Ein immer wieder gern diskutiertes Thema ist ja der Klimawandel an sich. Normalerweise überlasse ich hier auf Scienceblogs dieses Thema Georg Hoffmann in seinem Primaklima-Blog. Aber wenn ich schon so schön gebeten werde, mich zu äußern, geht es heute um die Frage, ob ein Orkan wie Klaus jetzt häufiger auftritt.
Eher weniger als mehr
Die Antwort ist unpopulär, weil unbefriedigend: Niemand weiß es genau. In der gesamten Klimadiskussion, auch bei den IPCC-Berichten, ist mir aufgefallen, dass immer mehr Wissen vorgetäuscht wird als wirklich vorhanden ist. Zuverlässiges zu Stürmen ist derzeit nur aus Beobachtungen abzuleiten, und hier steht eindeutig fest, dass die Zahl der Stürme in Europa sogar abgenommen hat, zu sehen etwa an einer Studie von Dr. Matulla von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geophysik Österreich (hier als PDF):
Abweichungen der geostrophischer Windstärke in Teilen Europas ab dem späten 19. Jahrhundert.
Quelle: MATULLA C., W. SCHÖNER, H. Alexandersson, H. von Storch, X.L. Wang, 2007: European Storminess: Late 19th Century to Present.
Die kräftigsten Stürme traten demnach im Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert auf. Auch in den letzten 50 Jahren kann kein signifikanter Trend hin zu häufigeren schweren Stürmen abgeleitet werden. So meldet das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in einer Pressemitteilung vom 26. September 2007, also nach Kyrill:
Es gibt in Norddeutschland nicht mehr Sturmfluten als vor 50 Jahren. Ein generell steigender Trend bei der Häufigkeit und Intensität von Sturmfluten als Vorbote des globalen Klimawandels ist gegenwärtig nicht erkennbar. […] [Es] sei zwar in den letzten 40 Jahren eine jahreszeitliche Verschiebung der Sturmflut-Aktivitäten vom Herbst hin zu den Wintermonaten Januar bis März zu beobachten. Doch dabei handle es sich nicht um durch den Klimawandel beeinflusste Schwankungen, sondern vermutlich um eine natürliche Variabilität, zeigte sich Müller-Navarra überzeugt.
Bisher lässt sich de facto also kein Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung und Sturmhäufigkeit feststellen. Die Abnahme der Stürme in den letzten Jahren kann man mit der so genannten Nordatlantischen Oszillation (kurz NAO) erklären.
Stürme und der NAO-Index
Der NAO ist ein Index, der anzeigt, wie groß die Abweichungen des Bodendrucks von typischen Mustern über dem nördlichen Atlantik sind. Sicherlich hat man schon vom Azorenhoch und Islandtief gehört. Sind Azorenhoch und Islandtief im Mittel besonders schwach bis kaum erkennbar, so ist der NAO-Index negativ, andernfalls positiv.
Bei positivem NAO-Index ist die Sturmwahrscheinlichkeit für Europa besonders groß, wie die Abbildung unten wohl am besten erklärt:
Einfluss des NAO-Index’ auf die Witterung. Positiver NAO-Index (oben) und negativer (unten). Anklicken zum Vergrößern. Quelle: NCDC / NOAA
Picken wir uns nur den Wind heraus, so sehen wir, dass ein augeprägt positiver NAO-Index den Jetstream und damit die Sturmwahrscheinlichkeit eher in unsere Breitengrade verlagert, während ein negativer NAO-Index die Stürme eher südwärts verschiebt.
Wie entstehen die Veränderungen im NAO-Index? Dazu reicht ein Zitat aus einem Vortrag von zwei Wissenschaftlern der Harvard-Universität auf dem bis dahin größten Geowissenschaftler-Treffen EGS-AGU-EUG 2003 in Nizza.
The effects of the NAO are rather well investigated. But despite a growing amount of NAO-studies, its causes are not well understood.
In der Tat müssen wir hinnehmen, dass es Phasen mit überwiegend positivem und überwiegend negativem NAO-Index gibt. Nach sehr ausgeprägten positiven Index-Phasen in den 90er Jahren gibt es momentan eher wieder Ausschläge nach unten:
NAO-Index bis heute. Quelle: CPC / NOAA
Interessant in diesem Zusammenhang übrigens, dass Ende der 90er viele Studien herauskamen, die die deutlich positiven Indizes der globalen Erwärmung zuschreiben wollten. Diese Stimmen sind nun wieder leiser geworden.
Interessant wird es übrigens auch, wenn man die momentan nicht vorhandene Sonnenflecken-Aktivität berücksichtigt.
Sonnenfleckenzyklen, unten mit Maunder-Minimum (anklicken). Quelle: NASA
Das Fehlen jeglicher Sonnenflecken bedeutet, dass unser Energielieferant weniger Strahlung auf die Erde schickt. Dass dies das Klima maßgeblich beeinflusst, ist eine triviale Feststellung. Könnte daher die Sonnenaktivität der eigentlich treibende Faktor bei der Umkehr des NAO-Index’ sein?
