Wie unterscheiden sich Blogs von etablierten Leitmedien im Internet? Analyse der Reichweite, der Inhalte und des Layouts von Blogs und den Internetpräsenzen klassischer Medien in Deutschland.

Neben den Clouds mit den dynamischsten Wissenschaftsblogs (ursprünglich hier und dann hier) gibt es auch ein Ranking der größten Wissenschaftsblogs bei Metaroll von Benedikt und statisch im Wissenschaftscafé von Marc

Hier nur noch schnell vier Links zu Seiten, die generell die größten deutschsprachigen Blogs listen: Metaroll, Whatsyourplace.de, deutsche Blogcharts und Wikio

Diese
Blognabelschau ist sicher informativ, interessant ist jedoch noch, in
wie weit Blogs tatsächlich schon an etablierte Online-Leitmedien
rankommen. Dazu reiße ich hier einen Vergleich der drei Parameter Reichweite,
Inhalte und Darstellung
an.

Die Reichweite von Webseiten kann man mit Hilfe von Alexa
untersuchen (nettes Spielzeug übrigens). Hier ein Überblick der
deutschen Online-Leitmedien: Spiegel.de, Bild.de, Focus.de, Welt.de und
Süddeutsche.de

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Spiegel.de ist das dominierende Online-Medium, Focus.de, Welt.de,
Sueddeutsche.de und auch Heise.de, Tagesschau.de, Zeit.de und FAZ.net (Kurven nicht gezeigt) liegen in
etwa gleich auf. Man kann online nicht zwischen den
Print-Tageszeitungen und Wochenzeitschriften unterscheiden, da alle
untersuchten Webseiten hier tagesaktuelle Inhalte bieten.

In
einer weiteren Graphik habe ich Focus.de drin gelassen, und dazu vier
große deutsche Blogs gelistet: Basicthinking, Spreeblick, Nerdcore und
Bildblog:

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Es sind noch Welten, die zwischen einem renommierten Magazin wie
Focus.de und den deutschen Blogs liegen. Während Blogs ja im
Allgemeinen von Einzelpersonen oder höchstens einer Hand voll Autoren
geführt werden, steht hinter einem renommierten Magazin, wie Focus.de,
eine großer Redaktion, direkter Zugang zu Pressediensten und
Korrespondenten, plus eine langjährige Tradition, beides online und in
der Printausgabe.

Benedikt Köhler hat im Viralmythenblog die These aufgestellt, dass die Relevanz der Blogosphäre unterschätzt wird, da kaum von renommierten Medien auf Blogs als Quellen verwiesen werden:

Auf
diese Weise wird der schiefe Eindruck verstärkt, dass die Blogosphäre
andere Mediensysteme parasitiert, während Printmedien, TV und Radio
ihre Inhalte aus eigener Kraft schaffen.

Ich kann nicht
beurteilen, in wie weit Inhalte von Blogs in die Berichterstattung
traditioneller Medien einfließen. Das Gros der Nachrichten wird aber
wohl aus kostenpflichtigen und daher für Blogger unzugänglichen
Mitteilungen von Pressediensten generiert.
Blogs generieren ihre
Inhalte eher aus selektiven Quellen aus dem Internet und dem persönlichen Umfeld der
Autoren, sowie aus dem Nachrichten in renommierten
Medien. Bei letzterem schließe ich mich Benedikts Meinung an; es ist
kein parasitieren, wenn Beiträge anderer Medien in Blogs aufgegriffen
werden, es wird ja, wo möglich, die Quelle mit angegeben – und zitieren
ist kein parasitieren.

Inhaltlich wird sicher in Blogs stärker über spezifische Internetthemen berichtet als in den oben aufgeführten Online-Leitmedien. Nachrichten aus und über das Internet sind vermutlich die Hauptthemen für Informationstransfer von Blogs zu etablierte Medien. Leider habe ich dazu keine Zahlen.

