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Der Nobelpreis für Medizin und Physiologie geht in diesem Jahr an drei Forscher, die sich mit den Enden der Chromosomen beschäftigt haben. Die Telomerase spielt eine wichtige Rolle bei fast allen Krebsarten und ist möglicherweise ein Ansatzpunkt um das Altern zu verzögern.

In meinem Blogpost von heute Mittag habe ich erklärt, dass die Enden der Chromosomen, die Telomere, mit jeder Zellteilung ein Stück kürzer werden. Das liegt an den Eigenschaften der DNA-Polymerase, welche für die Verdopplung der DNA verantwortlich ist. Die Telomerase ist ein Enzym, welches die fehlenden Chromosomenenden synthetisieren und wieder anhängen kann. Das Protein wurde hauptsächlich von den Nobelpreisgewinnern Liz Blackburn und Carol Greider erforscht.

In normalen Körperzellen ist die Telomerase weitgehend inaktiv. Die dadurch immer kürzer werdenden Telomere führen dazu, dass Zellen mit kurzen Telomeren entweder einfach aufhören sich zu teilen, oder gleich absterben. Wenn die Telomerase jedoch in normalen Körperzellen exprimiert wird, sind diese Zellen prinzipiell unsterblich. In rund 90% aller Tumorzellen wird dann auch die Telomerase exprimiert, Krebszellen können sich so immer weiter teilen.

Die kürze der Telomere ist ein Maß für das biologische Alter. Je länger eine Person lebt, je häufiger sich die Zellen geteilt haben, desto kürzer sind deren Telomere. Einige Forscher vermuten, dass die Länge der Telomere nicht nur ein Mass sind, um alter zu messen, sondern direkt der Auslöser für Alterungserscheinungen sind. Tatsächlich gibt es einige Krankheiten, bei denen die Patienten früh altern, und die mit kurzen Telomeren assoziiert, zum Beispiel das Werner Syndrom.

Um dem Effekt der immer kürzer werdenden Telomere zu begegnen müsste man gezielt die Telomerase in den Zellen exprimieren. Diese würden sich dann möglicherweise selbst verjüngen, zumindest jedoch die Telomerlänge stabil halten. Da eine erhöhte Expression der Telmerase allerdings häufig mit Krebs einhergeht, wie oben beschrieben, ist die Regulierung dieses Enzyms als Mittel gegen Ageing in keinster Weise trivial: zu wenig Telomerase und die Zellen altern; zu viel Telomerase und die Krebsrate steigt; genau richtig reguliert kann so möglicherweise das Leben verlängert werden.

Bevor die Telomerase als Angriffspunkt für eine Art „Therapie” gegen das Altern in Frage kommt ist noch viel zu erforschen: Die genauen Regulationsmechanismen der Telomerlänge sind bei weitem nicht geklärt. Neben der Telomerase, die ja nur die Nukleotide an die Telomere wieder anhängt, muss es andere, regulatorische Proteine geben. Deren Identität und Funktion ist weitgehend unbekannt.

Die Telomerase ist unabhängig von ihrer Funktion ein interessantes Enzym deren genauer katalytische Mechanismus auch noch nicht voll erforscht ist. Die Telomerase bringt ihre eigene RNA mit, die als Vorlage für die Synthese der fehlenden Telomernukleotide fungiert. Das Enzym ist funktionell eine reverse Transkiptase, genauso wie übrigens die reverse Transkiptase des HI-Virus.

Carol Greider war übrigens Doktorandin Elizabeth Blackburn’s Labor. Hier ist ein Link zu einem Telefoninterview mit Carol Greider direkt nach Bekanntgabe der Namen des diesjährigen Preises. Sie war gerade beim Wäsche waschen.

Liz Blackburn ist 2004 vom damaligen Präsidenten Bush aus dem Bioethikrat der USA entlassen worden, nachdem sie einem Moratorium der Stammzellforschung heftig widersprach. Hier der Link zu einem GoogleTalk mit Elizabeth Blackburn. Es gibt ebenfalls ein Telefoninterview direkt nach Bekanntgabe des Preises mit ihr.

Jack Szostak hat an der Funktion der Telomere geforscht, aktuell beschäftigt sich sein Labor mit den Ursprüngen des Lebens auf der Erde und mit der Erschaffung künstlichem Lebens.

Bild oben: Kristallstruktur der Telomerase von Tribolium castaneum aus der Protein Data Bank.

Kommentare (5)

  1. #1 Tobias
    5. Oktober 2009

    Hier ein Review in Nature medicine von allen drei Laureaten:
    https://www.nature.com/nm/journal/v12/n10/full/nm1006-1133.html
    Full text kriegt nur, wer das Journal abonniert hat.
    Morgen lad ich das .pdf noch hoch.

  2. #3 ulf
    6. Oktober 2009

    Danke für einen wie immer gut geschriebenen und informativen Artikel – gestandene Tageszeitungen könenn sich hier mal eine Scheibe abschneiden. Jüngstes Beispiel verschwurbelter Halbwissens zumThema ‘Chromosom’ findet sich übrigens in der heutigen Süddeutschen (6. 10. 2009) auf Seite zwei… mehr Info gibts hier

    https://ukaschl.blogspot.com/2009/10/germansisms-i-wesserbisser.html

  3. #4 Tobias
    6. Oktober 2009

    Ja. Das Mit der Schutzkappe habe ich auch in der ZEIT gelesen, glaube ich. Die Telomere sind einfach die Enden der Chromosomen und keine gesonderten Strukturen in Kappenform.

    Der gröbste Fehler der SZ ist aber ein anderer: Alle Zellen enthalten auch Geschlechtschromosomen und nicht nur die Keimzellen, wie in deinem verlinkten Abschnitt geschrieben steht. Eizellen und Spermien enthalten nur den halben Chromosomensatz, mit jeweils nur einem Geschlechtschromosom. Also bei Frauen immer X, bei Männern entweder X oder Y.

    Bisher habe ich den anspruchsvollsten Artikel zum Thema Medizinnobelpreis in der FAZ gelesen.

  4. #5 Pia
    24. Oktober 2011

    Ich muss in Biologie13 einen Vortrag über den Nobelpreis 2009 Medizin halten, vielen Dank für deinen Post. Endlich habe ich etwas gefunden was mir wirklich Informationen liefert!