der ersten Stufe einen zusätzlichen spezifischen Impuls von 10-20%, was einige der Verluste durch die Druckförderung wieder ausgleicht.
Als Treibstoff wird flüssiger Sauerstoff und “ein Kohlenwasserstoff” benutzt. Soweit ich mich erinnern kann, war beim ersten mal, als ich von dem Projekt hörte, von Propan die Rede. Das hat den Vorteil, dass es nicht erst noch mit Helium zusätzlich unter Druck gesetzt werden muss. Der hohe Dampfdruck allein soll dafür sorgen, dass der Treibstoff in die Brennkammer gedrückt wird. Möglicherweise gibt es aber noch einen Wärmetauscher, der den Treibstoff aufheizt und so den Dampfdruck noch weiter erhöht oder zumindest hilft das verlorene Treibstoffvolumen durch verdampfen wieder auszugleichen.
Die Rakete soll von den Kanaren aus 125kg in einen niedrigen Erdorbit bringen können, oder 75kg in einen sonnensynchronen Orbit.
Der Start wird von einem Schiff aus geschehen und das tut man nicht nur um die Pacht und die Genehmigungen für einen Startplatz an Land zu sparen. Ein Schiff kann sich bewegen und das ist beim Start eines Ballons durchaus hilfreich. Man will mit dem Schiff in Windrichtung fahren und sich der Windgeschwindigkeit anpassen. Damit ist man nicht auf absolut windstilles Wetter angewiesen, sondern kann sich die für den Start nötige Windstille selbst beschaffen.
Ob das Konzept funktioniert und die angestrebten Preise erreicht werden, muss sich zeigen. Fest steht nur, dass sich auf diesem Markt der sehr kleinen Raketen zu viele Anbieter tummeln. Die meisten Konzepte werden scheitern und die Chancen stehen leider gut, dass auch dieses dazugehören wird – auch wenn ich es um dieses Konzept wirklich schade fände.
Update
Inzwischen sind nun doch ein paar technische Daten aufgetaucht. Der Treibstoff wird doch nicht aus Propan, sondern aus Methan bestehen. Die erste Stufe hat sechs Triebwerke mit je 1,5 Tonnen Schub, die zweite Stufe hat sechs Triebwerke mit 0,2 Tonnen Schub und die dritte Stufe eines der Triebwerke der zweiten Stufe. Der Ballon wird außerdem auch die Kommunikation mit der Rakete übernehmen. Was sehr praktisch ist, denn Bodenstationen verlieren wegen der Erdkrümmung noch während des Fluges den Kontakt zur Rakete auf dem Weg in den Orbit.
Man will erste suborbitale Flüge schon Ende nächstes Jahr machen, aber erste Flüge in den Orbit erst 2018. Die Kosten pro Flug sollen $4 Millionen betragen, also etwa so viel wie die Electron von Rocketlabs (auch wenn man behauptet, man wäre nun halb so teuer wie die Konkurrenz). Es gibt auch schon eine Reihe von Investoren und Interessenten für die Rakete. Wenn alle potentiellen Kunden, die ihr Interesse bekundet haben, auch tatsächlich einen Vertrag abschlössen, käme man auf knapp 200 Millionen Euro. Aber wie gesagt, die Konkurrenz ist groß.
Kommentare (10)