Darstellung und Präsentation von
Nachrichten im Internet unterliegen einem ständigen Wandel.
Mittlerweile ist es in allen renommierten Onlinemedien möglich, direkt
zu kommentieren oder sich in Foren zu den Artikeln zu äußern. Ich habe
das Gefühl, dass sich das Layout der Leitmedien dem klassischen
Bloglayout mehr und mehr angleicht. Auch dies hat Benedikt Köhler schon
untersucht, und versucht Parameter für Blogähnlichkeit der Internetpräsenzen zu etablieren und renommierte Onlinemedien dahingehend zu bewerten. Er kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Viele renomierte Zeitungen und Zeitschriften haben in ihrer Onlinepräsenz Elemente aus Blogs (oder ist das Web 2.0?) übernommen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Reichweite der deutschen
Blogs ist bei Weitem nicht mit jener der deutschen Online-Leitmedien zu
vergleichen. Das hängt wohl hauptsächlich mit dem besseren Zugang zu
aktuellsten Meldungen über Presseagenturen, der Größe und Qualität der
Redaktionen der Leitmedien sowie deren Bekanntheit durch Tradition zusammen.

Während die klassischen Medien bei der Aktualität und “Impact” der Inhalte fast
unerreichbare Standards setzen, sind Blogs bei Layout und der
Präsentation von Nachrichten Online stilgebend.

Der Vergleich einzelner Blogs mit großen Internetpräsenzen wie die von Focus.de, FAZ.net oder tagesschau.de hinkt natürlich. Eine Strategie, um mit Blogs eine ähnliche Reichweite zu erhalten, wäre vielleicht das Bilden von Blogkonglomeraten, wie es die Huffington Post in den USA vormacht, oder, für wissenschaftliche Blogs, ScienceBlogs.de in Deutschland.

Kommentare (7)

  1. #1 Benedikt
    6. Mai 2008

    Man kann die Reichweiten von klassischen und sozialen Onlinemedien (noch) nicht ernsthaft vergleichen. Zugespitzt stehen auf der einen Seite Klickgalerien und Artikel, die auf z.T. 100 Einzelseiten verteilt sind – das heißt einmal Lesen sind 100 Seitenabrufe. Auf der anderen Seite stehen Blogs, die z.T. mit AJAX arbeiten, so dass das Lesen und Kommentieren eines Beitrags nur als einziger Zugriff zählt. Ganz zu schweigen davon, dass viele Blogs als RSS gelesen werden, was Alexa schlicht gar nicht misst. Außerdem weiß ich nicht ganz, ob der Vergleich mit den Leitmedien immer so sinnvoll ist. So haben z.B. Blogs wie die viralmythen oder die Wissenswerkstatt eine größere Reichweite als die größten soziologischen Fachzeitschriften in Deutschland. Weinblogs erreichen mehr Leser als Weinzeitschriften usw.

  2. #2 kamenin
    6. Mai 2008

    @ Benedikt

    “Weinblogs erreichen mehr Leser als Weinzeitschriften”

    Ich bezweifle eigentlich, dass man das wirklich so sagen kann. Einfach nur die monatliche Besucherzahl mit der Auflage zu vergleichen, wäre methodisch eher sinnlos. Da müsste man sich schon die Einzelartikel ansehen, und selbst da hat man auf Blogs dann Mehrfachbesuche, nichtlesende Google-Verirrte, und nur weil man bei irgendwem im Feedreader ist, heißt das auch noch nicht, dass derjenige so manchen Artikel nicht einfach weggeklickt hat: für Blogs sind die Zahlen da also sowas wie eine absolute Obergrenze. Dass jemand einen Artikel in einer Zeitschrift wirklich liest, kann man zwar auch nicht wissen, aber dafür gibt’s noch die Möglichkeit von Mitlesern und die zusätzliche Verbreiterung in Bibliotheken, Arztpraxen usw.

