(Dieser Artikel ist heute auf golem.de erschienen.)
Am Freitag ist um 7:19 unserer Zeit ein Stück Weltraumschrott, das Objekt WT1190F, etwa 100km südlich von Sri Lanka in die Erdatmosphäre eingetreten und (mindestens größtenteils) verglüht. Ein Stück Schrott weniger, nur noch 21000 andere (über 10cm Größe). Dabei ist WT1190F kein normales Objekt. Nicht nur wegen dem automatisch zugewiesenen Namen. Das W steht für das Entdeckungsjahr 2015, das T für die zweite Oktoberhälfte, der Rest ist hexadezimale Numerierung. Das dritte Zeichen steht für das verwendete Teleskop in der Catalina Sky Survey. Das F ist derzeit reserviert für Entdeckungen bei späterer Auswertung der Daten oder für den Fall, dass die Survey ein neues Teleskop bekommt. Die nächste Chance auf ein WTFxxxxx Objekt kommt damit erst wieder in der ersten Oktoberhälfte 2051.
Das WT1190F hat sich zuletzt in Umlaufbahnen bewegt, die weit über den Mondorbit hinaus gehen. Das ist auch der Grund, weshalb das Objekt nicht längst katalogisiert wurde. Es ist praktisch ausgeschlossen, dass solche Objekte ein Problem für Satelliten im niedrigen Erdorbit oder dem geostationären Orbit darstellen. Das Interesse für Objekte in solchen Orbits ist minimal. Der größte Teil der Beobachtungen zur Bestimmung der Bahndaten stammt tatsächlich von Amateurbeobachtungen. Die erlaubten es dann auch, das Objekt auf frühere Beobachtungen von 2013 und 2009 zurückzuführen. Damals unter den Bezeichnungen UDA34A3, UW8551D und 9U01FF6. Die Bahn ist relativ instabil, womit es wahrscheinlich nicht aus der Apollo Ära stammt. Möglicherweise stammt es von der Chinesischen Chang’e 1 Mission oder der indischen Chandrayaan. (Ausführlicher wird das hier erklärt.)
Aus der Auswertung der Flugbahn kann dann auch auf die Art des Objekts geschlossen werden. Die Flugbahn zeigte leichte Abweichungen durch den Lichtdruck der Sonne, was auf ein eher leichtes Gewicht hindeutet. Es kann also kein massiver Asteroid sein, womit praktisch gesichert ist, dass es ein künstliches Objekt ist. Der Helligkeit nach zu urteilen, musste es wenigstens einen Meter groß ist. Ohne die Reflektivität des Objekts zu kennen (das Albedo), ist der Durchmesser kaum genau zu bestimmen. Bei 25% wären es zwei Meter. Ein Asteroid mit der gleichen Helligkeit, aber nur 4% Albedo, hätte 5 Meter Durchmesser. Natürlich ist es möglich das mit einem guten Radarsystem zu vermessen, wie dem von Arecibo. Aber für ein solches Stück Schrott ist das die Beobachtungszeit nicht wert.
Interessant wurde WT1190F erst dadurch, dass es auf die Erde stürzen wird. Es stellt zwar keine Gefahr dar, aber es ist eine gute Gelegenheit die Genauigkeit der Berechnungen zu testen. Das wäre bei der Vorhersage möglicher Asteroideneinschläge äußerst wichtig. Außerdem hofft man auch das Verglühen des Objekts mit Kameras und Spektrographen aufzunehmen. Ob das nun geklappt hat, ist noch nicht bekant. Aber die Beobachtung wurde von der ESA mit einem Golfstream 450 Jet durchgeführt und zumindest Videoaufnahmen gibt es schon.
Viel bedenklicher als die Überreste von Mondmissionen ist Schrott im erdnahen Raum, wo sich fast alle Satelliten befinden. Dabei sind nicht alle Teile genauso problematisch. Wenn ein Teil eines Orbit unter eine Höhe von 600km fällt, dann reicht die restliche Atmosphäre aus, um das Teil innerhalb der nächsten 25 Jahre abstürzen zu lassen. Im niedrigen Erdorbit (LEO – low earth orbit) wird es also nie ein wirklich langfristiges Problem mit Weltraumschrott geben, der sich immer mehr ansammelt. Dort wirkt die Erdatmosphäre wie ein Staubsauger, in dem mit der Zeit alles verschwindet. Das ist auch die Gegend, in der zur Zeit die ISS fliegt, in einer Höhe von etwa 400km (zu Zeiten des Space Shuttle waren es noch 330km).
Viel Problematischer ist der Raum darüber, zum Beispiel der geostationäre Orbit (GSO) in 36000km Höhe. Dort befinden sich vor allem Kommunikations-, Fernseh- und Wettersatelliten, die von der Erdoberfläche aus gesehen immer am gleichen Punkt im Himmel verharren. Das ist mit Abstand der wichtigste Orbit in der kommerziellen Raumfahrt. Allerdings bringen die wenigsten Raketen eine Satelliten direkt in diesen Orbit. Stattdessen werden sie in einen Übergangsorbit gebracht (GTO – geostationary transfer orbit). Das sind langgestreckte, elliptische Orbits. Der höchste Punkt des GTO liegt im allgemeinen auf gleichen Höhe wie der GSO, aber der niedrigste Punkt liegt in wenigen 100km Höhe. Das Anheben des tiefsten Punkts wird dem Raketenantrieb der Satelliten überlassen, deren Masse besteht deswegen oft zu mehr als der Hälfte aus Treibstoff. Natürlich wird der tiefste Punkt auch nicht so tief gewählt, dass der Satellit bei einem Problem schon im ersten Umlauf in der Atmosphäre verglüht. Aber er ist tief genug um die restlichen Teile nicht ewig in der Umlaufbahn zu lassen. Das gilt vor allem für die Raketenstufe, die den Satelliten dort hin gebracht hat. Diese Raketenstufen stürzen dann regelmäßig in der Atmosphäre. Stufen mit wiederstartbaren Triebwerken werden teilweise auch gezielt über dem Ozean zum Absturz gebracht.
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