Drei dieser Booster hatten steuerbare Düsen, um die Rakete trotz des höheren Schubs noch kontrollieren zu können. Trotz der Änderungen an der Rakete wurde die Steuersoftware aus der Delta II übernommen, schließlich funktionierte sie zuverlässig. Die neue Rakete wurde mit großem Selbstvertrauen und einem kommerziellen Nachrichtensatelliten (Galaxy 10) gestartet.
Der Flug war zunächst erfolgreich, aber 75 Sekunden nach dem Start geriet die Rakete in Schräglage zur Flugrichtung und musste gesprengt werden. Nein, das habe ich nicht bei der Ariane 5 abgeschrieben. Die hielt nur 37 Sekunden durch!
Die hydraulischen Steuersysteme der Boosterraketen versuchten eine 4-Hz Eigenschwingung in Rollrichtung auszugleichen. Diese Eigenschwingung wurde aber durch die Korrekturbewegungen nur noch verstärkt. Die ständigen Korrekturbewegungen führten schließlich dazu, dass dem System die Hydraulikflüssigkeit ausging und die Steuerdüsen in ihrer letzten Position stehen blieben. Die Schwingung in Rollrichtung hörte ohne die ständigen Korrekturbewegungen sofort auf. Aber die verbliebenen Steuerdüsen der ersten Stufe hatten keine Chance, gegen die Booster anzukommen. Denn zwei der Booster blieben im vollen Ausschlag stecken. (Die Raketen verwenden ein offenes Hydrauliksystem, in dem Flüssigkeit aus einem Tank bei jeder Bewegung verbraucht wird.)
Bekanntes Problem und trotzdem ignoriert
Die Problematik solcher Eigenschwingungsmoden war auch schon vor dem Flug bekannt. Es gab sie auch bei der Delta II. Wegen der Ähnlichkeit der beiden Raketen wurden aber keine eigenen Simulationen mit der Delta III durchgeführt. So groß war die Ähnlichkeit doch nicht, wie Computersimulationen erst nach dem Unfall zeigten. Die Lösung war letztlich ganz einfach. Die 4Hz wurden zu den Frequenzen in Rollrichtung hinzu gefügt, die das System bei den Korrekturmanövern ignorieren sollte.
Das funktionierte auch bei den nächsten Flügen. Allerdings versagte beim zweiten Flug das RL-10 Triebwerk der zweiten Stufe beim Wiederstart. Auch dabei ging ein kommerzieller Satellit verloren. Im dritten Flug kam endlich eine reine Testnutzlast zum Einsatz. Er war erfolgreich, aber auch der letzte Flug einer Delta III. Die Booster der Delta III wurden später noch mit der Delta II, als Delta II Heavy, benutzt. Die zweite Stufe der Delta III wurde zur zweiten Stufe der Delta IV und wird demnächst auch die zweite Stufe vom Block 1 der neuen Schwerlastrakete SLS sein.
Genau wie bei der Ariane 5 führte die Übernahme der Software von einer alten Rakete in ein neues System zum Verlust einer Mission. In beiden Fällen gab es die Überzeugung, dass die alte Software die Fehlerfreiheit garantieren würde. Aber tatsächlich wurde sie zur Ursache eines völlig neuen Problems.
Ein Kommafehler und das Schicksal eines Titan IV Starts
Kein Stück besser verlief der Start einer Titan IV Rakete am 30. April 1999. Auch sie verwendete eine Centaur Oberstufe, in diesem Fall mit zwei RL-10 Triebwerken. Sie sollte einen Militärsatelliten direkt in einen geostationären Orbit bringen. Der kam dort nie an. Die Centaur feuerte im Flug unkontrolliert die Lagekontrolltriebwerke, während die Haupttriebwerke liefen. Ohne kontrollierte Lage kommt die Stufe so aber auf keinen Fall in irgendeinen geplanten Orbit.
Die unmittelbare Ursache war eine falsch eingetippte Variable. Wie es der Untersuchungsbericht sagt:
“That failed process did not detect and correct a human error in the manual entry of the I1(25) roll rate filter constant entered in the Inertial Measurement System flight software file. The value should have been entered as –1.992476, but was entered as –0.1992476.”
Aber Tippfehler passieren, es ist Aufgabe der Qualitätssicherung solche Fehler zu finden. Die Variablen gehören zu einem System von Variablen, die Trägheitseffekte im Bezugssystem, wie zum Beispiel die Erdrotation, ausgleichen sollen. Diese eminent wichtigen Daten wurden aber nicht nochmals kontrolliert. Tatsächlich lieferte das System schon vor dem Start, auf der stehenden Startrampe, fehlerhafte Werte. Es fand sich aber niemand, der den Fehler ernst genug nahm, um den Start abzubrechen.
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