Bei der Entwicklung von schnelleren und effizienteren Computerchips kommen Siliziumhalbleiter inzwischen an ihre Grenzen. Um sie weiter zu verbessern, müssen die Strukturen nicht nur immer weiter verkleinert werden, sondern auch dünner werden. Im Idealfall bestehen Transistoren und andere Bauteile bald nur noch aus einzelnen Lagen von Atomen. Schritt für Schritt kommen derzeit im Labor einzelne Techniken zusammen, die genau das möglich machen.

Die erste große Hürde ist, das passende Material für Halbleiterelemente zu finden. Graphen erschien lange Zeit als große Hoffnung für solche Bauteile. Einzelne Lagen aus Kohlenstoffatomen konnten von Graphit abgelöst werden und wurden so zum ersten “zweidimensionalen” Material. Aber Graphen hat keine natürliche Bandlücke. Wie in einem Metall stehen die Elektronen sofort als freie Ladungsträger zur Verfügung, ohne erst durch zusätzliche Energie in das Leitungsband befördert worden zu sein. Diese Hürde ist aber das Arbeitsprinzip jedes Transistors.

Ohne weitere Maßnahmen ist Graphen deswegen nicht als Halbleiter geeignet und damit auch nicht als Grundlage für neue Computerchips. Um trotzdem noch einen so flachen Halbleiter zu bekommen, braucht es entweder ein besseres Halbleitermaterial oder Tricks, mit denen Graphen doch noch die nötige Bandlücke bekommt. In den vergangenen Jahren haben Materialforscher beides versucht – und sind auf beiden Wegen fündig geworden.

Im vergangenen Jahr gelang es französischen und amerikanischen Forschern, Graphen mit einer Bandlücke von 0,5 Elektronenvolt zu erzeugen. Das ist zwar weniger als die Hälfte des Werts von Silizium, sollte aber für elektronische Anwendungen ausreichen. Dazu erhitzten sie Siliziumcarbid auf 1360 Grad, woraufhin sich die oberste Schicht des Materials zersetzte und Graphen zurückließ. Die Interaktion zwischen dem Graphen und dem Siliziumcarbid führte dann zu der Bandlücke.

Weg vom Graphen

Das ist reine Grundlagenforschung und führt allein noch nicht zu einem brauchbaren Transistor. Ein Halbleiter muss nicht nur eine Bandlücke aufweisen, sondern auch zuverlässig und mit möglichst wenigen ungewollten Störstellen hergestellt werden. Anschließend muss der Halbleiter dotiert werden. Einzelne Atome werden als Störstellen eingefügt, die Ladungsträger bereitstellen (n-Typ) oder Fehlstellen erzeugen (p-Typ).

Hier sind andere Materialien viel weiter. Graphen ist nicht mehr das einzige zweidimensionale Material. Inzwischen wurden auch echte Halbleiter gefunden, die in einzelnen Lagen hergestellt werden können. Stoffe wie Molybdän oder Wolfram können zusammen mit Schwefel oder Selen echte Halbleiter bilden. Molybdänsulid hat beispielsweise eine natürliche Bandlücke von 1,8 Elektronenvolt und ist damit als Halbleiter gut geeignet.

Schon 2014 wurden Feldeffekt-Transistoren aus dünnen Schichten von Molybdänsulfid hergestellt. Allerdings kann aus dem Stoff nur ein n-Typ-Halbleiter gefertigt werden, genauso wie aus ähnlichen Stoffen, die bis dahin bekannt waren. Für CMOS-Chips, die nur bei Schaltvorgängen Strom verbrauchen, werden allerdings beide Typen gebraucht, n-Typ und p-Typ.

Vor kurzem erregte deswegen ein Artikel von Phys.org einiges Aufsehen, dem zufolge Forscher der Universität von Utah das erste stabile p-Typ-Halbleitermaterial aus Zinnoxid erzeugt haben. Das ist tatsächlich eine wichtige Entwicklung. Sie hat nur einen kleinen Haken. Schon im Januar wurde in Nature ein Verfahren veröffentlicht, mit dem einzelne Schichten aus Phosphor an der Luft stabilisiert werden können.

Von diesem Phosphoren war schon bekannt, dass es ein mögliches zweidimensionales Halbleitermaterial darstellt. Es wurde schon länger damit experimentiert und auch erste logische Schaltkreise wurden aufgebaut. Diese Experimente mussten ohne die Stabilisierung, aber unter Luftabschluss stattfinden, weil der einlagige Phosphor sonst schon nach einer halben Stunde erste Schäden zeigte.

Egal ob es bei diesen Materialien bleibt oder nicht, es sind damit nun alle Grundlagen gelegt, um eines Tages alle Teile eines Computerchips aus einzelnen Atomlagen herzustellen. Solche Laborexperimente sind allerdings noch keine massentauglichen Herstellungsverfahren. Zunächst stellen sich noch grundsätzliche Probleme bei der Herstellung. Die Bauteile werden nicht mehr aus einem einzelnen Wafer herausgearbeitet, sondern müssen aus unterschiedlichen Materialien konstruiert werden.

