Wie schnell und wie intensiv sich die so genannte “Schweinegrippe” verbreitet, hängt offenbar auch vom Wetter ab. Auf Dr. Jeff Masters’ WunderBlog ist jetzt ein Eintrag erschienen, der die bisherigen Forschungsergebnisse zum Thema “Influenza und Wetter” gut zusammenfasst.
Dabei geht es in erster Linie um eine Studie aus dem Jahr 2007, die an der Mount Sinai School of Medicine in New York an Meerschweinchen durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler um A.C. Lowen wollten herausfinden, ob sich Influenza-Viren tatsächlich bei niedrigen Temperaturen und geringer Luftfeuchtigkeit am besten vermehren. Denn Grippewellen treten normalerweise im Winter auf.
Dazu sperrten sie Meerschweinchen in benachbarte Käfige, ein gesundes neben ein infiziertes. Meerschweinchen sind sehr empfänglich für Influenza-Viren, zeigen aber keine markanten Symptome. Es sollte nur die kontaktfreie Übertragung untersucht werden, darum wurde mit einem Ventilator die Luft vom kranken hin zum gesunden Meerschweinchen befördert.
Grippe-Übertragungs-Modell
Zusammen mit vorangegangenen Studien konnten dabei die Annahmen bestätigt werden: Das Influenza-Virus ist bei niedrigen Temperaturen am stabilsten, die Infektionsrate nimmt in Richtung 30°C stetig ab. Bei der Luftfeuchtigkeit verhält sich die Sache etwas komplexer:
- Am stabilsten zeigt sich das Influenza-Virus bei trockener Luft (20-30% Luftfeuchtigkeit) und wieder bei sehr feuchter ab 80%. Bei 50% Luftfeuchtigkeit findet die geringste Verbreitung statt.
- Bei feuchter Luft in der Nähe der Sättigung (100% relative Feuchte) kommt dennoch kaum eine Tröpfcheninfektion über eine räumliche Distanz zustande. An die kleinen, mit Viren “verseuchten” Tröpfchen lagern sich nämlich weitere an. Dadurch werden die Tropfen zu groß und zu schwer und fallen aus, bevor sie einen anderen Körper erreichen können.
Dies führt zu folgender Abhängigkeits-Grafik:
Abhängigkeit der Infektionsrate von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Aus: Lowen, A.C., S. Mubareka, J. Steel, and P. Palese, 2007, “Influenza Virus Transmission Is Dependent on Relative Humidity and Temperature”, PLos Pathogons, Oktober 2007
Populärer Irrtum aufgedeckt
Die Forscher untersuchten bei niedrigen Temperaturen dabei auch den Zustand des Immunsystems der Meerschweinchen, konnten aber keine Anzeichen von Stress feststellen. Es handelt sich also um einen der berühmten “populären Irrtümer”, wenn die Verbreitung der Grippe im Winter einem geschwächten Immunsystem zugeschrieben werden.
Bei Temperaturen über 30°C konnte sogar keine Infektion über den Luftweg mehr nachgewiesen werden. Man kann also davon ausgehen, dass Influenzaviren in den Tropen so gut wie ausschließlich über direkten Körperkontakt übertragen werden.
Globale Erwärmung = Weniger Grippe?
Das würde auch bedeuten, dass bei einer globalen Erwärmung (so sie denn eintritt) die Anzahl der Grippe-Infektionen rückläufig sein sollte, denn mit der Temperatur sollte den Modellen zufolge auch die Luftfeuchtigkeit steigen.
Was ist an der Schweinegrippe anders?
Ungewöhnlich ist demnach, dass sich die Schweinegrippe jetzt im Mai so gut verbreitet. Virologen behaupten, dass im Gegensatz zu den bekannten Influenza-Viren die Epidemien oder sogar Pandemien aus neu entstandenen Erregern zu jeder Jahreszeit verbreiten können, da unser Immunsystem hierfür völlig unvorbereitet ist.
Dr. Jeff Masters hält es daher für denkbar, dass – ähnlich wie bei der spanischen Grippe 1918 – auch bei der “Schweinegrippe” mehrere Wellen auftreten. Die erste solle im Sommer bei steigenden Temperaturen abebben, dann könnte aber eine zweite im Herbst folgen. Diese könnte dann durch eventuelle Mutationen noch weitaus gefährlicher sein.
Es bleibt also, wie es ist: Nichts Genaues weiß man nicht, und alles ist noch möglich.
Quellen:
Lowen, A.C., S. Mubareka, J. Steel, and P. Palese, 2007, “Influenza Virus Transmission Is Dependent on Relative Humidity and Temperature”, PLos Pathogons, October 2007.
Lowen, A.C., S. Mubareka, J. Steel, and P. Palese, 2009, “High Temperature (30°C) Blocks Aerosol but Not Contact Transmission of Influenza Virus”, Journal of Virology, June 2008, p. 5650-5652, Vol. 82, No. 11 0022-538X/08/$08.00+0 doi:10.1128/JVI.00325-08
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