Vor zwei Monaten schrieb ich einen Artikel über die Merkwürdigen Krebsfälle von Fukushima. Nach der Reihenuntersuchung von über 300.000 Schilddrüsen bei Kindern und Jugendlichen, fand man 110 Krebsfälle. Das Magazin Nature hat Mitte Dezember einen Artikel veröffentlicht, der auch von einer ähnlichen Untersuchung in Südkorea handelt. Von 1999 bis 2011 stieg die Zahl der positiven Schilddrüsenkrebsdiagnosen dort von 5 Fällen auf 70 Fälle von 100.000 Einwohnern. Ein Artikel im Lancet zu dem gleichen Fall weißt auch auf den großen Anstieg des Anteils sehr kleiner Tumore von 6% auf über 40% hin, den man auch in den Untersuchungen von Fukushima sieht. (Danke an Roel für die Hinweise dazu.)
Als ich den Artikel über die Krebsfälle von Fukushima schrieb, kannte ich diesen Fall noch nicht. Er zeigt sehr klar, wie hoch die Rate der positiven Überdiagnosen von Ultraschalluntersuchungen ist, die keinerlei gesundheitliche Konsequenzen ohne Behandlung haben. Anders als in Japan gab es in Korea keinen Anlass für die Untersuchungen, der zu irgendeiner Steigerung der Fallzahlen geführt hätte.
Die Untersuchungen in Südkorea hatten den schlichten Anlass, dass die Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse relativ billig war und die koreanische Regierung zu der Zeit ein großes Krebsvorsorgeprogramm gestartet hatte. Das bezog sich zwar auf andere Krebsarten, aber trotzdem setzte sich die Schilddrüsenuntersuchung durch, wohl wegen dem niedrigen Preis. Der Effekt der Überdiagnostizierung führte zu einem starken Anstieg der Krebsfälle, aber (natürlich) zu keinerlei Anstieg der Todesfälle durch Schilddrüsenkrebs.
Dieses unfreiwillige Experiment liefert genau die Daten, die mir beim letzten Artikel fehlten. Er belegt, das die Ergebnisse massenhaften Ultraschalluuntersuchungen in Fukushima absolut im Rahmen dessen liegt, was durch Überdiiagnosen zu erwarten ist. Bei Fortsetzung solcher anlasslosen Untersuchungen ist auch mit einer weiteren Steigerung der Zahl der Schilddrüsenkrebsdiagnosen zu erwarten.
Das Problem dabei ist die Behandlung. In den meisten Fällen erfolgte die Behandlung durch Entfernung der Schilddrüse und dauerhafte Gabe von Medikamenten zum Ersatz der Schilddrüsenhormone, bis zum Lebensende. Eine falsch positive Diagnose ist also keine Lapalie.
Es ist leider davon auszugehen, dass die Untersuchungen in Japan ungeachtet dessen fortgeführt werden. Es werden noch mehr Menschen den unnötigen Behandlungen unterzogen werden und die unvermeidlich weiter steigende Zahl der (über-)Diagnosen wird von Kernkraftgegnern als angeblicher Beweis für eine verheimlichte radioaktive Verseuchung herangezogen werden.
Es wird eine weitere der vergessenen Tragödien durch hysterische Reaktionen in Folge des Unfalls von Fukushima sein. Wie schon die Toten durch die Evakuierung der Krankenhäuser – inklusive Intensivstationen – ohne ärztliche Betreuung, von denen The Lancet schon 2012 berichtete.
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