Allen desillusionierten Doktoranden der Biowissenschaften steht immer noch der Königsweg offen: Sattes Gehalt, geregelte Arbeitszeiten, unbefristete Stellen, endlich den Urlaub nehmen, der einem zusteht – Arbeiten in der Industrie.
Jedes Jahr verlässt ein nicht unerheblicher Teil aller Absolventen die hehren Hallen ihrer Alma Mater, um auf dem freien Arbeitsmarkt der Wirtschaft ihr Glück zu suchen.
auf der persönlichen Beliebtheitsskala rangiert “Laborleiter in der Abteilung Forschung und Entwicklung in einem namhaften internationalen Pharmaunternehmen” deutlich vor einer “herausfordernden und abwechslungsreichen Stelle im pharmazeutischen Vertrieb mit äußerlich neutralem Firmenwagen”. Auch diese Stellen gibt es; die Realität liegt jedoch auch hier, wie meistens, dazwischen.
Fallbeispiel: Promovierter Biologe in der Industrie
Die Beschreibung eines in der Industrie arbeitenden Doktoren der Biologie hört sich so an:
Ich arbeite in einem Diagnostiklabor. Der Hauptumsatz wird mit Routineuntersuchungen von Patientenblutproben generiert: Schilddrüsenhormone, Tumormarker, Aidstests und so weiter. Meine Kündigungsfrist liegt bei vier Wochen, das Gehalt bei 3400 Euro brutto. Urlaub? In zwei Jahren 15 Tage. Auf Abruf. In meinem Vertrag sind 28 Tage ausgewiesen.
Das erlernte Fachwissen kann man getrost vergessen. Wie soll auch detailliertes Wissen über genetische Mikrobiologie bei Fragestellungen des Qualitätsmanagements weiterhelfen. Da man als Doktor der Biowissenschaften zu teuer ist, um die im Unternehmen anfallenden Tätigkeiten selbst zu erledigen, leitet man ein Heer fachlich hochqualifizierter medizinisch- und biologisch- technische Assistenten (MTA, BTA, Einstiegsgehalt um die 1800 EUR brutto nach TVÖD).
Statt wissenschaftlicher Fragestellungen bin ich hauptsächlich mit Herausforderungen an die Sozialkompetenz konfrontiert. Neue Mitarbeiter einstellen, Mitarbeiter entlassen, Krisengespräche führen, Verantwortung den Kunden und der Geschäftsleitung gegenüber, und Entscheidungen treffen. Wie werde ich von meinen Mitarbeitern und Vorgesetzten wahrgenommen?
Letztendlich ist weder ein Job in der Wissenschaft noch einer in einem Wirtschaftsunternehmen besser, und das Gras erscheint immer grüner auf der anderen Seite des Zauns.
Was verdienen Biologen?
Der beschriebene Einzelfall ist symptomatisch. Promovierte Biologen verdienen zwischen 3000 und 4000 Euro im Monat, je nach Branche, Betriebsgröße und Berufserfahrung. Ist das Gehalt gerechtfertigt ? – Nach fünf Jahren Unistudium und vierjähriger Promotion? Es liegt nicht viel höher als das gesamtdeutsche Durchschnittsgehalt.
Realen Gehältern steht immer ein Marktwert gegenüber, der sich aus dem Nutzen des Mitarbeiters für die Firma erschließt. Bedeuten die niedrigen Löhne, dass Biologen am Markt vorbei studieren? Kannibalisieren wir uns selbst mit hohen Absolventenzahlen?
Jedes Jahr schließen 10.000 Biologen, Biochemiker und Biotechnologen ihr Studium ab. 6.000 davon bleiben der akademischen Welt treu und promovieren. Sei es aus wissenschaftlichem Interesse, oder, ganz profan, um Zeit zu kaufen. Zeit, die in der Regel nicht automatisch genutzt wird, um sich für den Arbeitsmarkt besser zu qualifizieren, sondern um sich zum Fachidioten zu promovieren. Gebetsmühlenartig wiederholen promovierende Naturwissenschaftler mit Zug zur Industrie die “Soft Skills”-Argumente: Ich lerne mich selbst besser zu organisieren, werde stresstoleranter, und zeige, dass ich ein Themengebiet eigenständig bearbeiten kann. Ob das potentielle Arbeitgeber tatsächlich in dem Maße interessiert, in dem man sich das vorstellt, ist so wohl noch nie gemessen worden.
Jobaussichten: Die Ampel steht zwischen gelb und rot
Mit dem bundesweiten Angebot an Bachelor-Studiengängen wird wohl der Druck auf den Arbeitsmarkt durch noch mehr ausgebildete Biologen erheblich zunehmen, da bei geringeren Studienzeiten mehr Absolventen mit den gleichen Ressourcen durch das Studium geschleust werden können. Ob der Bachelor-Abschluss und der damit einher gehende Umbau des Studiums, zu einer besseren Qualifizierung für den nicht-akademischen Arbeitsmarkt führt, sei dahingestellt. Der Stern schreibt in der Jobampel Biologie: “Wie der Bachelorabschluss in der Berufswelt angenommen wird, muss die Zukunft zeigen. Viele bezweifeln, dass es einen großen Bedarf für Absolventen geben wird, deren Qualifizierung – so die Einschätzung – etwas über der eines Technischen Assistenten liegt.”
Um den provokanten Satz am Anfang dieses Artikels aufzugreifen: Jobs in der Industrie für Biologen sind also keinesfalls der Königsweg. Es bedarf einer klaren Fokussierung auf Kompetenzen, die nur bedingt im fachlichen Bereich liegen, viel eigenständiger Initiative, und einer gehörigen Portion Realismus im Abgleich mit den Anforderungen des gewünschten Jobs, um den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu meistern. An den Unis wird nur leidlich für diesen wichtigen Schritt vorbereitet.
Abbildung: Erstsemesterzahlen, Absolventenzahlen und Arbeitslosenzahlen von studierten Biologen vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland. Link.
Gehaltsinformationen für Biologen bei der Bundesvertretung Deutscher Biologen. Link.
The Alternative Scientist. Blog über alternative Karriereoptionen für Wissenschaftler (auf Englisch).
Verwandte Artikel im Blog:
Kommentare (42)