Ich nehme an, Ihr habt schon vor einer Hühnersuppe gesessen und auch die Fettaugen betrachtet, die Euch angesehen haben? Von so einem Fettauge möchte ich heute erzählen, allerdings aus meteorologischer Sicht.

Denn genau wie dieses Fettauge eiert auch ein so genanntes Höhentief durch die Troposphäre, wenn es sich erst abgelöst hat. Ein Höhentief kann auf mehrere Arten entstehen, meist entsteht es aber als so genannter Kaltlufttropfen. Dabei löst sich bei einem Kaltluftvorstoß ein abgeschlossenes Gebiet kalter Höhenluft wie ein Tropfen ab und bewegt sich dann durch die Atmosphäre.

Ein solches Höhentief ist zunächst auf den Bodenwetterkarten, die wir aus alten Zeiten der Tagesschau oder aus den Zeitungen kennen, nicht zu sehen. Warum erzähle ich das heute alles? Weil sich gerade ein solcher Kaltlufttropfen abgelöst hat von einem Kaltluftvorstoß aus Skandinavien. Und hier ist er deutlich zu sehen anhand der Temperaturen in etwa 5,5 km Höhe:

Kaltlufttropfen

Das Höhentief entsteht. Hier die Analyse von heute, 15.06.2010 um 2 Uhr MESZ. Quelle: wetter24.de

Warum “Fettauge” so gut passt:

Wie wir sehen, bewegt sich dieses kleinräumige Höhentief über dem westlichen Europa auf Spanien und Frankreich zu. Aber wohin dann? Keiner weiß es genau, nur eine grobe Richtung kann man aufgrund der Strömung vorgeben. Darum mag ich diesen Vergleich mit dem Fettauge in der Suppe, denn wenn man mal versucht hat, vorsichtig einen Löffel in der Suppe zu bewegen, wird einem auffallen, dass man auch hier den Weg des Fettauges nicht genau vorherbestimmen kann, nur eine ungefähre Richtung. Genauso ist es hier auch: Das Höhentief wird wohl einen Weg weiter zunehmend nach Südosten und dann Osten nehmen, um dann im Alpenraum für ordentlich Wasser zu sorgen.

Heute sorgt die kalte Luft in der Höhe zunächst einmal dafür, dass die Luft unter ihr aufsteigt. Das bedeutet, dass in Folge über Frankreich auch ein Bodentief entsteht, und die nassen Auswirkungen merkt man ja bereits im südlichen Deutschland.

Nur schwer vorhersagbar

So sind die Details und die genaue Zugbahn auch bei den verschiedenen Vorhersagemodellen recht unterschiedlich. Selbst von einer Berechnung zur nächsten gibt es momentan große Unsicherheit, wie sich das Höhentief in dieser Woche weiter verhalten wird. Während das amerikanische Modell GFS derzeit das Tief über den Westalpen quasi “verhungern” und ausregnen lässt, berechnet das europäische Vorhersagemodell ECMWF einen neuen Schwerpunkt über den Ostalpen und lässt dann das Höhentief über Tschechien und Polen weiter zum Baltikum ziehen – die Folge hiervon wären dann am Wochenende für uns alle zu spüren.

Was lässt sich dann überhaupt vorhersagen?

Die Tendenz indes ist eindeutig. Bis dahin herrscht im Norden Deutschlands oft freundliches und ruhiges Wetter, da ein Hoch über dem nördlichen Ostatlantik bis hier aktiv ist. Ein paar Wolkenfelder in der kalten Luft sind zwar immer mal möglich, mehr als einzelne, akademisch zu messende Tropfen sollten aber nicht fallen.

