In einem Nebengebäude des Kernkraftwerks Tihange kam es gestern zu einem Brand in einem Stromverteiler. Das meldet die Brussels Times. Hinzu kam noch, dass ein Mitarbeiter in einem anderen Teil des Gebäudes ein elektrisches Kribbeln verspürte und deswegen der Betriebsregeln entsprechend ins Krankenhaus kam.
Das allein zeigt einmal mehr die Misere im deutschen Journalisums.
Denn man konnte nichts dergleichen ihn in deutschen Presseorganen finden. In keiner deutschsprachigen Meldung konnte man irgendetwas herausfinden, das über die Abschaltung und “Feuer in nicht-nuklearem Bereich” hinausgegangen wäre. Schon gar nicht, dass es in einem Nebengebäude des Kernkraftwerks war.
Zum Feuer werden ausschließlich Presseagenturen zitiert. Zu den weiteren Kommentaren ausschließlich politische Organisationen. Die Partei der Grünen ist durchweg vertreten. Niemand schafft es irgendjemanden zu interviewen oder zu fragen, der die geringste technische Ahnung von Kernkraftwerken hätte.
Politik geht im deutschen Journalismus über alles
Das ist jetzt keine einfache Behauptung. Erstens entspricht es der Beobachtung und zweitens ist es auch dokumentiert. Das zeigt ein Blick in den Ausbildungstarifvertrag für Tageszeitungen aus dem Jahr 1990. (Es ist der einzige, der sich beim Deutschen Journalisten Verband finden lässt. Ich gehe deswegen davon aus, dass er noch immer gilt. Der Vertrag hat aber mindestes das Jahr 1993 überstanden, weil es schon 5-stellige Postleitzahlen verwendet.)
Da findet sich dann in Paragraph 6, Absatz 2 des Vertrags folgendes:
“Das Volontariat erstreckt sich auf mindestens drei Ressorts. Lokales, Politik (Nachrichten) und ein drittes Ressort (z.B. Wirtschaft, Kultur oder Sport). Bei einer Zeitung ohne Lokalressort tritt ein anderes Ressort an dessen Stelle. In den Ressorts wird der Volontär/die Volontärin jeweils mindestens zwei Monate beschäftigt.”
Spannend ist schon der Ausdruck “Politik (Nachrichten)”, was eigentlich schon ein Widerspruch in sich ist. Denn der Journalismus soll in Nachrichten berichten was passiert ist. Wenn überhaupt ist Politik manchmal Gegenstand von Nachrichten, aber hier wird der Karren vor den Ochsen gespannt und Nachrichten sind plötzlich Teil der Politik.
Das hat natürlich nichts mehr mit dem zu tun, was den Sinn und Zweck des Journalismus ausmacht. Es ist eine Perversion dessen, was er tun soll. Aber es ist auch eine exzellente Beschreibung dessen, was heute in Deutschland als “Journalismus” bezeichnet wird. Nachrichten sind nur noch ein Teil der Politik, anstatt dass in den Nachrichten lediglich über Politik berichtet würde, wenn es etwas in der Politik zu berichten gibt.
Deutscher Pressespiegel zu Tihange
So ist es dann auch verständlich, dass der gesamte deutsche Journalismus absolut unfähig war eine Berichterstattung zu betreiben, die darüber berichtet, was passiert ist. (Das ist die Kernaufgabe des Journalismus. Aber wohl nur in Klammern.)
Die Zeit spricht in “Gesellschaft und Zeitgeschehen” von einem Feuer in einem Nicht-Nuklearen Bereich des Kernkraftwerks und zitiert die Grünen mit dem Wort Bröckelreaktor und sonst niemanden. Die Tagesschau bringt die praktisch identische Meldung. Bei Spiegel-Online werden zwei unterschiedliche Mitglieder der Grünen zitiert, sowie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). T-Online beschränkt sich auf die beiden Aussagen der Grünen die auch der Spiegel brachte. RP-Online zitiert wieder den grünen Regierungssprecher von NRW. Bei der FAZ kommt ein SPD-Minister zu Wort, der die Abschaltung fordert – sonst auch nur die üblichen Verdächtigen der Grünen. Das ZDF bringt eine Meldung, die der von der FAZ zum verwechseln ähnlich sieht. Die Meldung beim Deutschlandfunk ist schwer innovativ und setzt das Zitat des BBU an den Anfang. Die Aachner Zeitung ist ausführlicher und hat nach eigenen Angaben beim Betreiber des Kernkraftwerks nachgefragt – sagt aber nichts davon, dass der Brand in einem Nebengebäude stattfand, stattdessen nur “Nicht-Nuklearer Teil”. Westdeutsche Allgemeine Zeitung? BBU, Grüne, Umweltverbände. N-TV? Grüne, BBU, Grüne. SWR? SPD und Grüne.
Das sind die Meldungen in der Reihenfolge, wie sie auf meine Google-Suchanfrage erschienen.
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