(Dieser Artikel ist heute auch auf Golem.de erschienen.)
Eine Rakete von Blue Origin, ein Raumfahrtunternehmen des Amazon-Gründers Jeff Bezos, hat am Montag einen Flug bis knapp über die Grenze zum Weltraum vollführt und ist danach wieder gelandet. Es war das erste mal, dass eine klassische Raketenstufe in den Weltraum geflogen und erfolgreich wieder gelandet ist.
Mit der “New Shepard” sollen “Weltraumtouristen” in einer Kapsel für sechsstellige Geldbeträge einige Minuten Schwerelosigkeit erleben können, so wie Alan Shepard, der erste amerikanische Astronaut. Beim Flug zurück hängt die Kapsel mit den Passagieren an einem Fallschirm. Die Landung ist dann ähnlich unsanft wie bei der russischen Soyuz. Die New Shepard erreichte die geplante Höhe von 100,5km und die 3,74fache Schallgeschwindigkeit. Von orbitalen Geschwindigkeiten ist man damit weit entfernt, dafür müsste die Kapsel über sechsmal so schnell fliegen.
Das besondere ist die sanfte Landung der Raketenstufe, worauf Blue Orgin auch mächtig stolz ist. Die Stufe fällt nach dem Flug frei zum Boden herunter, gesteuert von einer großen ringförmigen Flosse am oberen Ende der Stufe. Diese Flosse ist zusammen mit der Kapsel auch für die etwas unanständige Form der Rakete verantwortlich. Aber das kann man auch als Gesellschaftskommentar verstehen. Zu der Flosse kommen noch einige Klappen, die den Luftwiderstand erhöhen und die Fallgeschwindigkeit absenken. Bevor die Stufe abstürzt wird dann das Haupttriebwerk neu gestartet um die Stufe über dem Boden abzubremsen. Kurz vor dem Aufsetzen wird das Triebwerk dann so weit gedrosselt, dass der Schub nur noch das Restgewicht ausgleicht und die Rakete sanft aufsetzt.
Das Prinzip ist nicht neu. Es wurde schon in den 90er Jahren mit der DC-X erfolgreich umgesetzt. Die DC-X erreichte bei ihren Testflügen aber nie mehr als 3km Höhe, bevor das Entwicklungsbudget 1996 gestrichen wurde. Genau wie die RL-10 Triebwerke der DC-X benutzt das BE-3 Triebwerk der New Shepart flüssigen Wasserstoff und Sauerstoff.
Das BE-3 ist eine Neuentwicklung von Blue Origin, ein Triebwerk im “tap-off” Zyklus. Dabei wird die Turbine für die Treibstoffpumpe direkt mit Gasen aus einem kälteren Bereich der Brennkammer angetrieben und auf einen eigenen Gasgenerator verzichtet. Würde man die heißen Gase aus der Brennkammer direkt benutzen, würde die Turbine nach kurzer Zeit schmelzen oder zumindest das Material der Schaufeln so sehr schwächen, dass sie versagen. Den Ingenieuren von Blue Origin ist es gelungen, das Triebwerk auch noch auf 20% des Maximalschubs zu betreiben. Viele andere Triebwerke können nur auf 30%-50% des Schubs gedrosselt werden, bevor die Verbrennung instabil wird.
Trotzdem deutet der Restschub von 20% auf ein ernsthaftes Gewichtsproblem hin. Zum Vergleich: Die Falcon 9 wird mit einem von 9 Triebwerken gelandet, das auf etwa 50% gedrosselt werden kann. Trotzdem ist dieser Restschub von 6% noch so groß, dass die Rakete nicht schweben kann. Stattdessen wird die Rakete bis zum Stillstand gebremst und das Triebwerk im letzten Moment ausgeschalten. Das ist so, als würde man an einem Bungeeseil hängen, das genau bis zum Boden reicht und in der letzten Zehntelsekunde das Seil durchschneiden, damit man nicht wieder vom Boden weg gezogen wird.
Wenn die New Shepard mit 20% Restschub noch schweben kann, dann muss sie extrem schwer sein. Um zu schweben, muss die Rakete bei der Landung noch wenigstens ein Viertel der Startmasse haben. Das alles, obwohl die Kapsel mit den Astronauten abgetrennt wurde. Der Anteil des Treibstoffs dürfte nicht viel größer als die Hälfte der Startmasse sein. Typischerweise liegt dieser Anteil bei Raketenstufen mit Wasserstoffantrieb bei etwa 90%. Das hohe Leergewicht der Rakete dürfte dann auch der Grund für die geringe Leistung sein.
Die Landung der New Shepard ist sicherlich bemerkenswert, aber von einer Rakete zum Flug in den Orbit ist sie noch weit entfernt. Von einem Durchbruch kann man nicht sprechen, von beeindruckenden Bildern dagegen schon.
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