Fahrradrennen (Bild via Wikimedia Commons )

Doping im Radfahren war in den vergangenen Wochen mehrfach Thema hier. Es ging um Methoden, wie gedopte Fahrer auch ohne die Analyse von Blut und Urinproben identifiziert werden könnten und konkret um die Frage ob der Gewinner der diesjährigen Tour de France, Chris Froome, gedopt war. In einem Gastartikel wurde die Frage untersucht, ob es überhaupt möglich ist, die Tour ohne Doping, nur durch verbesserte Ernährung und Training, zu gewinnen.

Alle drei Artikel haben eins gemein: Sie handeln von Profis, die mit Radrennen ihr Geld verdienen. Radfahren ist aber Breitensport und auch im Amateurbereich werden Rennen gefahren. Wenig verwunderlich aber weitgehend ignoriert: Auch dort wird gedopt. Ich habe ein Interview mit Jasper Vanuytrecht geführt. Jasper hat seine Masterarbeit zum Thema Doping im Amateurradsport in Flandern gerade fertig gestellt.

WeiterGen: Jasper, hat der Amateurradsport ein Dopingproblem

Jasper Vanuytrecht: Auf jeden Fall. Ich habe für meine Massenarbeit mehrere Amateurrennfahrer, aber auch Trainer, Ärzte, Teambetreuer, einen Polizeiinspektor, sowie den Leiter der Anti-Doping Agentur in Flandern (TeamMVS) befragt und Aussagen zur Häufigkeit von Doping im Amateursport gesammelt, aber auch zu Gründen warum im Amateursport gedopt wird, und was dagegen unternommen werden kann. Basierend auf den Aussagen in den Fragebögen schätze ich, dass mindestens 10% aller Amateurrennfahrer gedopt sind.

WG: Mit welchen Mitteln wird gedopt?

JV: Die Dopingmittel im Amateursport sind die gleichen, die wir vom Profisport der letzten Jahre und Jahrzehnte kennen: Steroidhormone, EPO, Corticosteroide. Ältere Fahrer nehmen auch häufig Amphetamine. Weiter werden Diuretika genommen, um Dopingmittel vor den Rennen aus dem Körper auszuschleusen.

WG: Wie kommen die Fahrer an die Medikamente?

JV: Das meiste wird über das Internet bestellt und ist Angaben der von mir interviewten Sportler zu Folge binnen einer Woche im Briefkasten zu Hause. Die Anbieter findet man mit einer einfachen Googlesuche. Es gibt aber auch Ärzte, die auf Bitten der Sportler leistungssteigernde oder schmerzhemmende Präparate verschreiben, obwohl dies möglicherweise nicht notwendig wäre, beispielsweise Kortison. Außerdem gibt es lokale Dealer, über die Dopingmittel bezogen werden, etwa bei Wettkämpfen. Ein Problem mit den bestellten Präparaten ist, dass man nie sicher sein kann, dass auch tatsächlich das drin ist, was drauf steht.

WG: Warum dopen Amateursportler überhaupt?

JV: Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist es natürlich Ehrgeiz. Egal ob Amateur oder Profis, wer Rennen fährt, will gewinnen. Dazu kommt ein nur eingeschränkt vorhandenes Unrechtsbewusstsein, das durch dopende Profis, die ja Vorbildfunktion haben, sicher nicht gefördert wird. Im Profiradsport gab es lange eine Kultur des Dopings, die weit in den Amateurbereich hinein reicht. Wer sich ambitionierte Ziele steckt, möchte diese erreichen – häufig offenbar egal mit welchen Mitteln und zu welchem Preis. Ein weiterer Faktor ist, dass das Risiko erwischt zu werden im Amateurbereich einfach sehr gering ist.

Vielen Sportlern scheint außerdem nicht bewusst zu sein, dass die Einnahme von Dopingmitteln kurzfristige und langfristige negative gesundheitliche Folgen hat. Die Nebenwirkungen von vielen Substanzen sind nicht adäquat untersucht. In Flandern gab es in den letzten Jahren zum Beispiel mehrere plötzliche Todesfälle von Amateurrennfahrern, die zuvor außergewöhnlich gut gefahren sind.

WG: Wird im Amateurbereich nicht auch getestet?

