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Das XCell-Center in Köln bot experimentelle Stammzelltherapien für eine bunte Sammlung schwerer und schwerster Erkrankungen an. Bis es 2011 geschlossen wurde. Nicola Kuhrt hat in einem aktuellen Spiegel-Artikel die Geschichte der umstrittenen Klinik aufgearbeitet. Hier als Ergänzung mein Emailaustausch mit dem XCell-Center inklusive der mir zugesandten Präsentationen zu Cohortstudien mit XCell Patienten.

Spiegel Online widmete gestern einen sechsteiligen Artikel dem dubiosen und seit 2011 geschlossenen XCell-Centers, damals mit Sitz in Köln. Das XCell-Center bot für einige Jahre experimentelle Stammzelltherapien an, bei denen eigene, adulte Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen werden und an anderem Ort, also Beispielsweise dem Rückenmarkskanal oder dem Hirnwasserraum, wieder injiziert werden.

Eine 2010 publiziere kritische Evaluation des XCell-Centers bietet einen Überblick (pdf) über deren Aktivitäten und listet über ein Dutzend schwerer und schwerster Erkrankungen, die angeblich mit autologer Stammzelltherapie behandelt werden könnten:

In addition to advertising its version of stem cell transplants to patients with ALS, the Cell-Center also advertises it to patients with Alzheimer ‘s disease, autism, cardiovascular disease, cerebral palsy, diabetes mellitus types 1 and 2, failed back syndrome, macular degeneration, multiple sclerosis, osteoarthritis, Parkinson ‘s disease, spinal cord injuries and stroke.

Ich war zum ersten Mal Ende 2009 auf das XCell-Center aufmerksam geworden und recherchierte für einen Artikel hier im Blog. Besonders wissenschaftliche Veröffentlichungen, welche die angebotenen Therapieformen stützen sollten interessierten mich. Speziell eine klinische Studie in Phase II zur erfolgreichen Behandlung von Rückenmarksverletzungen, die auf der XCell-Webseite zwar erwähnt wurde, aber nicht verfügbar war.

Meine Recherchen von damals haben es nie ins Blog geschafft. Erst kam die Schweinegrippe dazwischen, dann fehlte die Motivation. Hier nun also, sozusagen als Ergänzung zu dem Artikel von Nicola Kuhrt in Spiegel Online gestern, mein Emailaustausch mit dem XCell-Center vom Oktober 2009. Der Erstkontakt lief über ein Formular auf deren Website, kurz darauf bekam ich Post:

Dear Mr Maier,
We are proud to offer you our innovative adult stem cell treatments and we thank you very much for your interest.
The XCell-Center is Europe’s first certified private stem cell treatment facility and is its leading adult stem cell therapy provider. Our clinical and laboratory standards are governed by the German Medical Act and European Union GMP regulations. These standards are on par with US FDA regulations.
At the XCell-Center, to best ensure the safety and success of every patient’s care, each medical evaluation and stem cell procedure is performed by a team of German Medical Board certified physicians; among them are radiologists, diabetes specialists, neurosurgeons, cardiologists, ophthalmologists and pharmacologists. Together they have treated more than 1500 patients and seen excellent results.
When your disease was not listed, but you want our medical team to see if it is eligible for treatment, we kindly ask that you to complete the Medical Information Form.
After we receive the medical information form from you, it will be carefully reviewed . Someone will contact you within a few working days, in order to give you their preliminary opinion and explain the next steps in the evaluation process.
The use of autologous adult stem cells is free of ethical concerns; there is no risk of rejection or contamination with foreign viruses as with other stem cell sources.
Feel free to contact me any time if you have any questions or if you need any assistance.

Ich habe geantwortet:

Dear Dr Randomname,
thanks for your fast reply to my enquire on your homepage. I am intrigued by the opportunities your stem cell therapy offers. Would you be so kind to respond to my question in person please?

1. Could you possibly send me more background information on you stem cell therapy? The link to the .pdf for the follow-up study for stem cell injection by lumbal puncture in your news section from July 20th does not work.
2. Could you also please send me information on your phase II trials mentioned on the German website of xcell?