Im Süden dominieren dagegen die Wolken, und diese werden immer weiter nördlich vorankommen, morgen etwa bis zu den nördlichen Mittelgebirgen. Gerade in Baden-Württemberg und Bayern wird es also nass, und hier und da sind ganz schön ordentliche Regenmengen mit dabei. Ab und zu sind auch Blitz und Donner möglich, und mit nur wenig Sonne wird diese Lage wohl auch bis mindestens Freitag anhalten, im Südosten Bayerns sogar weit bis in das Wochenende. Für München steht also eine sehr nasse Zeit ins Haus, für Hamburg eine ziemlich freundliche und trockene, im Osten Deutschlands herrscht gebietsweise die höchste Waldbrandwarnstufe wegen anhaltender Trockenheit.

Am Wochenende Heizung an?

Spannend wird dann die Entwicklung auch mit Blick auf die Temperaturen. Sollte das europäische Modell Recht behalten, so wird das Tief ja weiter in Richtung Baltikum ziehen (dieses ECMWF-Modell hat übrigens nach wie vor die beste Trefferquote). Gleichzeitig zieht sich das Hoch etwas weiter auf den Atlantik zurück, wir befinden uns in Deutschland also zwischen Hoch im Nordwesten und Tief im Nordosten.

Da Hochs mit dem Uhrzeigersinn, Tiefs aber entgegengesetzt “drehen”, würde diese Kooperation dann die polare Luft aus Skandinavien anzapfen und nach Deutschland schaufeln. Wir würden dann also die kälteste Luft bekommen, die in dieser Jahreszeit überhaupt möglich ist. Hier die Temperaturprognose ECMWF für Samstag, 19.06.2010:

Temperaturen 5,5 km Höhe

Temperatur auf 500 hPa (im Mittel 5,5 km Höhe), ECMWF-Prognose für Samstag, 19.06.10, 20 Uhr. Quelle wetter24.de

Das würde dann Schauerwetter bedeuten mit in Mecklenburg bei maximal(!) 12 bis 14°C und mit Müh’ und Not im Süden gerade noch 20°C. Zu warm wird der Juni also wohl insgesamt auch eher nicht ausfallen…

Kommentare (10)

  1. #1 Jochen
    Juni 15, 2010

    Ein eindrückliches Bild, die Suppe, die uns anschaut…! 😉 Und die Parallelität ist ja tatsächlich gegeben, wenngleich in verschiedenen Medien.

    Die Gelegenheit, einen Meteorologen “an der Hand” zu haben, muss ich sogleich ausnützen: seit längerer Zeit bewegt mich die Frage, warum in den letzten Jahren die Wetterlagen so häufig von den so genannten Genua-Tiefs bestimmt zu sein scheinen… Oder täuscht mich das? Vor zehn, fünfzehn Jahren schien mir diese Wetterlage eher die Ausnahme zu sein, doch in den letzten beiden Sommern und auch dieses Jahr wieder wird’s – so kommt es mir vor – zur unangenehmen Regel?…
    Neugierige Grüße, Jochen

  2. #2 Jörg Friedrich
    Juni 15, 2010

    Toll erklärt, Herr Kollege!

    @Joachim: Das Genua-Tief gab es schon immer, es gehört zur berühmten Vb-Wetterlage Vb ist die einzige “Zugstraße” der Tiefdruckgebiete, die von der alten Nomenklatur übrig geblieben ist, gerade weil sie so häufig ist. Vielleicht wird heute gerade deshalb öfter vom Genua-Tief gesprochen, weil die Verwendung der Bezeichnung Vb ja nahelegt, dass es auch noch I, II, III, IV und Va geben müsste.

  3. #3 Dagmar Behrendt
    Juni 16, 2010

    Ich hasse Hühnersuppe! Und Fettaugen auch!

  4. #4 Frank Abel
    Juni 16, 2010

    Vielen Dank, das Kompliment kann ich gleich zurück geben.

    In der Tat ist es so, @Jochen, dass von der alten Bezeichnung nach van Bebber nur noch Vb übrig geblieben ist. Was man allerdings auch sagen muss ist, dass wir es mit einer ungewöhnlich hartnäckigen Strömungskonfiguration zu tun haben, die ich selbst in der Ausdauer noch nicht erlebt habe.