JV: Doch. Dopingkontrollen sind jedoch teuer und die Logistik ist kompliziert. Der Fokus liegt daher hauptsächlich bei den Profis. Bei Amateuren wird zwar auch getestet, allerdings nur bei den Rennen. Es finden so gut wie keine Trainingskontrollen statt. Die Kontrolleure müssten für effektive Kontrollen ja jederzeit unangemeldet bei den Athleten auftauchen können und müssten daher ständig wissen, wo sich die Amateurfahrer befinden. Das ist nicht zuletzt ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre. Die Zeit zwischen den Rennen kann also von Amateursportlern genutzt werden, um beispielsweise mit EPO die Ausdauer zu verbessern.

WG: Was wären dann deiner Meinung nach passende Maßnahmen, um Doping im Amateurbereich einzudämmen?

JV: Das wichtigste ist ein Mentalitätswechsel im Amateurradsport, so dass vor allem Nachwuchssportler nicht mit Doping anfangen. Dazu muss das Problem nicht nur von den Verbänden und der Politik als solches erkannt werden, sondern auch dementsprechend gehandelt werden, beispielsweise durch Aufklärungskampagnen, Präventionsmaßnahmen und die Androhung drastischer Strafen. Ein Problem ist sicher das fehlende Geld für eine adäquate Kontrollinfrastruktur. Da die Dopingkontrollen von den Verbänden selbst durchgeführt werden, besteht außerdem ein Interessenkonflikt, der nicht zur Lösung des Problems beiträgt. Welcher Radsportverband möchte schon dem Radsport schaden, dadurch dass er Dopingfälle bekannt macht?

Meine Erfahrungen mit Amateursportlern zeigt auch, dass die Legalisierung von Doping mit Sicherheit nicht zur Lösung des Problems beiträgt. Der Meinung sind übrigens auchdie meisten Experten und Wissenschaftler. Durch bessere Kontrollen ist der Profisport in den letzten Jahren sauberer geworden, jetzt muss sich das auch auf den Amateursport übertragen.

WG: Hat einer der von dir befragten Sportler eigentlich Doping gestanden?

JV: Nein, obwohl ich den interviewten Sportlern natürlich Anonymität garantierte, ist das ist nicht passiert. Ich habe wahrscheinlich auch einfach zu wenig Interviews geführt und vielleicht haben diejenigen, die dopen, auch schlicht abgelehnt mit mir zu sprechen. Die Strafen für Doping im Amateursport sind genauso hoch wie im Profisport, also Rennsperren und empfindliche Geldstrafen. Wer aktiv fährt möchte das nicht riskieren. Außerdem: Wer seiner Familie und seinen Freunden nichts davon erzählt, gibt sicher in einem Interview nicht zu, gedopt zu haben. Aber das Insiderwissen einiger meiner Interviewpartner war schon erstaunlich.

pasfotoJasper Vanuytrecht studiert an der Universität in Ghent an der Fakultät für Strafrecht und Kriminalistik. Er beantwortet hier in den Kommentaren gerne aufkommende Fragen, ist auch per Email unter Jasper.Vanuytrecht[ät]ugent.be für Rückfragen erreichbar.

Kommentare (3)

  1. #1 Tobias Maier
    5. August 2013

    Aus aktuellem Anlass hier die Links auf der Seite des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) zu den Dokumenten “Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation”

    https://www.bisp.de/cln_350/nn_15924/DE/Aktuelles/Nachrichten/2013/Berichte__WWU__HU.html?__nnn=true

  2. #2 roel
    *****
    5. August 2013

    @Tobias Maier “Aus aktuellem Anlass hier die Links…” Ich wollte gerade danach suchen…Danke.

  3. #3 Spritkopf
    13. August 2013

    Dass ein Profi mit dem Doping anfängt, wenn er mitkriegt, dass 99% seiner Kollegen ebenfalls dopen, kann ich zwar nicht billigen, aber noch halbwegs nachvollziehen. Aber bei einem Amateur, bei dem es nicht um seine Existenz geht, sondern nur darum, sich mit dem anderen zu messen, begreife ich das nicht im Ansatz. Was ist ein Sieg wert, wenn ich weiß, dass ich ihn nur errungen habe, weil ich ein Mittelchen eingeworfen habe und meine Wettbewerber nicht? Gar nichts! Von den gesundheitlichen Risiken gar nicht zu reden.