Massenproduktion ist noch nicht abzusehen

Damit ergibt sich die Schwierigkeit, dass diese Materialien auch verbunden werden müssen, denn auch kleine Lücken erhöhen den elektrischen Widerstand deutlich. Zumindest für die Verbindung von Graphen, Molybdän- und Wolframsulfid haben Forscher vom MIT im Januar ein Verfahren veröffentlicht, in dem Moleküle mit vielen Kohlenstoffringen benutzt werden können, um die unterschiedlichen Stoffe nebeneinander auf Siliziumoxid wachsen zu lassen und an den Grenzen trotz der unterschiedlichen Kristallmuster “zusammenzunähen”.

Zurzeit ist das Verfahren aber noch nicht für alle Materialkombinationen geeignet, und ausreichend kleine Strukturbreiten müssen auch noch demonstriert werden. Die Region, in der beide Materialien zusammenkommen, hatte in den Experimenten im günstigsten Fall noch eine Breite von 2 Nanometern. Immerhin beruht das Verfahren an sich auf klassischer Lithographie, mit der zurzeit auch Wafer in der Chiptechnik produziert werden.

Wann Chips mit Bauteilen aus einzelnen Atomlagen produziert werden oder gar zu kaufen sind, lässt sich aus keinem dieser Ergebnisse absehen. Es ist reine Grundlagenforschung, die noch weit von der Massenproduktion entfernt ist.

Dieser Artikel erschien heute früh auch auf Golem.de.

Kommentare (3)

  1. #1 fherb
    20. Februar 2016

    Die weitere Miniaturisierung hat leider trotzdem Grenzen. Neben Tunneleffekten spielt eine andere Größenordnung eine Rolle, über die man sich auch klar sein muß: Die Zahl der Ladungsträger ist eine quantisierte Größe! Es handelt sich um Elektronen oder “gleich große” Löcher.

    Mir ist das kürzlich auf der Suche nach hochempfindlichen Bildaufnehmern klar geworden: Einige Hersteller geben den Dunkelstrom bzw. dessen Rausschen nicht in pA an, sondern in Elektronen. Was verständlich ist, denn es handelt sich nach der Belichtung der empfindlichen Schicht nicht um einen Strom, sondern um eine Ladung. Und jetzt die Fakten:

    Ein bis in die Sättigung geladenes Pixel lagert um die 40.000 Elektronen ein. Ein dunkel gehaltenes Pixel hat dann um die 10 Elektronen “geladen”. Das Dunkelrauschen umfasst eine Handvoll Elektronen. Damit meine ich nicht das Handvolumen, sondern die Zahl der Finger!

    Der Maßstab dieser Pixel ist letztlich vergleichbar mit anderen miniaturisierten Transistoren und Speicherzellen. Es geht um sehr wenige Ladungsträger.

    Berücksichtigen muss man auch die elektromagnetische Verträglichkeit. Äußerlich influzierte Ladungsverschiebungen müssen unterhalb dieser Größenordnung liegen! Doch was ist die quantisierte Größenordung unter 10 einzelnen Elektronen?

  2. #2 fherb
    20. Februar 2016

    Die von mir angesprochene Quantifizierung hat natürlich nicht mit Quanteneffekten zu tun. Nicht dass der unerfahrene Leser das vermengt. Bis eben ging es nur um die “Abzählbarkeit”. Es gibt eben nur ganze Elektronen und Löcher und nichts drunter.

    Aber das ist auch im Sinne der Quantenphysik ein Problem: So kommen sich die Elektronen auf benachbarten Atomen nicht nur sehr nahe. Sie können hin und wieder auch zum Nachbaratom wechseln, obwohl die Energiebarriere das eigentlich noch nicht zu lässt. Die Ursache liegt in der Quantenphysik beschrieben. Man nennt das Tunneln.

    Nun mag es nicht stören, wenn das relativ selten passiert. Wenn Informationen aber in einzelnen Elektronen gespeichert ist, reicht das aus, eine Information zu verlieren. Bedeutet bei der Informationsverarbeitung: Die Information ist verfälscht. Oder klar ausgedrückt: sie ist schlicht weg falsch.

    Wir benötigen also Redundanz für solche Fälle. Entweder mehrere Speicherzellen / Transistoren, die parallel arbeiten und deren Ergebnis bewertet wird, oder einfach nur mehr Elektronen bzw. Löcher. Letzters bedeutet, die Strukturen (und die dazwischen wirkenden elektrischen Felder) doch nicht weiter zu verkleinern. Oder parallele Strukturen aufzubauen.

    Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte sein, dass Letzteres bzgl Fehlertoleranz besser ist. Also in weniger Materievolumen trotz Redundanz mehr unterzubringen ist, als es gröbere Strukturen erlauben. Aber das ist nur eine persönliche Vermutung.

    Wer hat die Zeit, das für uns genauer zu recherchieren. ;-)

  3. #3 fherb
    20. Februar 2016

    sorry: Im letzten Absatz muss es natürlich heißen: “…in weniger Materievolumen mittels Redundanz mehr unterzubringen ist…”