Eigentlich sind es Regionen, die im März das Ziel sind für Reisen, um schon einmal den Frühling zu genießen. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Zuerst steckten Barcelona und Nîmes im Schnee fest, gestern am Mittwoch traf es Mallorca mit bis zu 30 cm Neuschnee. In Norditalien blieben Dutzende im Schnee stecken, in Kroatien und Slowenien wurden Straßen gesperrt: Schnee und Orkanböen über 150 km/h. Was ist am Mittelmeer los?

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Schnee in Barcelona am 08.03.2010, fotografiert von diluvi. Bestimmte Rechte vorbehalten

Die Anhäufung dieser Extremwettermeldungen ist dabei durchaus unüblich, und zweistellige Zentimeterzahlen von Neuschnee hört man im März nicht so häufig aus Südeuropa. Wie kommt es also zu diesem Schneechaos am Mittelmeer? Selbstverständlich hängt das ungewöhnliche Wetter mit einer seltenen Strömung der Atmosphäre zusammen.

Beginnen wir mit Spanien, denn wenn wir diese Wetterlage beleuchtet haben, wird der Zusammenhang mit den üblichen Meldungen schnell klar. Noch besser: Beginnen wir mit der derzeitigen Kälte in Deutschland. Grund hierfür ist nämlich das kräftige Hoch Isidor, eine kräftige Hochdruckzone mit Schwerpunkten über den Britischen Inseln und der Ukraine. Da ja die Luft mit dem Uhrzeigersinn aus dem Hoch ausströmt, schiebt es die arktische Luft über das russische Festland an seiner Ostseite mit dem Nordostwind nach Deutschland und weiter in den Südwesten.

Diese trocken-kalte Festlandsluft war auch der Grund, warum es vorgestern Nacht in Sohland an der Spree in Sachsen noch einmal -21°C Tiefsttemperatur gab. Jedoch machte die Kaltluft in Deutschland nicht halt, sondern schob über Frankreich weiter auf die Iberische Halbinsel zu. Hier spaltete sie sich ab, und es blieb ein abgeschlossener Bereich kalter Luft übrig, ein Kaltlufttropfen, der auf der Temperaturkarte von heute, 1 Uhr MEZ über dem Mittelmeer gut zu erkennen ist:

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Temperatur in 850 hPa, ca. 1,5 km Höhe am 11.03.2010, 1 Uhr MEZ. Quelle: MeteoGroup

Im Bereich dieses Kaltlufttropfens hat sich aber von Sonntag auf Montag ein Tief namens Andrea gebildet, dass es aufgrund dieser Temperaturunterschiede in sich hat. Abgesehen von dem, was ich hier abbilde, bekam es von Anfang an in der Höhenströmung so genannte positive Vorticityadvektion mit, das ist ungenau gesprochen “Wirbelhaftigkeit” gegen den Uhrzeigersinn. Man kann sich das so vorstellen wie in alten Zeiten, als man mit der Peitsche noch einen Kreisel antrieb. Dieser Antrieb kommt von dem Rand des Jetstreams, eines Starkwindbandes in der Höhe, das immer noch ungewöhnlich weit südlich verläuft, obwohl es um diese Jahreszeit im Mittel eher bei uns in Mitteleuropa sein sollte.

Sonderfall Adria – Die Bora

Mit diesem Antrieb und dem starken Temperaturunterschied zwischen relativ mildem (aber nicht zu mildem) Mittelmeer und kalter Höhenluft konnte sich das Tief prächtig entwickeln. Und an seiner Nordseite, wo die Meeresluft mit der Kaltluft vermischt wird, entstehen dann auch Schneefälle, die wegen des Feuchtigkeits-Inputs auch entsprechend intensiv ausfallen. Dass an der Adria diese extremen Windgeschwindigkeiten dazu auftreten, liegt an einer besonderen Konfiguration der atmosphärischen Strömung, aber auch der Orografie, also der Anordnung der Gebirge.

Denn aus dem Hochzentrum bei der Ukraine weht die arktische Festlandsluft über das Schwarze Meer mit Nordostwinden auf die Adria zu. Bei Kaltluftausbrüchen aus dieser Richtung kommt es besonders im Winter zu der hier gefürchteten Bora, das ist ein Fallwind, der dann entsteht, wenn die schwerere kalte Luft nach unten hin beschleunigt und durch die Gebirgstäler kanalisiert wird. In diesem Fall ist es das Dinarische Gebirge auf der Balkanhalbinsel:

Dinarisches Gebirge Topographie

Topographie des Dinarischen Gebirges. Abbildung von Felix Reimann, bestimmte Rechte vorbehalten

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Bora-Lage: Bodendruck und Windrichtung am 10.03.2010. Quelle: MeteoGroup

