Bilder sind eine Art Brücke zwischen unserem (notwendigerweise) reduktionistischen Denken und der Realität unserer Umwelt.

Spätestens, wenn wir mit einer ADAC-Straßenkarte versuchen, eine Fahrradtour zu machen, wird uns klar, dass – bei aller Genauigkeit der Karte – uns wesentliche Informationen des Weges fehlen. Bildet die Karte also falsch ab?


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Die Frage, um die es dabei wirklich geht, ist, inwieweit Bilder als Illustration oder als Kommentar fungieren. Illustrationen verdeutlichen, erhellen, stellen dar. Ein Kommentar arbeitet eine Meinung heraus, lenkt das Augenmerk auf einen bestimmten Zusammenhang, der nicht notweniger Weise im Urbild der Abbildung implizit war.

In der Vorstellung biblischer Gottesebendbildlichkeit des Menschen finden wir die Frage nach der “Objektivität” bereits voll entfaltet: in welcher Hinsicht kann der Mensch das Bild Gottes sein? Beispielweise sicherlich nicht in seiner Allmacht. Hier kommen wir schon zu einem wesentlichen Aspekt der Abbildung, der Idealisierung. Niemand hat diese Gedanken so stark pointiert, wie Platon, der die gesamte menschliche Erkenntnis als Abbildungsprozess beschreibt, indem er den erkennenden Menschen bildlich in eine Höhle setzt, an deren Wand die Schatten der Wirklichkeit sich abbilden.

In der der Buchmalerei entwickelt sich ab der Spätantike eine Tradition, die – im Text ja nicht antastbaren, also irgendwie objektiven – Inhalte der Bibel in Miniaturen abzubilden, die den Texten beigegeben werden.

Miniatur < lat. Minium, Mennige (Pb?O?), die rote Farbe, mit der die Miniaturen in der Regel gezeichnet wurden

Dabei weisen die Bilder häufig weit über die – angeblich – illustrierten Texte hinaus. Bekannteste Beispiele sind die sogenannten Typologien. Dabei werden Texte aus dem Alten Testament mit Themen aus dem Neuen Testament in Verbindung gebracht. So finden sich häufig in Taufkapellen oder auf Taufsteinen Bilder der Sintflut (Bedeutet: genau wie Gott Noah den Ewigen Bund verspricht, bedeutet die Taufe den neuen Bund); ein weiteres Beispiel ist die bildliche Verbindung von Christi Grablegung/Wiederauferstehung mit der Erzählung von Jonas und dem Wal (Bedeutet: wie der Wal Jonas verschluckt, wird Christus ins Grab gelegt und wie der Wal Jonas wieder ausspuckt, ersteht Christus an Ostern wieder auf).

Urbild und Abbild stehen zueinander stets im Verhältnis, das durch den schöpferischen Akt der Abbildung beschrieben wird. D. h. die Bedeutung erhält das Abbild durch sein Urbild und die Abbildungsvorschrift.

Ein Beispiel: eine Stichprobe ist das Abbild einer Grundgesamtheit. Ob ich eine Zufallsstichprobe ziehe, bei der jedes Mitglied der Grundgesamtheit die selbe Chance hat, in die Stichprobe zu gelangen, oder mein eventuell vorhandenes Vorwissen nutze, in der Grundgesamtheit vorhandene Strukturen, z. B. die Altersverteilung einer Bevölkerung, in die Stichprobe einfließen lasse, verändert die Bedeutung der Stichprobe. Im ersten Fall werden ich etwa Rückschlüsse auf die Altersverteilung machen können, im zweiten nicht (da ich diese ja in der Ziehung vorgegeben habe). Aber ich weiß nicht, ob mir nicht bestimmte Altersklassen zufällig nur schwach in der Stichprobe vertreten sind. Ziemlich sicher komme ich daher bei der Zufallsstichprobe zu ganz anderen Aussagen, z. B. bzgl. der Internet-Nutzung von älteren Menschen, da evtl. genau diese Altersklasse in meiner Stichprobe wenig oder besonders stark vertreten ist, als bei einer Stichprobe mit vorgegebener Altersquote.

Die Abbidlungsvorschrift einer Visualisierung macht mehrere Dinge:
1.) sie reduziert (z. B. eine Vielzahl von Messpunkten auf eine Trendline)
2.) sie focussiert (z. B. die rote und überproportional breite Darstellung von Autobahnen auf Straßenkarten)
3.) sie kondensiert (indem z. B. mehrere Merkmale gleichzeitig zusammenhängend dargestellt werden – etwa in der Wetterkarte: Windgeschwindigkeit, Temperatur, Linien gleichen Luftdrucks zusammen mit topographischen Merkmalen der Landschaft)
4.) sie überträgt (z. B. die Übersetzung eines Zahlenverhältnis in die Größe von Kuchenstücken, den Ablauf der Evolution auf einen Kalender – jeder Tag darauf entspricht in diesem Bild ca. 12 Mio Jahren Erdgeschichte)

Visualisierung ist nicht Illustration, sondern als Kommentar. Besonders die guten Visualisierungen öffnen neue Ebenen der Bedeutung, schaffen uns den Sinn in den Daten.

denn im Bilde Gottes hat er den Menschen gemacht

Abbildung – Die schier unendlich kleinteilige Welt in Zusammenhänge bringen und sichtbar machen.

Konstruktion – Wirklichkeit herstellen, indem wir in Daten Strukturen sehen. Unser Auge/Hirn sieht in der Zimmerecke, wo zwei Wände sich treffen, eine Linie. In der zeitlichen Folge vom Zufallen der Türe und dem Knall entsteht uns ein kausaler Zusammenhang.

Bilder sind eine Art Brücke zwischen unserem (notwendigerweise) reduktionistischen Denken und der Realität unserer Umwelt.

Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht.

Eine Abbildung ist eine Regel, die Punkten/Objekten aus einem Feld/Raum jeweils ein bestimmtes Objekt aus einem anderen Raum zuordnet. So wird in der Abbildung der Landkarte jedem Flecken in der Landschaft, der im Maßstab noch groß genug ist, ein Punkt auf der Landkarte zugeordnet, eine bestimmte Farbe und Schraffur.
Diese Regel klingt objektiv, so als könnte die Abbildung gar nicht anders ablaufen.