Zwei völlig unterschiedliche Ergebnisse
Auf der Meteorologentagung DACH im Jahr 2007 wurde der NAO-Index im Maunder Minimum und heute untersucht. Im Vergleich der beiden an sich negativen NAO-Phasen erkennt man eine Verschiebung hin zum Positiven, wodurch die Westwinde in mittleren Breiten zunehmen. In der Zukunft soll es Modellrechnungen zu Folge häufiger zu stratosphärischen Erwärmungen kommen, was häufiger zu einem so genannten Polar Split führt, den wir gerade massiv erleben und von dem ich in meinem Februar-Post berichtete. Das Fazit ist laut DACH jedenfalls, dass es in Zukunft wieder häufiger negative NAO-Index-Phasen gibt und Stürme dann eher in Südeuropa auftauchen.
Ändern wir nun die Perspektive und lassen die Variabilität der Sonneneinstrahlung außer Acht. Im STOWASUS-Projekt (Endbericht als PDF) wurde ebenfalls die Zukunft der Winde untersucht mit Hinblick auf die Gefahr künftiger Sturmfluten. Dabei wurde von einer Verdopplung von CO2 ausgegangen. Randbedingung waren die Ozeantemperaturen eines grob aufgelösten Modells, für die Windberechnung wurde ein höher aufgelöstes für den südlichen Nordseeraum genutzt. Das Ergebnis: Bei großer Unsicherheit ist die Wahrscheinlichkeit für eine Windzunahme im Bereich der Deutschen Bucht am größten.
Zum Schluss noch ein Zitat aus einer Literaturübersicht (PDF), das die Unsicherheit in Sachen Sturm-Entwicklung belegt:
Unterschiedliche Ergebnisse gibt es auch für die Zusammenhänge zwischen den zukünftigen Zugbahnen von Stürmen und der Sturmaktivität über Europa[…]So wurde in einer Studie beispielsweise keine zukünftige Nordverlagerung der atlantischen Zugbahnen festgestellt, wohl aber ein Zusammenhang zwischen erhöhter Sturmhäufigkeit und ansteigenden Treibhausgaskonzentrationen (Lambert und Fyfe 2006). Es gibt jedoch auch Anhaltspunkte für eine Nordverlagerung der Zugbahnen von Stürmen über dem Nordatlantik sowie für eine Abschwächung der Zugbahnen über dem Mittelmeerraum (Bengtsson et al. 2006b)[…]
Typisch Klimawandel: Man weiß wenig
Das Fazit kann nur lauten: Warten wir’s ab. Die Prognosen der vergangenen 20 Jahre konnten die heutige Lage wirklich nicht treffsicher voraussagen. Grundsätzlich zeigt sich bei allen Prognoseversuchen über zukünftige Stürme das, was sich bei grundsätzlich jeder Klimawandel-Diskussion zeigt:
Alle Forscher müssen sich immer nur einen Teil des Gesamtsystems Atmosphäre-Ozean herauspicken, damit die Modelle mit der heutigen Computerleistung in angemessener Zeit Ergebnisse liefern können. Dabei betrachtet jedes Forschungsprojekt einen bestimmten Satz für sie relevanter Daten. Es hat sich aber oft gezeigt, dass das Ergebnis solcher Prognosen ganz anders aussehen kann, wenn man andere Einflussfaktoren berücksichtigt.
So scheint das Gesamtsystem mit all seinen Rückkopplungen zu komplex zu sein, um wirklich simuliert werden zu können. Die Klimaforschung steckt also noch in den Kinderschuhen, und wir können davon ausgehen.
Was ist die Rolle von Orkan Klaus dabei? Ich möchte es bildlich klar machen: Wenn man eine Hand voll Nägel hat und sie auf den Boden fallen lässt und ein Nagel trifft den großen Zeh: Treffen in Zukunft dann immer mehr Nägel den großen Zeh?
[Nachtrag 28.01.09, 20:10 Uhr]: Sehr empfehlenswert in dem Zusammenhang ist die aktuelle Beilage zur Berliner Wetterkarte vom 27.01.09: “Die ruhige Sonne” von Prof. Dr. Horst Malberg, ehemaliger Direktor des Instituts für Meteorologie an der FU Berlin. Er ist der Auffassung, dass nach wie vor die Periodizität der Sonnenfleckenaktivität die treibende Kraft hinter dem Klimawandel ist (Zitat in den Kommentaren). Hier das Dokument als PDF.
Oben links in diesem Artikel finden Sie ein Bild von Zerstörungen nach Orkan Klaus in Bordeaux von Alizée Vauquelin. Bestimmte Rechte vorbehalten.
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