Der Pfeil zeigt dabei die Richtung des kalten Fallwindes an. Durch Kanalisationseffekte in den in Richtung Adria orientierten Tälern kann die Bora Böen bis zu 200 km/h bringen. Gleichzeitig kam aber jetzt auch das Tief Andrea über das Mittelmeer anmarschiert, sodass in der nördlichen und östlichen Adria Orkanböen und Schnee zusammen kamen. 150 bis 160 km/h Windspitzen und Starkschneefall. Eine ungünstige Kombination, die durchaus an einen Blizzard erinnert mit entsprechendem “Whiteout”-Effekt, also dem Orientierungsverlust durch starken Schneefall, da man Himmel von Boden nicht mehr unterscheiden kann. Wer im Moment dort steht, dem wird “unsere” Daisy wie ein laues Lüftchen vorgekommen sein…

Kommentare (14)

  1. #1 Franz Nörgel
    März 11, 2010

    der eingezeichnete pfeil gefällt mir nicht besonders gut, nicht nur wegen der farbe.
    die starken bora fallwinde traten überwiegend viel weiter nördlich auf. insel krk meldetet böen über 200km/h und noch etwas weiter nördlich schneite es auch bis auf meeresniveau, bei zarten + graden bzw. um 0 grad. die luftmasse über dem festland war also extrem kalt und somit sehr schwer im relativen vergleich. rein hydrostatisch baute sich da schon mal ein ordentlicher gradient auf.
    dann passte auch noch die lage des mittlelmeertiefs sehr gut. der kern noch ca. über sradiien und die lufströmung streichte bei der kroatischen küste aus oso daher und verstärkte die böen teilweise rein vektoriell und dann eben noch der gradient zwischen hoch nund tief allgemein und natürlich, wie schön angeführt, dass gebirge mit den tälern und furchen und die kanalisationswirkungen.

    an blizzard änliche bedingungen an der adria glaube ich nicht. ich habe mir an diesem tag einige webcams angesehen. dirket an den küsten war es doch etwas zu mild und es fehlte ja eine schneedecke von davor. vielleicht gab es ein paar hundert höhenmeter darüber irgendwo sg. white outs, aber auch nur vielleicht.

  2. #2 Frank Abel
    März 11, 2010

    Hallo, Herr Nörgel mal wieder,

    der Pfeil ist als Skizze zu verstehen und als solcher schon okay, zeigt er doch nichts weiter als die Hauptwindrichtung und erhebt keinen Anspruch auf Perfektion.

    Danke für die zusätzlichen Informationen, für derartige Detailanalysen habe ich leider keine Zeit. Dass Whiteouts in Höhenlagen eher wahrscheinlich waren, ist natürlich sicher. Ansonsten haben Sie meinen Artikel gut noch einmal zusammengefasst.

  3. #3 Zellerman
    März 12, 2010

    Ich habe 12 Jahre am Mittelmeer gewoht, 10 Jahre Ligurien und zwei Jahre Nordtunesien. Ich kann mich an mehrere Winter erinnern wo wir tief Schnee unten am Strand hatten (hinter Genua gehts steil rauf und da oben ist sowieso in jedem Winter Schnee, die Freunde da oben erzählten das oft und man konnte es unten kaum glauben wenn es warm war). Wegen der steilen Aufstiege haben die Stadtbusse dann Schneeketten. Und auch in Tunesien habe ich heftigen Schneefall am Cap Bon erlebt. Andererseits gab es viele Winter ohne Schnee der liegenblieb. Insofern sind für mich die aktuellen Schneefälle nichts aussergewöhnliches.

    Viel problematischer ist, dass es immer noch viele Häuser dort gibt die keine Heizung haben. Als damaliger Student mit knapper Kasse (umgerechnet 230 Euro/Monat) gabs nichts anderes, und nur wenige Freunde hatten Heizung. Von der Uni war man die Heizung auch nur von einigen der Hörsäle gewöhnt. Die alten hatte keine. Zum Aufwärmen auf dem Weg nach Hause hat man sich manchmal in der lauwarmen Post aufgewärmt, bis das auffiel und rauskomplimentiert wurde (es gibt dort gesetzliche und komunale Vorschriften über maximale Büro- und Wohnungstemperaturen die über die Zeitung in Abhängigkeit zur Aussentemperatur veröffentlicht wurden). Dann probierte man geheizte Buchgeschäfte aus usw. Wegen der günstigen Stromtarife, wenn man sich in Italien zu Hause für einen <1 KW Stromanschluss entschied (für die ganze WG), flog die plombierte Spezialsicherung bei jedem Heizlüfter raus. Folge: Schlafsack auch im sitzen am Schreibtisch. Das gleiche in Genua, Rom oder Tunesien: eiskaltes Besteck und Pullover+Mantel wenn man billig essen ging und beim sprechen Dampfwolken verbreitete. Ich habe nie wieder so gefroren wie da unten ! Aus Verzweifeleung habe ich in jedem Winter so ab Februar eine Temperaturkurve mit täglicher Forsetzung gemalt, um zu erkennen obs einen Aufwärtstrend gab.
    P.Z.

