Im letzten August habe ich über eine Firma geschrieben, die ein mikrowellenbetriebenes Raumschiff bauen wollte. Das Konzept hatte mich schon damals, vorsichtig gesagt, nicht überzeugt. Nun ist die Firma pleite.
Mein Nachruf auf Golem laß sich dann so:
Firma für mikrowellenbetriebene Raumschiffe ist bankrott
Einen Raumgleiter mit Mikrowellen von der Erde aus antreiben: Im vergangenen Juni erregte die Firma Escape Dynamics einiges Aufsehen, als sie ihr Konzept ankündigte. Sie wollte ein wasserstoffbetriebenes Triebwerk von außen durch Mikrowellen mit Energie versorgen. Rein physikalisch lässt sich damit tatsächlich der gleiche Schub realisieren wie bei einem Wasserstoff-Sauerstoff-Triebwerk – mit dem halben Treibstoffverbrauch.
Im Resultat muss ein kleinerer Teil der Startmasse aus Treibstoff bestehen, um dennoch den Orbit zu erreichen. Auf dieser Grundlage hatte die Firma ein Whitepaper verfasst und einen gerenderten Werbefilm produziert, um Investoren anzulocken.
Im August hatte ein Mitarbeiter der Firma ein längeres Interview in der wöchentlichen Raumfahrtshow TMRO gegeben. Dazu kamen diverse Versprechen auf der Webseite, die inzwischen weitgehend geschlossen ist.
Das Scheitern war absehbar
Doch das Scheitern der Firma war schon angesichts der eigenen Zahlen absehbar – dabei hat Escape Dynamics nur eine einzige konkrete Zahl veröffentlicht. Allein für die Batterien, die den Stromspeicher für die Mikrowellenemitter darstellen sollten, wurde ein Preis im Bereich von “einigen 10 Millionen Dollar” angesetzt.
Die Mikrowellen sollten mit einem Feld aus Parabolantennen auf dem Raumschiff konzentriert werden, das einen Durchmesser von etwa einem Kilometer haben sollte. Es sollte aus “mehreren Hundert” Antennen mit 8 bis 12 Metern Durchmesser bestehen. Die Konstruktionskosten dafür wurden nirgendwo erwähnt. Als Richtwert kann aber das Allen Telescope Array gelten. Dort wird ein Preis von 42 Millionen Dollar für 308 noch zu bauende Antennen mit 6 Metern Durchmesser veranschlagt.
Prototypen in Spielzeuggröße und Computergrafiken
Über den tatsächlichen Bau der Hardware oder ihre Kosten wurde nie etwas bekannt. Die einzigen Prototypen, die auch im Rahmen des Interviews mit TMRO gezeigt wurden, waren so groß wie Spielzeuge. Der Raumgleiter bestand bis zuletzt nur aus Computergrafiken. Weder die Triebwerke noch der Mikrowellenabsorber oder die schwierig umzusetzenden Wasserstofftanks aus Kohlefaserkomposit wurden jemals real gebaut. Ganz zu schweigen von einem wiederverwendbaren Raumgleiter mit Hitzeschild.
Wie schwierig und teuer sich die Entwicklung in diesem Bereich gestaltet, zeigt die als Nachfolger des Space Shuttles geplante Raumfähre X-33, in deren Entwicklung Lockheed-Martin über 900 Millionen Dollar steckte. Eines der größten ungelösten Probleme bei dem bereits 2001 aufgegebenen Projekt war der undichte Wasserstofftank aus Kohlefaserkomposit.
Escape Dynamics wollte Nutzlasten von 200 Kilogramm in einen niedrigen Erdorbit bringen und dabei die Preise der Konkurrenz um 90 Prozent unterbieten. Die Konkurrenz heißt Rocketlabs. Das Unternehmen wollte in diesem Jahr eine ebenso große Nutzlast mit einer klassischen Wegwerfrakete mit Kerosinantrieb transportieren. Die Rakete ist bereits fertig gebaut, nur die Startrampe befand sich zuletzt noch im Bau. Sie hat ein am Boden erprobtes Triebwerk und viel leichter zu handhabenden Treibstoff. Jeder Start der Electron von Rocketlabs soll 5 Millionen Dollar kosten.
Wegen der Investitionskosten wäre aber selbst mit Umsätzen von 5 Millionen Dollar pro Flug kein profitabler Einsatz des Raumgleiters von Escape Dynamics denkbar gewesen. Das Ausbleiben von Investoren für diese Firma ist insgesamt ein gutes Zeichen. Offensichtlich ist die Investitionsblase in der Raumfahrt nicht so weit außer Kontrolle geraten, dass völlig unbedacht in jedes Konzept nur aufgrund von Versprechungen investiert wird. Vielleicht ist es auch der Anfang vom Ende der Blase.
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