    Insgesamt glaube ich, dass Bloggen immer noch was ist, was man für einen sehr beschaulichen Kreis von Leuten macht.** Dazu kommen noch Leser, die auf irgendeinen Beitrag stoßen und sich nach einer Woche vermutlich kaum an den Blog erinnern. Aber bei der tatsächlichen Leserzahl sind gerade wir Wissenschaftsblogs vermutlich sehr weit entfernt von Zeitschriften. Und ich würde auch bezweifeln, dass Basic Thinking effektiv die Leser einer der größeren Weinzeitschriften hat.

    (** was nicht weiter schlimm ist, man sollte sich bloß auch nicht täuschen)

  3. #3 Tobias
    8. Mai 2008

    @Benedikt:

    das heißt einmal Lesen sind 100 Seitenabrufe. Auf der anderen Seite stehen Blogs, die z.T. mit AJAX arbeiten, so dass das Lesen und Kommentieren eines Beitrags nur als einziger Zugriff zählt.

    Deshalb habe ich die Reichweite und nicht die Anzahle der Hits in den Diagrammen dargestellt. Allerdings weiß ich auch nicht, was “Reichweite” heißt. Genauso wenig wusste ich, dass Alexa nicht die RSS Abos zählt. Wenn dies mit einbezogen würde, hätten Blogs wohl die doppelte Reichweite in diesen Graphen.

    Mir ging es darum, Blogs zu untersuchen, die kein Spezialthema behandeln, da klassische Medien das ja auch nicht machen. Bei Weinblogs oder Blogs zum Flugzeugmodellbau oder zur deutschen Küche mag es sicher so sein, dass klassische Weinzeitschriften/ Revell-Modellbauanleitungen/ spezielle Kochbücher weniger Reichweite haben. Solche Blogs haben, wenn sie sich ihren Themen treu bleiben, trotzdem keine Chance über ihre klar umrissene (und leicht zu bewerbende) Zielgruppen hinaus bekannt zu werden. Basicthinking und der Spreeblick
    hingegen schon.

  4. #4 Benedikt
    9. Mai 2008

    @kamenin: In dem Punkt, dass man diese Zahlen nicht vergleichen kann, sind wir uns vermutlich einig. Printverkaufszahlen und Onlineseitenabrufe sind ganz unterschiedliche Dinge, nur: was sich hinter einem Seitenabruf oder einem Besuch oder gar einem Engagement verbirgt, ist eindeutig untererforscht. Da wollen wir mit der AG Social Media ansetzen. BTW: Von dir hätte ich nicht erwartet, dass du mit Glaubenssätzen argumentierst 😉

    @Tobias: Da ist einiges im Fluss. Auch die Zielgruppe von z.B. Abotageszeitungen wird sich in naher Zukunft klar umreißen lassen: gut gebildete alte Menschen mit viel Zeit. Und ich bin mir sicher: die Zukunft gehört den Themenblogs, die sich dann ohne großen Aufwand in aggregierte General Interest-Bündel schnüren lassen. Umgekehrt ist das schwierig.

  5. #5 Tobias
    9. Mai 2008

    @Benedikt:
    Und dem Bündeln kommt eine wichtige Funktion zu. Einmal nach dem Vorbild scienceblogs.de um “Gravitationszentren” zu schaffen (hast du nicht den Begriff in diesem Zusammenhang geprägt, oder war das Marc?) und zum anderen vielleicht durch sowas wie rivva oder Themenrankings von Blogs wie deine Metaroll

  6. #6 Marcus
    29. Juli 2008

    … und wenn man das mal umrechnet: Reichweite pro beteiligtem Mitarbeiter? Da sehen Blogs Eimannunternehmen vielleicht gar nicht mehr so schlecht aus …

  7. #7 Marcus
    30. Juli 2008

    … das muss natürlich “Blogs als Einmannunternehmen … ” heißen