  4. #4 Zellermann
    März 12, 2010

    Fortsetzung:

    Wegen der günstigen Stromtarife, wenn man sich in Italien zu Hause für einen <1 KW Stromanschluss entschied (für die ganze WG), flog die plombierte Spezialsicherung bei jedem Heizlüfter raus. Stromsparen war damals auch die Politik der oft überlasteten (halbstaatlichen) Stromversorger. Folge: Schlafsack auch im sitzen am Schreibtisch. Das gleiche in Genua, Rom oder Tunesien: eiskaltes Besteck und Pullover+Mantel wenn man billig essen ging und beim sprechen Dampfwolken verbreitete. Ich habe nie wieder so gefroren wie da unten ! Aus Verzweiflung habe ich in jedem Winter so ab Februar eine Temperaturkurve mit täglicher Forsetzung gemalt, um zu erkennen obs einen Aufwärtstrend gab.
    P.Z.

  5. #5 Geoman
    März 12, 2010

    In meiner Geschichte über “Kraniche und Klimaforscher” habe ich fabulierend vermutet, dass die Kraniche trotz der anhaltenden Kälte so früh am mitteleuropäischen Himmel aufgetaucht sind, weil sie auf das Mainstream-Gequatsche von Klimaerwärmungsforschern hereingefallen sind, und sich nicht auf ihren untrüglichen Instinkt verlassen haben:

    https://www.kritische-naturgeschichte.de/Seiten/klima_der_angst.html#kraniche

    Jetzt muss ich die Geschichte vielleicht ändern und ergänzen, dass sie so zeitig aufgebrochen sind, weil sie schon in ihren Winterquartieren kalte Füße bekommen haben.

    Danke für den informativen Bericht.

  6. #6 Franz Nörgel
    März 12, 2010

    @geoman

    passend dazu:
    https://vorarlberg.orf.at/stories/428572/

    ich denke, dass es gar nicht so viele klimaforscher gibt, welche wirklich an die apokalyptischen verkündungen offizieller stellen glauben.
    im meteorologen kreis ist doch eine große mehrheit der ansicht, ja freilich muss mehr co2 zu einer bodennahen t erhöhung führen, aber zu einer moderaten, weil wir die extrem hoch angesetzten positiven feedbacks für nicht realistisch halten.

    hast sich dazu unser autor frank abel bereits einmal deutlich geäußert?
    (als agw verfechter kommt er mir mal nicht gerade vor…)

  7. #7 Geoman
    März 12, 2010

    @ Franz Nörgel

    Vielen Dank für den intessanten Link, den ich meiner Geschichte vertiefend hinzufügen werde. Ich habe auch den Eindruck, dass die Meterologen die Klimaerwärmungsfront deutlich entspannter sehen als ihre ambitionierten Kollegen aus der Klimaforschung. Und das ist auch gut so!

  8. #8 Krishna Gans
    März 14, 2010

    @’Geomann
    Da hat Sie jemand gern…..
    Siehe auch diverse folgende Kommentare auf diesen Mißgriff

  9. #9 Krishna Gans
    März 14, 2010

    Da ist was um 00:15 im Datennirwana verschwunden… ( wg Link ? )

  10. #10 Frank Abel
    März 15, 2010

    Hallo Krishna Gans,

    mag sein – habe es aus dem Nirwana zurück holen müssen…

  11. #11 Geoman
    März 15, 2010

    @ Krishna Gans

    Danke für den Hinweis. Was ist denn ein bekennender Kreationist? Kreationisten sind immer bekennend! Ich bin weder das eine noch das andere und wenn überhaupt ein notorischer Querulant!

    Es ist immer das gleiche, wenn liebgeordene Grundüberzeugungen bedroht sind, werden statt der Argumente die Personen niedergemacht. Da denke ich mir dann, lass sie ruhig Heucheln und Lügen verbreiten: Viel Feind viel Ehr!

  12. #12 Krishna Gans
    März 15, 2010

    @Geoman
    Da müßte man diesen Thorsten fragen, ich weiß auch nicht, was der meint, hat ja entsprechend Kontra bekommen, der Eumel ;.)

  13. #13 Krishna Gans
    März 15, 2010

    @Frank Abel
    Danke

  14. #14 Geoman
    März 15, 2010

    @Krishna Gans

    Erst bei der detaillierten Lektüre der Diskussion habe ich gerde bemerkt, wie heroisch Du mich verteidigt hast. Das hätte ich kaum besser machen können und schon gar nicht so glaubwürdig, weil man als Subjekt solcher gezielten Verleumdungen immer in der Defensive ist.

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