Die Antwort vom XCell-Center:

Dear Mr Maier
Thank you for your message.
In your request of information there is no disease selected and your comment do not refer to any concrete diseases.
I think that is the reason why the link did not work.
Could you give me more information about your disease?

Meine Antwort.

Dear Dr Randomname,
thank you for your fast reply. I would kindly ask you to understand that I am reluctant to give information on my disease over the internet or by email.
Nevertheless, since I am very much interested in the type of therapy you offer, I would like to get more familiar with the stem cell treatment. I would be very happy if you could forward me the .pdf on the follow up study for stem cell injection by lumbal puncture and more detailed information on your phase II trials. They evidently present your most advanced therapeutic tools and since they are in phaseII trials already, possible health risks should be considerably low.

Und deren letzte Nachricht:

Dear Mr Maier
Thank you for your message.
I understand your concern but I cannot give you any information about the success of any therapy if I don’t know which disease Is tried to solve or help. It is not the same treating Amyotrophic Lateral Sclerosis through lumbar puncture than treating Cerebral Palsy.
But I can send you a consent of how the lumbar puncture is done and the risks involved and our statistics for some diseases treated with lumbar puncture.
Those trials that you mention are not done yet… therefore we cannot give info about them.
I hope you understand me too.

Die klinischen Studie, die auf der Homepage beworben wurde existierte also überhaupt nicht. Stattdessen erhielt ich ein paar andere Dokumente vom XCell-Center als Mail-Attachment:

Präsentation zu einer Cohortstudie mit Patienten mit Rückenmarksverletzungen (pdf)
Präsentation zu einer Cohortstudie mit Patienten mit Zerebralparese (pdf)
Die Einverständniserklärung zur Lumbalpunktion (pdf)

Es ist fahrlässig, stammzellbasierte Therapien anzubieten mit rein hypothetischem Wirkmechanismus und ohne jeden Wirkungsnachweis. Dennoch gibt es eine ganze Reihe Erkrankungen, die mit Spenderstammzellen therapiert werden können, zum Teil mit ausgezeichneten Heilungschancen. In erster Linie sind das Blutstammzelltransplantationen bei myeloproliferativen Erkrankungen (bösartige Erkrankungen blutbildender Organe, zum Beispiel Leukämie). Angeboten werden diese Therapien keinesfalls in dubiosen Instituten. Sie sind leider auch immer aufwändiger als eine Spritze ins Rückenmark.

Kommentare (9)

  1. #1 Dieter
    30. August 2012

    Eine gute Frage wäre doch mal, wieso ich zwar als Arzt und Förster eine schriftliche Genehmigung zum Fällen eines selbst gepflanzten Baumes im Garten brauche, ich aber gleichzeitig offenbar genehmigungsfrei und ohne Wirkungsnachweis meinem Nachbarn Knochenmark aus der Wirbelsäule saugen und ihm das Zeug dann ins Gehirn spritzen darf. Die dafür nötige Spritze musste dann aber wahrscheinlich wieder zugelassen werden.

  2. #2 Marie
    30. August 2012

    @ Dieter
    “Knochenmark aus der Wirbelsäule saugen…”
    Knochenmark wird nicht aus der Wirbelsäule gesaugt. In der Wirbelsäule befindet sich das Rückenmark und u.a. Liquor. Dort gibt es kein Knochenmark.

  3. #3 WeiterGen
    30. August 2012

    Das Knochenmark wurde von den XCell Ärzten wohl aus dem Becken entnommen. Was die wenigsten wissen (und vielleicht einige überzeugen könnte, sich bei der Deutschen Knochenmarkspendedatei zu registrieren):

    Bei 80% aller Knochenmarksspenden werden die Stammzellen nicht direkt mit Spritzen aus dem Knochen gezogen. Stattdessen wird medikamentös die Stammzellproduktion angeregt und diese werden dann direkt aus dem Blut “geerntet”.

