Dramatikerin Theresia Walser überzeugte am Mannheimer Nationaltheater mit Aktualität und ungewöhnlichem Wortwitz
In den folgenden kalten Wintertagen und dem permanenten Konsumrausch lohnt es sich, das zeitkritische Theaterstück „Herrenbestatter” anzusehen, das am 18. Dezember 2009 am Mannheimer Nationaltheater uraufgeführt wurde. Dafür erntete die nicht immer unumstrittene Dramatikerin Theresia Walser (* 1967) mit Sprachpoesie, Humor und starken Schauspielern sehr großen Beifall und Szenenapplaus.
In dem von Burkhard C. Kosminski kurzweilig inszenierten, 90 Minuten langen Schauspiel geht es um den letzten Arbeitstag des Verkäufers „Ellenbeck” (Peter Rühring) in der Herrenexquisit-Abteilung eines Kaufhauses. Durch diverse Anspielungen und den Namen des neuen Investors „Herr Fürth” (Reinhard Mahlberg), der den Einkaufstempel in der Wirtschaftskrise sanieren will, werden rasch Parallelen zum sterbenden Arcandor-Karstadt-Quelle-Konzern gezogen. An Ellenbecks Seite steht nun ein junger Superverkäufer namens Lenz (Sven Prietz), der keine Ahnung hat und die Korrektheit seines Vorgängers belächelt sowie (aber) alles besser machen will und durch seine Penetranz „Kann ich Ihnen helfen?” permanent Kunden abschreckt.
Theresia Walser muss sich tagelang in Kaufhäusern versteckt haben, um ihre mit Wortwitz gespickten, aber manchmal auch sehr banalen Dialoge zu kreieren: „Mit einem Kragen beginnt die Menschheit.” Sie schafft es dennoch, dem Zuschauer trotz aller tragischen Komik einen Spiegel vorzuhalten, indem sie die gefräßige Warenwelt, ihre menschenverachtende Verkaufspsychologie sowie den Konsum in der Weltwirtschaftskrise aufs Korn nimmt.
Im anschließenden Klamauk mutieren während des letzten Arbeitstages scheinbar harmlose Kunden zu Gesellschaftspsychopathen, die sich unnötige Korbstühle und kanariengelbe Anzüge von Superverkäufer Lenz aufschwatzen lassen. In stoischer Ruhe erträgt dagegen Ellenbeck die als Spiegel der Gesellschaft auftretenden Kunden-Durchgeknallten und ist auch in seinen letzten Serviceminuten zuvorkommend. Einem jungen Mädchen schenkt er für deren verstorbenen Vater sogar einen teuren Anzug, damit dieser in dem neuen Kleidungsstück würdig beerdigt werden kann. Doch nach der Schenkung verliert er den Verstand. Die gute alte Kaufhauswelt scheint sich mit seinem Berufsende ebenfalls für immer zu verabschieden. Was „danach” kommt, bleibt genauso offen, wie die Metaebenen-Frage: Was erwartet uns alle nach der momentanen Krise?
Die 42-jährige Theresia Walser wurde 1967 in Friedrichshafen geboren und absolvierte eine Schauspielausbildung. Sie ist die Tochter des Schriftstellers Martin Walser. In ihren oftmals schwer zu verstehenden Stücken wendet sie sich gegen den Realismus des zeitgenössischen Sprechtheaters.
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