Ein schlechter Zug wird zum guten Zug
In Erstaunen versetzte die Kommentatoren, wie Alpha Go mit dem Angriff Lee Sedols auf die obere rechte Ecke umging: Lee schloss seinen Angriff so ab, dass er kein Territorium sichern sollte, sondern auf der vierten Reihe vom Rand größeren Einfluss auf das Brett sichert. Alpha Go griff diesen Stein an – auf der fünften Reihe. So weit oben, dass es üblicherweise als schlechter Zug aufgefasst wird, weil er dem Gegner zu viel Territorium gibt.
Etwas Ähnliches passierte auch schon in der Eröffnung des ersten Spiels, und genau wie dort hatte es einen guten Grund. Der zusätzliche Einfluss von Alpha Gos schwarzen Steinen auf der mittleren rechten Seite half dabei, die schwache Gruppe in der unteren linken Ecke abzusichern. Solche Strategien, bei denen Steine auf der einen Seite des Bretts einen starken Einfluss auf eine andere Seite des Bretts haben, gibt es im Go immer wieder. Sie machen einen großen Teil der Faszination des Spiels aus und Alpha Go hat sie hier meisterhaft eingesetzt.
Lee Sedol konnte sich dennoch zur Wehr setzen. Obwohl er größtenteils in der Defensive war, schloss er bis zur Mitte des Spiels wieder auf, was auch die Programmierer in den Programmstatistiken sahen. Gegen Ende des Mittelspiels geriet er aber in Zeitnot. Am Ende der regulären Bedenkzeit hatte jeder Spieler noch eine Minute pro Zug und zweimal die Möglichkeit, eine zusätzliche Minute in Anspruch zu nehmen. Diese beiden Minuten brauchte er fast sofort, in einer sehr unübersichtlichen Situation am rechten Rand.
Das Endspiel war dann geprägt vom Abtausch von Gruppen. Beide Spieler fingen Steine des Gegners, die aber ähnlich viele Punkte wert waren. Später leistete sich Alpha Go reine Sicherheitszüge. Das ist ein typisches Verhalten von Go-Programmen: Sie maximieren die Wahrscheinlichkeit des Sieges, nicht den Vorsprung. Wenn der Computer in Führung ist, führt das im Allgemeinen zu sehr knappen Ergebnissen, die aber nie gefährdet sind. Ein Computer im Rückstand neigt dagegen zu waghalsigen Zügen, die bei einem Fehler des Gegners vielleicht noch einen Sieg möglich machen könnten.
Eine klare Niederlage
Bis zum Ende des Spiels verlor Lee Sedol jeden Vorsprung, den er möglicherweise hatte und gab schließlich auf. Nach dem Spiel sagte Lee, dass er recht sprachlos sei; es sei eine klare Niederlage, bei der er sich nie in einer klaren Gewinnsituation gesehen habe. Er lobte Alpha Gos fast perfektes Spiel ohne schwache Züge. Dennoch werde er nicht aufgeben und vor allem versuchen, eine stärkere Eröffnung zu spielen, nachdem er in diesem Spiel am Anfang einen sehr konservativen Ansatz gewählt habe. Diese Ankündigung sollte nicht unterschätzt werden, denn Lee Sedol ist für seine sehr kämpferischen Spiele bekannt.
Derweil meldete sich ein junger, aufstrebender chinesischer Spieler zu Wort. Der 1997 geborene Ke Jie gilt als äußerst talentiert und wird von vielen Go-Spielern beobachtet, nachdem er seit 2014 eine Reihe sehr guter Spiele gezeigt hat. Er hat 6 von 8 Spielen gegen Lee Sedol gewonnen, wird wegen seiner sehr kurzen Go-Karriere aber noch nicht zur Weltspitze gerechnet. In einem Interview mit der Shanghai Daily sagte er, dass er Alpha Go jetzt noch schlagen könne. Doch auch er räumt sich nur eine 60-Prozent-Chance ein und glaubt, dass er in den nächsten Jahren nicht mehr werde gewinnen können. Demis Hassabis, der CEO von Google Deepmind, hat bereits angedeutet, dass Ke Jie der nächste Gegner von Alpha Go sein könnte.
Das dritte Spiel am Samstag wird über Sieg und Niederlage entscheiden.
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