    Mehr Information hier: https://www.dkms.de/home/en/become-a-donor/donor-knowledge.html

  4. #4 WeiterGen
    30. August 2012

    Dieter,
    zur unbefriedigenden rechtlichen Situation kann ich selbst nicht viel sagen, hier steht, dass es 2013 besser werden könnte:

    In Deutschland sind Behandlungen mit embryonalen Stammzellen verboten, doch mit adulten dürfen Ärzte in bestimmten Fällen arbeiten. Die Gesetze sind komplex, eine Übergangsfrist lässt Anbietern Spielraum: Noch bis Ende 2012 kann jeder seine auf dem Markt befindlichen vorschriftsmäßig hergestellten Medikamente für “neuartige Therapien” ohne behördliche Genehmigung anbieten. Danach greift eine europäische Verordnung, es bedarf der Zulassung durch die Europäische Zulassungsbehörde EMA.

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/stammzelltherapie-privatklinik-behandelt-weiter-a-851887.html

  5. #5 roel
    30. August 2012

    @WeiterGen interessanter e-mail-Verkehr. Ich habe das Thema damals nur am Rand verfolgt.

    Dein Kommentar ist irgendwie verunglückt. Ich habe mir die Ausschlusskriterien https://www.dkms.de/home/de/spender-werden/registrierung/ausschlusskriterien.html der dkms mal angesehen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich meine das z.B. ein längerer Aufenthalt in GB in den 80er oder 90er Jahren ebenfalls zum Ausschluss führen müsste, nicht vielleicht, wenn die Spende dort sowieso hingeht, aber wenn sie innerhalb Deutschlands bleibt. Hast du da verlässliche Informationen zu?

  6. #6 WeiterGen
    30. August 2012

    roel,
    danke. Kommentar ist jetzt hoffentlich leserlicher.
    Ich habe keine weiteren Informationen zu den Ausschlusskriterien. Im Zweifel einfach mal dort anrufen?

  7. #7 Marcus Anhäuser
    30. August 2012

    Zur Ergänzung:
    2007 hat die Kollegin Kristin Raabe beim DLF bereits über das XCell-Center berichtet, ein toller Beitrag, den man sich hier anhören kann (und lesen):
    https://www.dradio.de/dlf/sendungen/wib/687759/

    Christina Berndt von der Süddeutschen Zeitung war (2006) die erste von der ich einen Artikel darüber las :
    https://www.sueddeutsche.de/wissen/teure-hoffnung-euro-fuer-ein-versprechen-1.833286

    Gott sei Dank ist der Laden zu …

  8. #8 Joe Nover
    8. November 2012

    Ich habe im Bekanntenkreis jmd., der diese Einrichtung in Köln 2 mal sogar besucht hat.

    Er hat Diabetis, wobei ich nicht weiß welchen Typ.
    Zumindest musste er schon wenige Wochen nach der 1. Behandlung nichtmehr spritzen.
    Warum die 2. gemacht worden ist weiß ich nicht.
    Auch heute muss er nichtmehr spritzen.
    Wobei er natürlich weiterhin auf seine Ernährung achtet.

    Ich verstehe das ganze gepeitsche gegen diese Einrichtung nicht. Nur weil keiner weiß, wie das funktioniert ? Obwohl es – bei manchen – funktioneirt ?
    Er hat doch nur, soweit ich weiß, seine eigenen angereicherten Zellen wiederbekommen ?
    Desweiteren stand auf der Seite von denen, das eine Heilung nicht versprochen werden kann.

    Warum ist bei Leukämie Knochenmarkspende weiterhin erlaubt ? Klar es sind fremde Zellen, da die eigenen ja Krebs haben. Aber im Prinzip ist das doch die gleiche Therapie, oder ?

  9. #9 Tobias Maier
    8. November 2012

    Warum ist bei Leukämie Knochenmarkspende weiterhin erlaubt ?

    Weil diese Therapieform erwiesenermaßen funktioniert. Man weiß sogar warum. https://de.wikipedia.org/wiki/Leuk%C3%A4mie#Therapie

    Einen solchen Nachweis gibt es für keine der am X-Cell Center angebotenen Behandlungen. Aber wie Marcus schon zwei Kommentare weiter oben schreibt: Der Laden ist ja Gott sei Dank zu.