Im vierten von fünf Spielen hat Lee Sedol erstmals gegen AlphaGo gewonnen. Zwar spielte sie auch zuvor nicht fehlerlos, doch war dies der erste spielentscheidende Fehler des Programms.
In der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte ein sichtlich gelöster Lee Sedol: “Hätte ich drei Spiele gewonnen und eins verloren, wäre ich jetzt sehr enttäuscht. Aber jetzt, nachdem ich drei Spiele in Folge verloren habe, würde ich diesen Sieg gegen nichts in der Welt eintauschen.”
Das hier ist mein Artikel zum gestrigen Spiel auf Golem.de. – Das Titelbild stammt aus der Liveübertragung der Pressekonferenz.
AlphaGo mit überlegener Eröffnung
AlphaGo begann das Spiel mit den schwarzen Steinen mit der gleichen Eröffnung wie das zweite Spiel. Erst im zwölften Zug wich Lee Sedol von der alten Sequenz ab und wählte ein anderes Eckabspiel, das AlphaGo zu einer anderen Reaktion zwang. Lee hatte daraufhin die Möglichkeit, die obere linke Ecke direkt anzugreifen.
Was danach folgte, war zunächst eine Demonstration der Überlegenheit durch AlphaGo. Das Programm baute sein Territorium an der oberen Seite des Bretts aus und erlangte zusätzlich starken Einfluss auf die gesamte Mitte des Bretts. Die weißen Steine Lee Sedols am oberen Rand waren praktisch tot, wie es auch die Kommentatoren bemerkten.
Eine ähnliche Situation hatte im dritten Spiel dazu geführt, dass Lee Sedol am Ende der Partie mit einer Reihe verzweifelter Züge versuchte, doch eine lebende Gruppe im Territorium des Gegners aufzubauen. Er scheiterte daran und entschuldigte sich nach der Partie für sein schlechtes Spiel, das überhaupt zu dieser Situation geführt hatte.
Ein guter Zug und ein schwerer Fehler entscheiden das Spiel
Als Lee Sedol in der heutigen Partie versuchte, das schwarze Territorium zumindest zu reduzieren, unterlief AlphaGo in einem komplexen Kampf offensichtlich eine Fehleinschätzung. Sie unterschätzte die Gefahr eines Klemmzuges (Zug 78), der zusammen mit dem Potenzial (dem “Aji”) von Schwächen in der Position der schwarzen Steine eine Sequenz ermöglichte, mit der Lee Sedol in das Territorium seines Gegners eindringen konnte. Es dauerte nach Angaben der Programmierer acht Züge, bis das Programm diesen Fehler bemerkte – da war es zu spät.
Der Zug wird bereits mit dem berühmten Zug im Rote-Ohren-Spiel aus dem 19. Jahrhundert verglichen, in dem der junge Honinbo Shusaku gegen Inoue Genan Inseki spielte und einem Beobachter bei einem Zug auffiel, dass Genan Insekis Ohren rot wurden, als er einen besonders guten Zug sah. Eine ähnliche Regung ist bei einem Computer leider nicht zu erwarten.
Michael Redmond sagte, er sei von dem Zug überrascht gewesen. Gu Li, einer der besten chinesischen Spieler, soll ihn einen “Zug Gottes” genannt haben. Aber im Livekommentar der American Go Association hatte die Profispielerin Lee Hajin den gleichen Zug gefunden, bevor er gespielt wurde. Im Video passiert dies im Kommentar nach einer Stunde und 26 Minuten.
In der Pressekonferenz meinte Lee Sedol zu dem Zug nur, dass es der einzige Zug gewesen sei, den er habe finden können, und er habe das Lob für den Zug nicht verdient. Er glaubt aber, eine Schwäche des Programms darin gefunden zu haben, dass es schlechter spiele, wenn es auf unerwartete Probleme stoße. Außerdem war er der Auffassung, dass AlphaGo mit schwarzen Steinen generell etwas schlechter spiele.
Anschließend zeigte AlphaGo die typische Reaktion von Computer-Go-Programmen, die deutlich im Rückstand sind: Sie spielen Züge, die einen schweren Fehler des Gegners erfordern würden, um zum Erfolg zu führen. Es dauerte aber bis zum Zug 180, bis AlphaGo seine Siegchancen schließlich als so schlecht einschätzte, dass sie aufgab.
Aja Huang, einer der Programmierer von Alpha Go, der auch die Steine für das Programm auf das Spielbrett legt, sagte: “Dafür sind wir hier. Wir wollen die Fehler im Programm finden und sie korrigieren, und dafür brauchen wir ein kreatives Genie wie Lee Sedol.”
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