    Seit Dezember kehren wir immer wieder zu einer Hochdruck-Blockade des nördlichen Ostatlantik zurück, sodass die Tiefs auf die südliche Zugbahn über das Mittelmeer gezwungen werden. Hier ergibt sich dann die berüchtigte Genua-Zyklogenese, also Tiefdruckentwicklung und/oder -verstärkung mit nachfolgenden Konsequenten für die Südalpen und dann das östliche Europa.

    Das Genua-Tief ist dem Latif sein Tod.

  5. #5 Soph
    Juni 16, 2010

    Und was ist eigentlich aus dem Azoren-Hoch geworden?
    Als Kind dachte ich immer, Azoren wären sowas wie Isobaren oder Fronten, meteorologische Fachausdrücke eben 🙂 .

    Auch wenn ich nun viel seltener Wettervorhersagen aus dem Fernsehen konsumiere – mir kommt vor, die werden gar nicht mehr genannt.

  6. #6 Jochen
    Juni 16, 2010

    Danke, Frank! Also liege ich mit meinem Bauchgefühl nicht ganz falsch.
    Dieselbe Konstellation scheint aber auch die Sommer 2008 und 2009 über weite Strecken beherrscht zu haben.
    Als ehemaliger Segelflieger habe ich mir halt eine gewisse “Affinität” zum Wettergeschehen erhalten und kann mich eben aus meinen aktiven Jahren 1980-2000 erinnern, dass diese Vb-Wetterlage seinerzeit eher die Ausnahme denn die Regel darstellte. Viel mehr waren damals häufiger die sommertypischen (?) Ostwetterlagen mit trockener Festlandsluft gegeben. (Das “Azorenhoch” kenne ich aus dieser Zeit auch noch…;-) ) In den letzten Jahren glaube ich eine Verlagerung der Hauptströmungsrichtung (für den süddeutschen Raum) aus SW zu bemerken.
    Doch wahrscheinlich gehören all diese Effekte zu einer periodischen Schwankung, die ich mangels größerer Anzahl von Lebensjahren einfach nicht erkennen kann…

    Gruß aus dem trübkühlen Stuttgart (16. Juni – 16 °C)

  7. #7 Jörg Friedrich
    Juni 16, 2010

    @Soph: Das Azoren-Hoch gibt es immer noch! Man sieht es sogar auf der kleinen Wetterkarte, die Frank Abel oben dargestellt hat. Direkt über den Azoren wölben sich da die Isohypsen zum Hoch. Auch in der aktuellen Bodenanalyse (links auf Bodenfronten Analyse Europa 16.06.2010 06 GMT klicken) ist es – leicht nach Norden verschoben – zu sehen.

  8. #8 Franz F
    Juni 17, 2010

    Also ich mag diese Fettaugen ganz und gar nicht. Ich glaube das Ding ist gestern bei uns gelandet (östlich von Wien) und hat meinen Keller noch mehr überschwemmt.
    Seit zwei Wochen drückt das Grundwasser von unten rein und geht nimmer weg und seit gestern ist es noch 10 cm höher 🙁

  9. #9 Frank Abel
    Juni 17, 2010

    Hallo Franz,

    das Problem besteht auch akut in Österreich. Das Problem ist, dass die Böden so feucht sind, dass sie kaum noch Wasser aufnehmen können. Und dann kommt jetzt unwetterartiger Starkregen, danach sinkt im Nordstau der Alpen die Schneefallgrenze teils deutlich unter 2000 Meter. Das wird ein aufregendes Wochenende für die Alpenländer!

    Ich wünsche, dass es sich bald beruhigt. Ein bisschen dauert es wohl noch…

  10. #10 StarWolf
    Juni 20, 2010

    @Frank Abel
    Heute Wetterpanorama, am Achensee gibts weisse Gipfel, mehr hab ich nicht gesehen.
    Ich pack die Schi wieder aus 🙂

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